Infektionen des zentralen Nervensystems sind keine seltenen Erkrankungen. An einer bakteriellen Meningitis bei erwachsenen Patienten verstirbt jeder Vierte. Um die Sterblichkeit sowie Häufigkeit und Schwere neurologischer Spätschäden zu vermindern, ist die umgehende Einweisung in ein Krankenhaus erforderlich. Die antibiotische Behandlung soll binnen einer Stunde nach Krankenhausaufnahme begonnen werden. Verzögert sie sich um mehr als drei Stunden, steigt die Sterblichkeit erheblich an.

Impfungen gegen Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis und Streptococcus pneumoniae verringern die Häufigkeit von bakteriellen Meningitiden. So ist die Inzidenz der kindlichen Haemophilus-influenzae-Meningitis in Deutschland seit Einführung der Schutzimpfung stark rückläufig. Dennoch erkranken weltweit geschätzt mindestens 1,2 Millionen Menschen pro Jahr an bakterieller Hirnhautentzündung. Die Häufigkeit und das Erregerspektrum der außerhalb des Krankenhauses erworbenen bakteriellen Meningitis sind altersabhängig (Neugeborene: B-Streptokokken, Escherichia coli und Listerien; Kinder: Meningokokken, Pneumokokken und Haemophilus influenzae Typ b; Erwachsene: Pneumokokken, Meningokokken, Listerien, Mycobacterium tuberculosis).

Außerhalb des Krankenhauses erworbene Meningitiserreger sprechen in Deutschland in den meisten Fällen gut auf Antibiotika an. Die tuberkulöse Meningitis macht in Industrienationen ca. 5 % der bakteriellen Meningitiden des Erwachsenenalters aus. Sie befällt in Deutschland vorwiegend ältere Erwachsene sowie Migranten, in Entwicklungsländern dagegen auch zahlreiche Kinder.

Symptome

Die typische Symptomatik der bakteriellen Meningitis besteht aus Kopfschmerz, Nackensteifigkeit (Meningismus), Fieber und Bewusstseinstrübung. Besonders zu Beginn der Erkrankung sowie bei sehr jungen und bei alten Patienten sind oft nicht alle Symptome vorhanden. Die Trias Fieber, Meningismus und Bewusstseinsminderung liegt bei weniger als 50 % der erkrankten Erwachsenen vor [11]. Säuglinge unter einem Jahr, alte Menschen und tief Komatöse entwickeln häufig keinen Meningismus. Fieber kann bei Personen mit einer begleitenden „kalten“ Sepsis oder bei ausgekühlten Komatösen fehlen. Bei ohne erkennbare Ursache Komatösen und Bewusstseinsgetrübten muss deshalb auch an die eitrige Meningitis als mögliche Komaursache gedacht werden. Bei alten Patienten fehlen nicht selten Fieber und Nackensteifigkeit. Umgekehrt kann eine Nackensteifigkeit durch ein Parkinson-Syndrom oder eine Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule vorgetäuscht werden. Eine Verwirrtheit oder Bewusstseinstrübung steht oft im Vordergrund, und eine definitive Klärung eines Verwirrtheitszustands ist nur durch Liquoruntersuchung und zerebrale Bildgebung möglich [5]. Petechien oder flächige Hauteinblutungen sind charakteristisch, aber nicht beweisend für die Meningokokken-Meningitis und -Sepsis (Abb. 1). Zu Beginn einer Meningokokken-Erkrankung fehlen sie oft.

Die Neurotuberkulose beginnt häufig mit einem zwei bis drei Wochen dauernden unspezifischen Vorstadium, das durch subfebrile Temperaturen, Abgeschlagenheit, Verhaltensänderungen, allgemeines Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen und innere Unruhe gekennzeichnet ist. Bei 10 bis 20 % der Kranken wird zu keinem Zeitpunkt eine erhöhte Temperatur gemessen. In 20 bis 30 % kommt es frühzeitig zu Hirnnervenschädigungen, in bis zu 50 % zu Krampfanfällen. Spinale Ausfälle einschließlich einer Para- oder Tetraparese sind ebenfalls nicht selten Frühsymptome der Tuberkulose des ZNS.

Rasche Diagnose und Therapie ­entscheidend

Der rasche Beginn der Therapie entscheidet maßgeblich über den Erfolg der Behandlung [1, 7]. Bei Meningitis-Verdacht müssen sofort Blutkulturen abgenommen werden. Der Liquor muss, wenn eine Liquorpunktion nicht kontraindiziert ist, umgehend gewonnen, mikroskopisch untersucht und kultiviert werden (Abb. 2). Die antibiotische Behandlung muss bei typischer Klinik unmittelbar nach Entnahme der Blut- und Liquorkultur (bei verzögerter oder unterbleibender Liquorentnahme nach Entnahme der Blutkultur) begonnen werden.

