Etwa 40 % der Patienten, bei denen ein Bronchialkarzinom diagnostiziert wird, sind aktive Raucher. Knapp die Hälfte von ihnen hört dann mit dem Qualmen auf. Die anderen rauchen leider weiter. Hier ist ärztliche Hilfe gefragt: Schaffen die Patienten den Rauchstopp nicht, verschlechtert sich ihre Überlebensprognose und sie leiden häufiger unter den typischen, tumorbedingten Beschwerden wie Husten und Luftnot. Gerade Lungenkrebspatienten sollte der Arzt deshalb über die Chancen der Raucherentwöhnung aufklären.

Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 44.000 Menschen an den Folgen von Lungenkrebs [4]. Das Lungenkarzinom ist bei Männern hier die führende und bei Frauen die zweithäufigste Krebstodesursache. Die Erkrankung wird in circa 90 % der Fälle durch Tabakrauch ausgelöst [2]. Die Mortalität bei Lungenkrebs ist weiterhin hoch. Liegt noch keine Metastasierung bei Diagnosestellung, also im Stadium
"Limited Disease" vor, beträgt die mittlere Überlebenszeit unter Therapie
18 – 20 Monate [7].

Im fortgeschrittenen Stadium reduziert sich diese Überlebenszeit auf sechs bis neun Monate. Die Gesamtsterblichkeit ist bei fortgesetztem Tabakkonsum um den Faktor 3 erhöht [9]. Es besteht zudem ein deutlich höheres Risiko für ein Rezidiv und/oder ein Zweitkarzinom. Lungenkrebspatienten profitieren also in jedem Stadium von einem Rauchstopp durch eine nachweislich bessere Lebensqualität [3].
Gerade tumorbedingte Symptome wie Husten oder Luftnot sind bei Ex-Rauchern deutlich geringer ausgeprägt. Außerdem kommt es bei Nichtrauchern seltener zu chirurgischen Komplikationen und auch die Radiochemotherapie spricht besser an [5]. Aufgrund der deutlichen Vorteile für Patienten mit einem erfolgreichen Rauchstopp sollte der Arzt jedem Lungenkrebspatienten eine Raucherentwöhnung anbieten.

Der richtige Moment

Unmittelbar nach der Diagnosestellung ist ein guter Moment für den Arzt, eine erfolgreiche Raucherentwöhnung beim Patienten anzusprechen, da sich die Bereitschaft zum Rauchstopp durch die Diagnosestellung einer tabakassoziierten Erkrankung nachweislich erhöht [11]. Diese Phase direkt nach der
Diagnose nennt man den "Teachable Moment". Nachdem der Patient gerade von seiner lebensbedrohlichen Erkrankung erfahren hat, will man ihn aber vielleicht eher nicht auf seinen Tabakkonsum ansprechen. Man gibt ihm damit möglicherweise das Gefühl, Schuld an der Erkrankung zu sein, oder überfordert ihn. Studien zeigen jedoch, dass sich fast alle Patienten in dieser Phase mit dem Rauchstopp beschäftigen und etwa die Hälfte schon damit begonnen hat [10].
Sie sind somit sicher dankbar, hier Unterstützung zu erhalten. Als Arzt sollte man dem Patienten vor allem die Vorteile eines Rauchstopps vor Augen führen und weniger über die Nachteile wie Entzugserscheinungen sprechen. Im Rahmen der gemeinsamen Entscheidungsfindung kann der Patient dann selbst entscheiden, ob er einen Rauchstoppversuch angeht und dafür medizinische Hilfe benötigt.

