Für die Schwangerschaftsüberwachung selber ist in der Regel der Gynäkologe zuständig, aber der Hausarzt muss auch in der Lage sein, Alarmzeichen für Schwangerschaftskomplikationen zu erkennen. Wir beleuchten das hausärztliche Management für häufige Beratungsanlässe, wenn während einer Schwangerschaft Gesundheitsprobleme außerhalb des gynäkologischen Versorgungsbereiches auftreten.

Insgesamt haben wir für den Bereich von Begleiterkrankungen in dieser Phase eine schlechte Evidenzlage: Überwiegend existieren nur Beobachtungsstudien. Folgendes gilt es grundsätzlich zu beachten:
  • Die Schwangerschaft ist eine Risikosituation durch veränderte Immunantwort, veränderte Zirkulation, auch Auswirkungen auf den Embryo/Fötus sind mit zu bedenken.
  • Da insgesamt ein erhöhtes Risiko für Phlebothrombosen sowie Präeklampsie besteht [1], sollte bei jeder Konsultation auf die Beine (Ödeme, Umfangsdifferenz) und den Blutdruck geachtet werden.
  • Primum nil nocere: Eher konservatives und vorsichtiges Vorgehen ist angezeigt.
  • Eine sehr hilfreiche Website bei Fragen zur Medikation ist: http://www.embryotox.de/

Nützlich ist auch eine Positivliste von Medikamenten, bei denen es genügend Evidenz für ihre Unbedenklichkeit gibt:

Zur Schmerztherapie eignet sich Paracetamol. NSAR sollten wegen Gefahr des vorzeitigen Ductus Botalli-Verschlusses im 3. Trimenon nicht mehr gegeben werden. Substitution von Vitaminen und Mineralien bei Mangel (z. B. Eisen, Jod 200 µg/d) sind indiziert, B-Vitamine sind unbedenklich. Bei indizierter Antibiotikatherapie sollen Penicilline, ältere Cephalosporine und Makrolide bevorzugt werden. Zur Hypertonie-Behandlung sind Magnesium, Dihydralazin, Methyldopa, ggf. Betablocker oder Kalziumantagonisten geeignet, dagegen sind ACE-Hemmer/AT1-Blocker kontraindiziert. Heparin und Insulin sind bei entsprechender Indikation unbedenklich, da sie nicht die Plazenta passieren. Zur Positivliste gehören auch Asthma-Sprays (Betamimetika, Budesonid) sowie kleinflächige lokale Anwendung von Kortikoiden inkl. nasale Applikation. Bei Übelkeit/Erbrechen sind evidenzbasiert und einsetzbar: Ingwer, B6, Dimenhydrinat (Letzteres außer im 3. Trimenon), MCP. Bei der Gabe von Thyroxin muss im Verlauf der Schwangerschaft oft die Dosis angepasst werden.

Häufige Beratungsanlässe

Bei Atemwegsinfekten ohne Hinweis für Komplikation/bakteriellen Infekt hilft ausschlafen, ggf. Nasenspülung mit 0,9 % NaCl (1 gestrichener Teelöffel Backpulver auf 1 l kann als Puffer hinzugefügt werden), Zucker/Honig zur Hustenlinderung. Schleim lösen lässt sich mit reichlich Flüssigkeit. Weitere Optionen sind: Spülung mit Salbeitee bei Halsschmerz, Thymian bei starkem Hustenreiz. Cave: Überwärmung/Fieber ab 39 °C kann Wehen auslösen oder embryotoxisch sein. Wegen erhöhter Komplikationsneigung ist die Schwelle für Antibiotikagabe bei Hinweisen auf bakterielle Infektionen eher erniedrigt. Laborbefunde sind hier wegen veränderter Normwerte weniger hilfreich, Röntgenuntersuchungen sollen vermieden werden. Die Wiedereinbestellung ermöglicht eine engmaschige Überwachung.

Bei hinweisenden Beschwerden auf einen Harnwegsinfekt sollte man nach Ausfluss, vorangegangenen Infekten, suprapubischem oder Flanken-Schmerz fragen sowie nach Fieber, allgemeinem Krankheitsgefühl, reduzierten Kindsbewegungen, Übelkeit/Emesis, schlechtem Allgemeinzustand und Begleiterkrankungen, die die Immunantwort beeinträchtigen [2]. Eine Urin-Kultur (inkl. Kontrolle nach Therapie) sollte immer angelegt werden. Sorgfältig untersuchen sollte man außerdem Puls und Temperatur, Atmung und Bauch. Die Herzfrequenz des Kindes soll 100–160/min betragen. Bei Alarmzeichen ist eine stationäre Einweisung indiziert. Bei typischem Befund erfolgt eine Antibiose am besten für sieben Tage: Cefalexin und Amoxicillin sind immer möglich, Fosfomycin auch, Trimethoprim außer im 1. Trimenon, Nitrofurantoin nur vor der 36. Woche oder Stillzeit (Hämolyse!). Ein Behandlungsbedarf bei asymptomatischer Bakteriurie ist unklar.

