Im Bereich der Binde- und Hornhauterkrankungen sind in den letzten Jahren viele Fortschritte erzielt worden. Die beiden am häufigsten in der Praxis von Allgemeinärzt:innen vorkommenden Krankheitsbilder sind hier das trockene Auge und die saisonale allergische Konjunktivitis. Auch bei den Operationstechniken rund um die Hornhauttransplantation hat sich in jüngster Zeit viel getan.

Kasuistik
Ein 71-jähriger Mann kommt aufgrund einer Rötung des linken Auges, die zwei Stunden zuvor spontan auftrat, in die Praxis. Weitere Symptome wie Schmerzen oder Visusminderung verneint er. Etwas Vergleichbares sei noch nie aufgetreten, erklärt der sehr besorgte Patient (vgl. Abb. 2). Wie lautet Ihre Diagnose? Welche Schritte leiten Sie ein?

Diagnose: Hyposphagma

Das Hyposphagma ist eine subkonjunktivale Blutung, die in der Regel einseitig, meist nach Verletzungen oder spontan auftritt. Weitere Ursachen können ein Valsalva-Manöver, Bindehautentzündungen, Augenreiben, ein trockenes Auge, eine arterielle Hypertonie oder Blutgerinnungsstörungen (Antikoagulanzienüberdosierung) sein. Das Hyposphagma bedarf keiner Therapie und bildet sich innerhalb von zwei Wochen zurück, ggf. können bei Benetzungs- oder Lidschlussstörungen Tränenersatzmittel angewendet werden. Eine augenärztliche Vorstellung ist nicht notfallmäßig nötig. Ist ein "Hyposphagma" allerdings von einer Visusminderung, Augen- oder Kopfschmerzen, erhöhtem Augendruck oder Übelkeit/Erbrechen begleitet oder tritt es im Rahmen eines Traumas auf, sollte umgehend eine augenärztliche Abklärung erfolgen.

Das trockene Auge ist eine multifaktorielle Erkrankung der Augenoberfläche und des Tränenfilms und gehört zu den häufigsten okulären Erkrankungen. Circa 15 % der Bevölkerung in Deutschland leiden darunter – Tendenz steigend. Die Symptome sind oft mit starken Einschränkungen der Lebensqualität und der Arbeitsleistung verbunden. Häufig gibt es nur eine geringe Korrelation zwischen Symptomen und klinischem Befund. Einerseits können starke Beschwerden ohne zunächst erkennbare Zeichen, andererseits schwerste Augenoberflächenbefunde ohne entsprechende Symptome vorliegen (Abb. 1). Typische Befunde sind Fremdkörpergefühl, brennende oder stechende Schmerzen, "müde Augen", Blendungsempfindlichkeit (Fotophobie), Juckreiz, Bindehautrötung, Verschwommensehen/Sehminderung, Unverträglichkeit von Kontaktlinsen und vermehrte Absonderung von verdicktem oder schaumigem Sekret.

Die Entstehung eines trockenen Auges können zahlreiche Allgemeinerkrankungen, Medikamente, Umwelteinflüsse und ophthalmologische Erkrankungen begünstigen (Tabelle 1). Vor allem rheumatologische (rheumatoide Arthritis, Sjögren-Syndrom, Fibromyalgie), dermatologische (atopische Erkrankungen, Rosazea), endokrinologische
(Hashimoto-Thyreoiditis, Morbus Basedow, Androgenmangel, Diabetes mellitus, postmenopausale Hormonersatztherapie) sowie neurologische Grunderkrankungen (Morbus Parkinson, Multiple Sklerose) sind hervorzuheben. Psychiatrische Grunderkrankungen wie Angststörungen und Depressionen sind ebenfalls mit dem trockenen Auge assoziiert. Zu den wichtigsten auslösenden Medikamenten zählen Betablocker, postmenopausale Östrogenpräparate, orale Kontrazeptiva, Diuretika und Psychopharmaka (Benzodiazepine, Antidepressiva, Neuroleptika). Umwelteinflüsse wie Rauch/Zigarettenrauch, Abgase, trockene Heizungsluft oder lange PC-Arbeit (sog. "Office eye syndrome") begünstigen ebenfalls das trockene Auge. Als wichtigste ophthalmologische Grunderkrankungen gelten Lidfehlstellungen, operative sowie Lasereingriffe (z.B. zur Korrektur von Fehlsichtigkeiten) und das (langjährige) Tragen von Kontaktlinsen.

