Der Schlaf-Wach-Rhythmus ist bei jedem anders. Weil sie morgens schlecht aus dem Bett kommen, können besonders die Abendtypen (auch als Eulen bezeichnet) aufgrund der erzwungenen frühen Aufstehzeit physische und psychische Symptome entwickeln. Jugendliche verwandeln sich oft schnell von Lerchen in Eulen. Dieser physiologische Prozess muss von klinisch relevanten Schlafstörungen abgegrenzt werden.
Ursache der unterschiedlichen Ausprägung von Schlaf-Wach-Rhythmen ist die Genetik. Man konnte verschiedene Gene identifizieren, die mit einer späteren Schlafphase assoziiert sind (z. B. ClOCK, PER, BMAL) [1]. Die innere Uhr dieser Menschen tickt damit genetisch später als die des Durchschnittsmenschen oder Morgentypen. Biologisch definieren lässt sich dies durch die Melatoninausschüttung. Messen kann man sowohl ihren Beginn (Onset) als auch ihren Gipfel (Peak).
Der Anfang, der sogenannte Dim Light Melatonin Onset (DLMO), findet bereits am frühen Abend statt und muss unter abgedunkelten Bedingungen gemessen werden. Die Akrophase oder der Peak ist bei Lerchen um circa 24:00 Uhr, bei Durchschnitts-
typen um 2:00 Uhr und bei Eulen um etwa 4:00 Uhr erreicht [6]. Da der DLMO und der Peak bei Eulen also deutlich später erfolgt, können sie zu verhältnismäßig frühen Uhrzeiten (22:00 Uhr, zum Teil auch um 24:00 Uhr) noch nicht einschlafen. In Bezug auf die Körpertemperatur finden sich Unterschiede des Tiefpunkts (Nadir) während der Nacht: Bei Morgentypen war dieser im Schnitt um 03:50 Uhr, bei Weder-noch-Typen um 05:02 Uhr und bei Abendtypen um 06:01 Uhr erreicht [3].
Die Unterschiede zwischen den Chronotypen sind somit bei der Körpertemperatur geringer als bei der Melatoninausschüttung. Einige Studien zeigen mittlerweile, dass zur Diagnostik Fragebögen herangezogen werden können. Die im Selbstreport angegebenen Werte korrelieren nachweislich gut mit physiologischen Messungen [5] und vereinfachen damit die Diagnose.
Veränderungen in der Pubertät
Während junge Kinder oft noch ausgeprägte Frühtypen sind (mit wiederum negativen Konsequenzen auf das Schlafverhalten der Eltern), entwickeln sich Jugendliche während der Pubertät relativ schnell zu Eulen (Abb. 1). Dies ist ein normaler Vorgang, der jedoch durch den frühen Unterrichtsbeginn problematisch werden kann. Wichtig ist daher, die "normale" Verschiebung der Schlafphase von klinisch relevanten Diagnosen zu trennen. Auffällig in Abb. 1
ist beispielsweise das verspätete Aufstehen an Wochentagen ab einem Alter von 18 – 20 Jahren. So nutzen etwa Studierende gern die Chance, um auszuschlafen. Dies wiederum ist als ein Beleg dafür zu werten, dass Schul- und Unibetrieb zu früh beginnen.
Für den Hausarzt entscheidend ist die Orientierung an etwaigen Normwerten für Kinder und Jugendliche, die in Abb. 1 als nach oben und unten tendierende Standardabweichungen zu sehen sind. Dies kann bei dem Abgleich helfen, inwieweit Jugendliche noch innerhalb der Norm liegen. Möglicherweise haben auch Eltern oft andere Vorstellungen bezüglich des Schlafs und der Schlafdauer als Adoleszente. Nur wer deutlich außerhalb dieser Werte liegt, ist ein möglicher Patient und Kandidat für das DSPS oder DSWPD. Generell sollte daher bei Beschwerden zuerst der Chronotyp mithilfe eines Fragebogens, z.B. des MEQ oder der CSM, bestimmt werden. Diese bieten mit 19 beziehungsweise 13 Fragen eine gute Orientierung zur Bestimmung eines möglicherweise kritischen Schlafmusters. Fällt der Patient nicht in die Bereiche des DSPS, kann die Abendorientierung dennoch mittlere Befindlichkeitsstörungen verursachen. Hier empfiehlt sich ein Schlaftagebuch. Darin sollte der Arzt Einschlafzeiten und Regelmäßigkeit des Schlafrhythmus kontrollieren. Achtung: Es gibt auch Non-24-Störungen! Bei einer nachgewiesenen Schlafstörung kann die Gabe von Melatonin angebracht sein. Wichtig ist hier abzuklären, inwieweit bereits eine pharmakologische Behandlung wegen neuropsychiatrischen Erkrankungen besteht, die den Schlaf-Wach-Rhythmus wiederum beeinflussen können.