Für Impfungen gilt
Die Grippeimpfung ist im 2./3. Trimenon (Hochrisiko auch früher) indiziert und zu empfehlen. Lebendimpfungen sollen nicht durchgeführt werden, sie sind aber keine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch. Impfung mit Tdap vor dem Geburtstermin ist günstig wegen Pertussis-Schutz für das Neugeborene.

Rückenschmerzen in der Schwangerschaft sind sehr häufig. Sind sie dumpf und ziehend im Lumbalbereich, muss man auch an Wehen oder Schwangerschaftskomplikation denken. Die Vorgehensweise orientiert sich an der NVL zum Kreuzschmerz [3] und der DEGAM-Leitlinie zum Nackenschmerz [4]. Insbesondere soll auf neurologische Ausfälle geachtet werden. Bei Paresen/Kaudasyndrom oder anderen Alarmzeichen (Fraktur? Infektion?) ist die Patientin sofort weiterzuleiten. Bildgebung ist nur dann indiziert, wenn daraus therapeutische Konsequenzen abgeleitet werden sollen (klinisch Op.-Indikation?). Ein MRT sollte ohne Kontrastmittel durchgeführt werden. Bei unspezifischem Kreuz- oder Nackenschmerz sind empfehlenswert: lokale Wärme, dehnen, bewegen. Die Schwelle für eine Physiotherapie-Verordnung ist niedrig. Hilfreich sind die Beratung über Lagerung (Seitenlage mit Unterstützung, Vierfüßler-Übungen), Walking-Stöcke, Fahrradfahren. Chirotherapie ist möglich, aber zurückhaltend anzuwenden wegen der Gewebe-Lockerung in dieser Phase. Spritzen sollten nicht eingesetzt werden. Bei radikulären Schmerzen ist konsequente Physiotherapie indiziert, bis zu zwei Wochen Schonung sind hier möglich.

Was tun bei Bauchschmerzen?

Bei neu auftretenden Bauchschmerzen in der Schwangerschaft ist eine enge Kooperation mit dem betreuenden Gynäkologen hilfreich. Appendizitis-Zeichen sind oft weniger ausgeprägt/typisch. Bei akutem starken Schmerz gilt daher: vorsichtshalber Weiterleitung in die Klinik. Bei kolikartigen Schmerzen sollen Sonographie und Labor durchgeführt werden (Leber, Niere, Blutbild, CRP). NSAR sind gut wirksam (Supp, außer im 3. Trimenon), alternativ oder ergänzend kann Butylscopolamin gegeben werden. Eine Obstipation wird mit Ballaststoffen und ausreichender Flüssigkeitsaufnahme, ggf. auch mit Macrogol behandelt, bei Analfissur mit Spasmus (Proktologe einschalten) ist der Einsatz von Lidocain-Creme hilfreich. Die Emesis gravidarum ist prognostisch günstig, ggf. sind Infusionen nötig bei Dehydrierung (Ringer oder NaCl). Reflux-Beschwerden können mit Antacida (z. B. Hydrotalcit) behandelt werden. Bei Gastroenteritis ist zunächst löffelweise Flüssigkeitsgabe (Rehydratationslösung) indiziert. Auch hier muss eventuell eine großzügige Indikation zur Infusionstherapie gestellt werden. Wichtig ist eine gute Handhygiene in der gesamten Familie.