Für die Diagnose ist eine sorgfältige Anamnese wichtig. Es gibt eine Reihe diagnostischer Methoden, um den Augenoberflächenbefund zuverlässig beurteilen zu können. Dafür ist jedoch die Vorstellung der Patient:in bei der Ophthalmolog:in nötig.

Tränenersatzmittel sollten Bestandteil jeder Therapie eines trockenen Auges sein. Hier gibt es inzwischen selektive Ersatztropfen für die verschiedenen Schichten des Tränenfilms (Abb. 3). Tränenersatzmittel werden initial 3 – 5 x/Tag appliziert. Allein reichen diese oft nicht aus, eine differenzierte Stufenbehandlung (durch Ophthalmolog:innen) ist nötig. Weitere Therapieoptionen sind u. a. regelmäßige Lidrandpflege, Stimulation der endogenen Tränenproduktion, topische/orale Makrolide/Tetrazykline, orale Omega-3-Fettsäuren, Nervenwachstumsfaktor ("Nerve growth factor", kurz: NGF), antientzündliche Medikamente und Eigenserumaugentropfen. Die antientzündliche Therapie ist bereits in moderaten Fällen indiziert. Topische Kortikosteroide sind als Kurzzeittherapie (2 – 4 Wochen) etabliert, sollten aufgrund ihrer Nebenwirkungen jedoch nicht dauerhaft angewandt werden. In einer Reihe von Studien wurde die Effektivität einer Lokaltherapie mit lokalem Ciclosporin A bei moderatem bis schwerem trockenem Auge gezeigt [7, 8]. In (universitären) Sicca-Spezialsprechstunden gibt es zudem (teilweise chirurgische) Ansätze, wie die Aufdehnung der Drüsenausführungsgänge oder die IPL("Intensive Pulsed Light")-Therapie. Aufgrund der multifaktoriellen Genese und der vielen Risikofaktoren ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Allgemeinärzt:innen sowie Ophthalmo-, Rheumato- und Neurolog:innen, Internist:innen und Kolleg:innen aus der Psychosomatik unabdingbar.

Saisonale allergische Konjunktivitis

Die saisonale allergische Konjunktivitis tritt periodisch während der Allergiesaison (Frühjahr, Sommer)auf. Typische Auslöser sind Gräser-, Baum- und Getreidepollen sowie Schimmelsporen. Die Prävalenz ist hoch und nimmt zu, etwa 5 – 10 % der Bevölkerung sind betroffen. Zu den bekannten Risikofaktoren zählen Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis, Rhinitis, Asthma und Nahrungsmittelallergien.

Zu ihren typischen Symptomen gehören Juckreiz, gerötete und geschwollene Augen und vermehrter Tränenfluss. Die Beschwerden sind etwa 15 bis 20 Minuten nach Allergenexposition am stärksten und dauern rund 30 Minuten (Abb. 4). Danach kann es zu persistierendem Juckreiz, Bindehautrötungen, vermehrtem Tränenfluss sowie Fremdkörpergefühl, Lichtempfindlichkeit und Lidschwellungen kommen. Die saisonale allergische Konjunktivitis zeigt in der Regel keine Veränderungen an der Hornhaut und verläuft meist harmlos. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind chronische allergische (Kerato-)Konjunktivitiden wie die atopische Kerato- und die Riesenpapillenkonjunktivitis sowie die Konjunktivitis vernalis. Eine Hornhautbeteiligung ist möglich, und sie sind potenziell visusbedrohend. Bei unklarem Befund sollte eine ophthalmologische Vorstellung erfolgen. Weitere häufige Differenzialdiagnosen mit teils ähnlicher Symptomatik sind infektiöse Konjunktivitiden (viral, bakteriell) und das trockene Auge ("Reizsekretion").