Der Allgemein- oder Notarzt sollte nur bei Verzögerung des Transports ins Krankenhaus Antibiotika schon vor der Einweisung verabreichen. In den 90er Jahren wurden v. a. in Großbritannien Studien publiziert, in denen die Sterblichkeit der Meningokokken-Erkrankung (Sepsis, Meningitis, gemischt septisch-meningitische Verläufe) sank, wenn Hausärzte vor Ort bei klinischem Verdacht Penicillin applizierten [2, 9]. Die Datenlage, ob dies Patienten wirklich nützt, ist aber weiter unklar [3, 10]. In einer retrospektiven Fall-Kontroll-Studie war die parenterale Penicillingabe bei Kindern durch Hausärzte mit einer erhöhten Sterblichkeit und einer erhöhten Komplikationsrate bei den Überlebenden verbunden [4]. Kinder, die Penicillin erhalten hatten, waren bei Eintreffen im Krankenhaus schwerer krank. Dies könnte damit zu tun haben, dass die Folgen des durch die erste antibiotische Dosis ausgelösten Bakterienzerfalls (Verschlimmerung von Schock oder Hirnödem) außerhalb des Krankenhauses schlechter therapierbar waren als nach Krankenhausaufnahme.

Abgrenzung von viralen Meningitiden

Bleiben die Kulturen ohne Erregernachweis, kann über zusätzliche mikrobiologische Spezialverfahren wie den Antigennachweis oder die Polymerase-Kettenreaktion der Versuch einer Erreger-Identifikation unternommen werden. Ist auch dies ohne Erfolg, stützt sich der Verdacht einer bakteriellen Ätiologie nach unserer Erfahrung außer auf die klinische Symptomatik auf folgende Parameter:

  • Leukozytose im Liquor ≥ 1 000/ml
  • erhöhtes Liquor-Gesamteiweiß ≥ 1 000 mg/dl
  • Liquorlaktat ≥ 3,5 mmol/l
  • verminderter Liquor/Serum-Glukose-Quotient
  • Leukozytose im peripheren Blut > 12 000/μl bzw. Leukopenie < 4 000/μl oder Linksverschiebung im Diff.-BB
  • C-reaktives Protein (CRP) ≥ 20 mg/l bzw. erhöhtes Procalcitonin ≥ 0,5 ng/ml.

Wenn eines der o. g. Kriterien erfüllt ist, raten wir sicherheitshalber zur antibiotischen Behandlung, auch wenn hierdurch eine Reihe von Patienten mit einer viralen Meningitis antibiotisch behandelt werden.

Prinzipien der antibakteriellen Therapie

Die Behandlung wird bei unbekanntem Erreger und außerhalb des Krankenhauses erworbener bakterieller Meningitis mit Ampicillin 3-mal 5 g/d i. v. plus Cefotaxim 3 x 2 - 4 g/d i. v. oder Ceftriaxon 1-mal 4 g/d i. v. eingeleitet. Die in der jeweiligen klinischen Situation bevorzugte antibiotische Initialtherapie ist in Tabelle 1 aufgeführt. Die angegebenen Dosierungen beziehen sich auf normalgewichtige Erwachsene. Nach Erregeranzucht wird die Behandlung ggf. optimiert.

Letalität

In den ersten Tagen versterben Patienten mit bakterieller Meningitis typischerweise am Hirnödem, am septischen Schock oder an den Folgen der septischen Herzbeteiligung [6]. Die Letalität der außerhalb des Krankenhauses erworbenen bakteriellen Meningitis (außer Neuroborreliose) beträgt in Deutschland abhängig vom Erreger 5 - 30 %. 70 % der Patienten mit einer Meningokokken-Erkrankung versterben binnen 24 h nach Krankenhausaufnahme.

Spätfolgen

Die häufigsten neurologischen Spätfolgen einer bakteriellen Meningitis sind Hörstörungen, epileptische Anfälle, kog­nitive Beeinträchtigungen, Augenmuskel- sowie Extremitätenparesen. Überlebende nach einer bakteriellen Meningitis weisen insbesondere Störungen im Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis sowie eine Störung der exekutiven Funktionen und des assoziativen Lernens auf [8].