Erhöhtes Thromboserisiko

Beinbeschwerden sind zunächst immer als thromboseverdächtig einzustufen. Das Risiko ist in der Schwangerschaft 4-fach erhöht (1,1/1.000 Geburten), besonders im 3. Trimenon und bis 6 Wochen postpartal. D-Dimer und Wells-Score sind in dieser Phase nicht zuverlässig und es gibt eine erhöhte Komplikationsgefahr (Embolie, postthrombotisches Syndrom). Ist eine Thrombose als Beschwerdeursache nicht sehr unwahrscheinlich, sollte man sofort niedermolekulares Heparin (NMH) geben, einen Kompressionsverband anlegen und Gefäßdoppler veranlassen. Letzterer muss ggf. nach 3 Tagen wiederholt oder ein MRT angeschlossen werden (Ausschluss iliacaler Verschluss bei zusätzlichem Becken-/Rückenschmerz). Bei bestätigter Phlebothrombose ist NMH bis mindestens 6 Wochen postpartal zu geben und eine Kompressionsstrumpfhose zu tragen. In der Stillzeit sind auch Cumarine möglich. Bei Ausschluss einer Phlebothrombose, aber schweren ggf. gestauten Beinen kann man eine Kompressionsstrumpfhose oder mindestens Unterschenkelstrümpfe Kl. 2 verordnen (und sollte Gravidität als Indikation dazuschreiben). Bei Beinkrämpfen hilft es, die Beine öfter hochzulegen, auch eine Bürstenmassage herzwärts ist nützlich sowie das Abduschen mit Leitungswasser, vor allem abends zur Entstauung. Hilfreich bei Beinbeschwerden sind außerdem bequeme Schuhe, ggf. Einlagen, Pendelübungen für die Kniegelenke und Fahrradfahren.

Tipps bei Hauterkrankungen

Bei Lippenherpes kann man Honig auftragen. Cave: Bei Herpes kurz vor dem Geburtstermin kann man evtl. systemisch Aciclovir geben. Ein Verdacht auf Ringelröteln muss serologisch abgeklärt und parallel dem Gynäkologen vorgestellt werden (Hydrops fetalis). Mykosen sollten lokal mit Clotrimazol behandelt werden. Schwarzer Tee wirkt adstringierend, Kamille trocknet eher aus. 20 % der Schwangeren haben Pruritus im 1. und 2. Trimester: Hier sind rehydrierende Hautpflegemittel empfehlenswert. Die polymorphe Eruption in der Schwangerschaft beginnt mit Striae und betrifft v. a. den Bauch, wobei die Nabelregion ausgespart bleibt. Eine Psoriasis verbessert sich in der Schwangerschaft häufig, Neurodermitis, Lupus erythematodes (LE) hingegen verschlechtern sich eher. Am häufigsten sind atopische Eruptionen in der Gravidität. Kortikoide, vorzugsweise extern, sind möglich. Cave: Pemphigoid, Pemphigus (beide bullös) und LE, da sie auch das Kind beeinträchtigen können. Bei disseminierten Beschwerden sollten die Leberwerte kontrolliert werden [5].

Bezüglich Schilddrüsen-Erkrankungen in der Schwangerschaft ist zu beachten: Der Fetus produziert erst ab der 14. SSW selbst L-Thyroxin. Die Plazenta ist für TSH nicht, für SD-Hormone mäßig, für Jodid und Thyreostatika gut permeabel. Beta-HCG wirkt am TSH-Rezeptor, Östrogen interagiert mit Thyroxin: Die Funktionswerte und der Substitutionsbedarf ändern sich daher. Thyreostatika (vorzugsweise Propycil) sollten so niedrig wie möglich dosiert werden. TSH, fT3 müssen alle 4 Wochen kontrolliert werden (Ziel: fT3 im oberen Normbereich). Bei Autoimmunthyreoiditis kann man während der Schwangerschaft 200 µg Jod/Tag geben, TSH sollte man alle 6 Wochen kontrollieren und die Dosis von L-Thyroxin so titrieren, dass TSH im Normbereich bleibt.

Fazit
Betreuungsprinzipien
  • Besondere Sorgfalt ist nötig
  • Immer Blutdruck messen und Unterschenkel ansehen (Gestose, Thrombose?)
  • Keine neuen Medikamente/Verfahren einsetzen
  • Vorsicht auch bei pflanzlichen Präparaten
  • Erhöhte Komplikationsrate bei Infekten beachten
  • Allgemeine Hygieneregeln einhalten
  • Niedrige Schwelle für Krankschreibung
  • Besondere Vorsicht bei Bauchbeschwerden: hier enge Kooperation mit Gynäkologen


Literatur
1. Khan F, Vaillancourt C, Bourjeily: Diagnosis and management of deep vein thrombosis in pregnancy BMJ 2017;357:j2344
2. Johnston CL et al: A likely urinary tract infection in a pregnant woman. BMJ 2017;357:j1777
3. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/nvl-007.html
4. http://www.degam.de/files/Inhalte/Leitlinien-Inhalte/Dokumente/S1-Handlungsempfehlung/053-007_Nackenschmerz/053-007k_DEGAM%20LL%20Nackenschmerz_170110.pdf
5. BMJ 214;348:g34897



Autor:

Prof. Dr. med. Erika Baum

Fachärztin für Allgemeinmedizin
35444 Biebertal

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (2) Seite 41-45