Diagnose und Therapie

Eine genaue Anamnese bezüglich möglicher Aller-
genexposition und weiterer allergischer Erkrankungen ist wesentlich. Für den Nachweis der Sensibilisierung sind Pricktests oder der Nachweis spezifischer IgE im Serum möglich. Vor allem bei multiplen Allergenen oder rein okulären Beschwerden treten häufig negative oder unklare Ergebnisse auf. Weitere diagnostische Methoden beinhalten konjunktivale Provokationstests oder Tränenfilmanalysen. Ziel der Behandlung ist es, akute Beschwerden zu lindern und die Entzündungsreaktion zu reduzieren sowie präventive Maßnahmen zu ergreifen.

Bei der saisonalen allergischen Konjunktivitis wesentlich ist die Allergenkarenz beziehungsweise -reduktion, da eine totale Allergenkarenz meist kaum möglich ist. Konservierungsmittelfreie Tränenersatzmittel haben sich hier bewährt, da durch die Augentropfen bereits ein gewisser "Spüleffekt" eintritt. Wichtige topisch verabreichte Medikamentenklassen, die häufig mit guten Ergebnissen eingesetzt werden, sind Antihistaminika, Mastzellstabilisatoren (verzögerter Wirkungseintritt), Mastzellstabilisatoren mit antihistaminerger Wirkung sowie in sehr schweren Fällen Kortikosteroide, die man allerdings aufgrund des Nebenwirkungsprofils nur kurzfristig in der Akutphase einsetzen sollte. Vasokonstriktoren (rezeptfrei erhältlich) sind nicht zu empfehlen, da sie nur die Gefäßerweiterung, aber meist nicht die Beschwerden reduzieren und weiter keine kausale Therapie darstellen.

Hornhauttransplantationen

Die Transplantation der Hornhaut (Keratoplastik) ist die häufigste Gewebetransplantation. Diese erfolgt in der Regel ohne "HLA-Matching", da es hier nur selten zu Abstoßungsreaktionen kommt. Die perforierende Keratoplastik, bei der alle fünf Hornhautschichten (Epithel, Bowmanschicht, Stroma, Descemetmembran, Endothel) verpflanzt und beim Empfänger mittels Nähten fixiert werden, war lange das Standardverfahren. Mittlerweile gibt es deutlich schonendere Methoden, bei denen der selektive minimalinvasive Austausch der jeweils erkrankten Hornhautschicht(en) möglich ist (anteriore bzw. posteriore Keratoplastik). Für anteriore Erkrankungen des Hornhautstromas (z. B. Keratokonus) ist inzwischen die "Deep anterior lamellar keratoplasty (DALK)" möglich, bei der nur die vorderen Schichten transplantiert und die inneren Hornhautschichten (Descemetmembran und Endothel) des Empfängers erhalten werden können. Dies ist von hoher klinischer Relevanz, da immunologisch vermittelte Abstoßungsreaktionen, die gegen das Spender-Endothel gerichtet sind, der häufigste Grund für das Versagen und die Funktionslosigkeit des Transplantats sind [3]. Bei der DALK ist eine Abstoßungsreaktion gegenüber dem Endothel ausgeschlossen.