Möglichkeiten der Raucherentwöhnung

Etwa die Hälfte der Patienten mit Lungenkrebs hört ohne größere Hilfestellung spontan mit dem Rauchen auf. Die andere Hälfte schafft diesen Rauchstopp trotz vorhandener Motivation jedoch nicht. Mit Hilfe einer Raucherentwöhnung steigt aber die Chance, nach sechs Monaten rauchfrei zu sein, von 14 auf 22 % an [11]. Bei der Raucherentwöhnung sollte stets die körperliche und die psychische Nikotin-Abhängigkeit behandelt werden. Die körperliche Abhängigkeit kann man mit Medikamenten angehen (siehe unten). Die psychische Abhängigkeit wird heute mit verhaltenstherapeutischen Elementen therapiert. Dazu gehören eine Selbstanalyse des Rauchverhaltens vor dem Rauchstopp, das Lernen von Alternativen zum Rauchen und das Erarbeiten von Notfallplänen bei Rückfällen. Die Raucherentwöhnung kann als Einzel- oder als Gruppentherapie erfolgen.

Je nach seiner Erfahrung kann der Hausarzt diese selbst anbieten, aber auch auf zertifizierte Raucherentwöhnungskurse verweisen. Die Kosten werden dabei anteilig von den Kassen übernommen. Bei diesen Kursen ist ein Trend zu weniger Kurstagen erkennbar. Vereinzelt gibt es schon Tageskurse. Die geringere Anzahl an Kurstagen wird häufig durch eine telefonische Beratung ausgeglichen. Zudem kann der Patient mit Selbsthilfemanualen oder Online-Kursen selbstständig die einzelnen Elemente der Raucherentwöhnung zu Hause erarbeiten. Informationen zu den Angeboten vor Ort kann der Patient bei seiner Krankenkasse erfragen. Will der Hausarzt selbst eine zertifizierte Raucherentwöhnung anbieten, kann er die Qualifikation durch die Fortbildung "Tabakentwöhnung" bei seiner Ärztekammer erwerben.

Medikamentöse Raucherentwöhnung

Für die Raucherentwöhnung wird in erster Linie die Nikotinersatztherapie (NET) empfohlen (Tabelle 1). Diese besteht u. a. aus der Verordnung eines Nikotinpflasters. Bei einem durchschnittlichen Nikotinkonsum ≥ 20 Zigaretten sollte mit der größten Nikotinstärke begonnen werden. Neben der Wirkstärke unterscheiden sich die Pflaster in der Wirklänge. Das 24-h-Pflaster ist vor allem für Patienten vorteilhaft, die schon frühmorgens die erste Zigarette rauchen. Für sie dauert das Anfluten eines 16-h-Pflasters zu lange. Zusätzlich zum Pflaster gibt es auch eine NET in Form von Kaugummis, Lutschtabletten oder Mundspray. Treten beim Pflaster Schmachtphasen auf, kann der Patient die Produkte wie Pflaster und Kaugummi auch miteinander kombinieren. Innerhalb von zwei Monaten wird bei der NET die Nikotindosis langsam reduziert. Wenn der Patient diese Therapie ablehnt oder unter NET den Tabakkonsum fortsetzt, sind Raucherentwöhnungsmedikamente indiziert. Dabei hat sich Vareniclin bewährt (Tabelle 2). Für diesen Wirkstoff bestand zunächst die Befürchtung, dass er beim Patienten vermehrt zu Depression und Suizidalität führen kann. Randomisierte, kontrollierte Studien haben dies aber nicht bestätigt, so dass Vareniclin selbst bei psychiatrischen Komorbiditäten unter regelmäßigen klinischen Kontrollen eingesetzt werden kann [1].
Die Therapie dauert einen Monat länger als die NET und wird in der Regel gut vertragen.