Delayed-Sleep-Phase-Syndrome
Das DSPS ist durch eine Gruppe von Merkmalen gekennzeichnet, wie die chronische Unfähigkeit, zu einer bestimmten Uhrzeit einzuschlafen und aufzuwachen, oder eine mit anderen Menschen verglichene, dauerhaft spätere Schlafenszeit (Zu-Bett-Gehen und Aufwachen). Der Schlaf ist anderweitig völlig ungestört. Die Polysomnographie zeigt in der Regel keine Auffälligkeiten, wenn der verzögerte Zeitplan erlaubt wird [4]. Genetische Ursache ist der Polymorphismus von PER3, dieser korreliert signifikant mit extremer Tagespräferenz, wobei das längere Allel (eine Genvariante) mit dem Morgentyp, das kürzere Allel mit dem Abendtyp assoziiert wird [2].
Mit Schlaftagebüchern und/oder Aktigraphie kann man einschätzen, ob Patienten an einem DSPS leiden. Hier ist eine regelmäßige Einschlafzeit zwischen 1:00 und 6:00 Uhr ein wichtiger Indikator. Wilson et al. [7] beschreiben die DSWPD als Einschlafzeit zwischen 2:00 und 3:00 Uhr und als Aufwachen nach 10:00 Uhr. Sowohl Aktigraphie als auch Schlaftagebuch sollte man über 14 Tage führen. Beim Schlaftagebuch ist ein Zeitraum von einem Monat besser geeignet, vor allem, wenn man auch Schulferien mitberücksichtigen kann. Danach kann man das DLMO bestimmen, um die Phasenverschiebung zu überprüfen. Als Behandlungsmöglichkeiten gelten etwa Melatonin oder eine Lichttherapie, die gegen Ende der biologischen Nacht (also nach dem Aufstehen) eingesetzt wird, um eine Phasenverschiebung hin zu einem früheren Zeitpunkt zu erreichen. Bei bestimmten klinischen und subklinischen Auffälligkeiten (Tabelle 1) kann auch die Kontrolle des Schlaf-Wach-Verhaltens nötig sein. Viele Auffälligkeiten, besonders während der Pubertät, sind mit spätem Chronotyp verbunden.
Was tun bei Jugendlichen?
Bei Jugendlichen sind oft nur kleinere Maßnahmen möglich. So kann man die Vorverlegung des Schlafzeitpunkts erproben – in manchen Fällen führte dies tatsächlich zu einem früheren Chronotyp. Vielfach ist dieses Eingreifen aber wirkungslos. Auch kann man versuchen, den sozialen Jetlag durch eine frühere Schlafenszeit am Wochenende – und damit die Diskrepanz zwischen Wochentagen und Wochenendtagen – zu verringern. Keinesfalls sollten Jugendliche gezwungen werden, am Wochenende zur selben Zeit aufzustehen wie wochentags. Dies würde ihr Schlafdefizit von fünf auf sieben Tage erhöhen. Ebenso sollte man blaues Licht am Abend vermeiden, etwa durch Filter für Smartphone und Computer. Technische Hilfsmittel für Eulen könnten auch Lichtwecker sein, die zum Teil das Befinden am Morgen verbessern. Bei ausgeprägten Morgentypen (Lerchen) hingegen können solche Wecker kon-
traproduktiv wirken. Ihr Einsatz muss daher mit dem Chronotyp abgestimmt werden.
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (12) Seite 14-16