Für Erkrankungen der Hornhautinnenschicht, wie die Fuchs‘sche Endotheldystrophie oder die bullöse Keratopathie, die typischerweise nach einer Kataraktoperation auftreten kann, hat sich die
sog. "Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty (DMEK)" als Standardverfahren etabliert
(Abb. 5). Dieses Verfahren zeigt im Vergleich zur perforierenden Keratoplastik deutlich weniger intra- und postoperative Komplikationen, eine wesentlich schnellere und bessere Erholung der Sehschärfe sowie weniger Abstoßungsreaktionen [1, 2].
Allerdings sind nach DMEK deutlich häufiger Zweiteingriffe nötig als nach perforierender Keratoplastik, die aber relativ komplikationslos sind. Bei gleichzeitiger Linsentrübung (Katarakt) lässt sich eine Kataraktoperation z. B. mit einer DMEK kombinieren (sog. Triple-Prozedur) [6].

Unser Zentrum führt von über 800 Transplantationen pro Jahr inzwischen über 80 % als lamelläre Keratoplastiken durch. Auch deutschlandweit hat deren Zahl die der perforierenden Keratoplastiken längst überholt. Die Kölner Uniaugenklinik nimmt mehr als 10 % aller Hornhauttransplantationen in Deutschland vor (vgl. www.dmek.de).

Schnittstelle Hausärzt:in und Spezialist:in

Das trockene Auge und die saisonale allergische Konjunktivitis sind in der Praxis sehr häufig. Neben präventiven Maßnahmen sollten konservierungsmittelfreie Tränenersatzmittel zu jeder Therapie gehören. Reicht das nicht aus, sind für die Augenärzt:in eine Reihe gut verträglicher und wirksamer Substanzklassen vom moderaten bis zum schweren Fall verfügbar. Eine Vorstellung bei der Spezialist:in sollte immer bei untypischen Symptomen (z. B. Einseitigkeit, Schmerzen, Visusminderung) erfolgen oder wenn die Beschwerden persistieren. Ein rotes Auge mit Sehminderung, (Kopf-)Schmerz, Augendruckerhöhung oder Verletzungszeichen ist immer ein Notfall, der sofort zum Augenarzt muss (vgl. Kasuistik). Die Behandlung von Hornhauttransplantationen gehört natürlich ebenfalls in die Hände der Spezialist:in.


Literatur:
1. Cursiefen C, Kruse FE (2010) DMEK: Descemet membrane endothelial keratoplasty. Ophthalmologe107(4):370-6.
2. Hos D, Tuac O, Schaub F, et al. (2017) Incidence and Clinical Course of Immune Reactions after Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty: Retrospective Analysis of 1000 Consecutive Eyes. Ophthalmology 124(4):512-518
3. Hos D, Matthaei M, Bock F, et al. (2019) Immune reactions after modern lamellar (DALK, DSAEK, DMEK) versus conventional penetrating corneal transplantation. Prog Retin Eye Res 73:100768.
4. Hung Le VN, Bachmann B, Avgitidou G, Cursiefen C (2019) Treatment of corneal edema secondary to chemical burn by Descemet membrane Endothelial keratoplasty (DMEK). Can J Ophthalmol 54(1):e43-e47.
5. Jacobi C, Messmer EM (2018) Diagnosis of dry eye disease. Ophthalmologe 115(5):433-450
6. Laaser K, Bachmann BO, Horn FK, Cursiefen C, Kruse FE (2012) Descemet membrane endothelial keratoplasty combined with phacoemulsification and intraocular lens implantation: advanced triple procedure. Am J Ophthalmol 154(1):47-55.e2
7. Leonardi A, Van Setten G, Amrane M, et al. (2016) Efficacy and safety of 0.1 % cyclosporine A cationic emulsion in the treatment of severe dry eye disease: a multicenter randomized trial. Eur J Ophthalmol 26:287–296
8. Straub M, Bron AM, Muselier-Mathieu A, Creuzot-Garcher C (2016) Long-term outcome after topical ciclosporin in severe dry eye disease with a 10-year follow-up. Br J Ophthalmol 100:1547–1550



Autoren

© Christian Wittke
PD Dr. med. Dr. nat. med. Deniz Hos

Prof. Dr. med. Claus Cursiefen
Zentrum für Augenheilkunde, Uniklinik Köln
50924 Köln

Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert



Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (4) Seite 36-39