Schadensminimierung

Wollen Patienten mit Lungenkarzinom keinen Rauchstopp, ist die E-Zigarette eine gute Alternative, um die gesundheitlichen Folgen des Rauchens zu minimieren. E-Zigaretten können aerosolisiertes Nikotin zur Einatmung freigeben. Bei der Inhalation des Aerosols kommt es im Vergleich zur konventionellen Zigarette zu einer langsameren Anflutung des Nikotins. Die Wirkung ist vergleichbar mit Nikotinersatzprodukten. Dabei hat der Dampf der E-Zigarette eine deutlich geringere Toxizität als Tabakrauch [8]. Die E-Zigarette könnte somit zu einer gesundheitlichen Besserung des Patienten führen, wenn er dadurch seinen Tabakkonsum reduziert oder sogar einstellt. Bisher gibt es dazu jedoch kaum hochwertige Studien. Die Literatur beschreibt auch noch nicht, ob die E-Zigarette Symptome wie die Luftnot verbessert. Zudem können mögliche negative Langzeitwirkungen noch nicht abgeschätzt werden, weshalb Fachleute die E-Zigarette noch nicht zur Raucherentwöhnung empfehlen [6]. Bei fortgesetztem Nikotinkonsum sollte der Arzt den Lungenkrebspatienten jedoch über die kurzfristig bessere Alternative der E-Zigarette und die damit verbundene mögliche "Harm Reduction" informieren. Der Weg über die E-Zigarette kann beim Patienten eventuell zu einem dauerhaften Rauchstopp führen.

Fazit für die Praxis
Lungenkrebs ist eine schwere Krankheit mit einer schlechten Prognose. Der Rauchstopp ist für den Patienten eine Option, um seine Krankheitssituation unmittelbar zu verbessern. Mit Hilfe einer Raucherentwöhnung hat der Patient gute Chancen, eine stabile Rauchfreiheit zu erreichen. Wenn der Patient nicht zum Rauchstopp bereit ist, kann die E-Zigarette helfen, den Tabakkonsum zumindest zu reduzieren.


Literatur
1. Anthenelli RM, Benowitz NL, West R et al (2016) Neuropsychiatric safety and efficacy of varenicline, bupropion, and nicotine patch in smokers with and without psychiatric disorders (EAGLES): a double-blind, randomised, placebo-controlled clinical trial. Lancet 387: 2507-2520
2. Alberg AJ, Ford JG, Samet JM (2007) Epidemiology of lung cancer: ACCP evidence based clinical practice guidelines (2nd edition). Chest 132: 29s-55s
3. Balduyck B, Sardari Nia P et al (2011) The effect of smoking cessation on quality of life after lung cancer surgery. Eur J Cardiothorac Surg 40: 1432-1437
4. Barnes BK (2016) Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016. Robert Koch Institut. Im Internet: www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebsgeschehen/Krebsgeschehen_download.pdf?__blob=publicationFile:; Stand: 17.12.2017
5. Cox LS, Africano NL, Tercyak KP et al (2003) Nicotine dependence treatment for patients with cancer. Cancer 98: 632-644
6. Dautzenberg B, Garelik D (2017) Patients with lung cancer: Are electronic cigarettes harmful or useful? Lung Cancer 105:42-48
7. Goeckenjan G (2010) Lungenkrebs–Geschichtliche Entwicklung, derzeitiger Stand und Ausblick. Pneumologie 64: 555-559
8. Nowak D, Jörres RA, Rüther T (2014) Die E-Zigarette–präventivmedizinische, pneumologische und suchtmedizinische Aspekte. Dtsch Arztebl Int, 111: 349-355
9. Parsons A, Daley A, Begh R et al (2010) Influence of smoking cessation after diagnosis of early stage lung cancer on prognosis: systematic review of observational studies with meta-analysis. BMJ 340: b5569
10. Sanderson Cox L, Patten CA, Ebbert JO et al (2002) Tobacco use outcomes among patients with lung cancer treated for nicotine dependence. J Clin Oncol 20: 3461-3469
11. Twardella D, Loew M, Rothenbacher D et al (2006). The diagnosis of a smoking-related disease is a prominent trigger for smoking cessation in a retrospective cohort study. J Clin Epidemiol 59: 82-89


Autor:

Priv.-Doz. Dr. med. Markus Bleckwenn

Institut für Hausarztmedizin der medizinischen Fakultät der
Universität Bonn
53127 Bonn

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (12) Seite 44-46