Meldepflicht, hygienische Maßnahmen und Umgebungsprophylaxe

Jeder Verdacht auf Meningokokken-Meningitis sowie -Sepsis oder tuberkulöse Meningitis muss nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) § 6 namentlich dem Gesundheitsamt innerhalb von 24 h gemeldet werden. Eine Meldepflicht für Listerien und H. influenzae Typ b besteht bei direktem Nachweis in Blut, Liquor oder anderen normalerweise sterilen Substraten. Pneumokokken-Meningitiden sind nicht mehr meldepflichtig. Patienten, bei denen eine wahrscheinliche Meningokokken-Meningitis vorliegt, müssen bis einen Tag nach Beginn der Antibiotikatherapie isoliert werden. In dieser Zeit tragen Pflegepersonal und Angehörige Mundschutz, Handschuhe und Schutzkittel. Ungeschützte enge Kontaktpersonen erhalten bis zu zehn Tage nach dem letzten Patientenkontakt eine Antibiotikaprophylaxe, die ohne Zeitverzögerung begonnen werden soll, mit einer einmaligen oralen Gabe von 500 - 750 mg Ciprofloxacin oder vier Dosen von je 600 mg Rifampicin (Kinder 10 mg/kg) alle 12 h über zwei Tage. Im Haushalt lebende Personen sowie andere enge Kontaktpersonen sollten, sofern der Patient durch eine Meningokokken-Serogruppe erkrankte, gegen die ein Impfstoff vorhanden ist, zusätzlich gegen Meningokokken geimpft werden.

Vorbeugende Impfungen bei Gesunden

Alle Kinder sollen im Rahmen der Standardimmunisierung im 2., 3., 4. und im 11. - 14. Lebensmonat eine Impfung gegen Haemophilus influenzae Typ b und Streptococcus pneumoniae erhalten. Ab dem vollendeten 12. Lebensjahr sollen Kinder gegen Meningokokken geimpft werden, wobei gegen den häufigsten wenig immunogenen Serotyp B noch keine Impfung verfügbar ist. Für über 60-Jährige ist die Impfung gegen Streptococcus pneumoniae von der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut empfohlen.


Die vorliegende Arbeit ist eine überarbeitete Version der Publikation „Infektionen des ZNS: Rasches Handeln ist lebensrettend“ in der Zeitschrift „Neurotransmitter 5/2010“.


Literatur
1. Auburtin M, Wolff M, Charpentier J, et al (2006) Detrimental role of delayed antibiotic administration and penicillin-nonsusceptible strains in adult intensive care unit patients with pneumococcal meningitis: the PNEUMOREA prospective multicenter study. Crit Care Med 34: 2758-65
2. Cartwright K, Reilly S, White D, Stuart J (1992) Early treatment with parenteral penicillin in meningococcal disease. BMJ 305:143-147
3. Hahné SJ, Charlett A, Purcell B, Samuelsson S, Camaroni I, Ehrhard I, Heuberger S, Santamaria M, Stuart JM (2006) Effectiveness of antibiotics given before admission in reducing mortality from meningococcal disease: systematic review. BMJ 332: 1299-1303
4. Harnden A, Ninis N, Thompson M, Perera R, Levin M, Mant D, Mayon-White R (2006) Parenteral penicillin for children with meningococcal disease before hospital admission: case-control study. BMJ 332: 1295-1298
5. Miller LG, Choi C (1997) Meningitis in older patients: how to Diagnose and treat a deadly infection. Geriatrics 52: 43-44, 47-50, 55
6. Nau R, Brück W (2002) Neuronal injury in bacterial meningitis: mechanisms and implications for therapy. Trends Neurosci 25: 38-45
7. Proulx N, Fréchette D, Toye B, Chan J, Kravcik S (2005) Delays in the administration of antibiotics are associated with mortality from adult acute bacterial meningitis. Q J Med 98: 291–298
8. Schmidt H, Heimann B, Djukic M, Mazurek C, Fels C, Wallesch CW, Nau R (2006) Neuropsychological sequelae of bacterial and viral meningitis. Brain 129: 333-345
9. Strang JR, Pugh EJ (1992) Meningococcal infections: reducing the case fatality rate by giving penicillin before admission to hospital. BMJ 305: 141-143
10. Sudarsanam T, Rupali P, Tharyan P, Abraham OC, Thomas K (2008) Pre-admission antibiotics for suspected cases of meningococcal disease. Cochrane Database Syst Rev 2008 Jan 23;(1):CD005437.
11. van de Beek D, de Gans J, Spanjaard L, Weisfelt M, Reitsma JB, Vermeulen M (2004) Clinical features and prognostic factors in adults with bacterial meningitis. N Engl J Med 351:1849-1859

Interessenkonflikte:
Die Arbeiten von R. Nau und H. Eiffert werden von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung gefördert. M. Djukic und S. Schütze erhalten ein Stipendium im Rahmen des Forschungskollegs Geriatrie der Robert-Bosch-Stiftung.

Prof. Dr. med. Roland Nau


Kontakt:
Prof. Dr. med. Roland Nau
Geriatrisches Zentrum
Evangelische Krankenhaus Göttingen-Weende
37075 Göttingen

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (9) Seite 18-20