Die operative Entfernung der Gaumenmandeln (Tonsillektomie, kurz: TE) gehört zu den häufigsten und schmerzhaftesten Operationen überhaupt. Die postoperativen Schmerzen können bis zu drei Wochen persistieren. Bis heute gibt es jedoch keinen Behandlungsstandard mit dem Nachweis einer suffizienten Schmerzreduktion. Besonderes Augenmerk sollte der Arzt auf junge (< 20 Jahre) und weibliche Patienten legen, deren Schmerzen häufig überproportional hoch sein können.

Fallbeispiel
Eine 19-jährige Patientin stellt sich aufgrund starker Schmerzen nach TE in der Praxis vor. Der operative Eingriff erfolgte sieben Tagen zuvor problemlos, Nachblutungen traten nicht auf. Die Entlassung aus der stationären Versorgung erfolgte vor zwei Tagen. Die Patientin berichtet über initiale Schmerzintensitäten von circa 5 – 6 auf der Numerischen Rating-Skala (NRS, 0 – 10), die nach drei bis vier Tagen auf Werte von etwa 9 – 10 anstiegen und seitdem persistierten. Zur Schmerztherapie nimmt sie Ibuprofen 600 mg bei Bedarf.

Bei der körperlichen Untersuchung und Inspektion des Pharynx finden sich keine Entzündungszeichen. Die Tonsillenbetten zeigen die üblichen Fibrinbeläge auf beiden Seiten (vgl. Abb. 1 und 2).

Ein Großteil der Tonsillektomie-Patienten benötigt mindestens zwei Nicht-Opioid-Analgetika, etwa drei Viertel der Patienten auch Opioide [20]. Angesichts der berichteten Schmerzsymptomatik ist die Basismedikation (Ibuprofen 600 mg 3 x täglich) um ein zweites Nicht-Opioid-Analgetikum (z. B. Paracetamol 1.000 mg 4 x tgl.) und bei Bedarf zusätzlich um ein schwach wirksames Opioid (z.B. Tilidin retard 100 mg 2 – 3 x tgl.) zu erweitern. Weitere physikalische Maßnahmen, wie Kühlen (z.B. mit sogenannten Eis-Lutschern [23]) sind ausdrücklich zu empfehlen. Eine Gabe von Antibiotika zur Schmerzreduktion ist entbehrlich.

Cave: Postoperative Schmerzen nach Mandelentzündung können bis zu zwei bis drei Wochen persistieren. In der Regel tritt das Schmerzmaximum am ersten postoperativen Tag auf und nimmt über die nächsten 10 bis 14 Tage kontinuierlich ab. Es gibt jedoch in seltenen Fällen (circa 5 % der Patienten) Schmerzverläufe, die moderat beginnen und sekundär stark ansteigen (NRS 9 – 10) [22]. Der Patient sollte darüber aufgeklärt werden, dass trotz Analgesie eine suffiziente Schmerzreduktion nicht immer möglich ist! Diätetische Maßnahmen und Einschränkungen der körperlichen Aktivität scheinen keinen Einfluss auf das Schmerzgeschehen zu haben. Darüber hinaus sollte der Patient auf ein möglicherweise erhöhtes Nachblutungsrisiko hingewiesen werden, verbunden mit entsprechenden Handlungsempfehlungen für den Notfall.

Die TE gehört mit knapp 90.000 Eingriffen pro Jahr in Deutschland zu den am häufigsten durchgeführten Operationen (DRG-Statistik 2016). Knapp die Hälfte der Eingriffe betrifft Kinder, bei denen die Tonsillektomie die dritthäufigste Operation überhaupt darstellt. Gerbershagen et al. konnten 2013 zeigen, dass die TE schmerztechnisch auf Platz 24 (maximale Schmerzstärke am ersten postoperativen Tag: NRS 5,89) der 179 häufigsten chirurgischen Eingriffe rangiert. Damit wird sie von den Patienten schmerzhafter empfunden als eine Gastrektomie oder Thorakotomie [10].

Aufgrund der hohen postoperativen Morbidität hat schon die Indikationsstellung zur TE streng zu erfolgen und richtet sich nach den Vorgaben der Sk2-Leitlinie "Therapie entzündlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis" [8].
Eine regional stark schwankende Anzahl an Tonsillektomien zeigte jüngst eine Studie der Bertelsmann Stiftung [9].

Chirurgische Techniken

Prinzipiell können die chirurgischen Techniken zur TE in sogenannte "kalte" und "heiße" Methoden unterteilt werden. Bei den am häufigsten und standardmäßig angewendeten "kalten" Methoden erfolgt die Dissektion der Tonsille ohne die Verwendung von elektrischem Strom. Sie scheinen schmerztechnisch von Vorteil zu sein, da die Höhe der postoperativen Schmerzen mit der Menge an intraoperativ applizierter Energie bei der "heißen" Technik und somit mutmaßlich mit dem Ausmaß des Gewebeschadens korreliert [4].

Pathophysiologie des Schmerzes

Die genaue Pathophysiologie der starken Schmerzen ist weiterhin unklar, scheint jedoch ein multifaktorielles Geschehen aus direkter Verletzung vorhandener Nervenendigungen (vor allem Ästen des N. glossopharyngeus), einer lokalen Entzündungsreaktion, einer mechanischen Reizung durch Kontraktionen der pharyngealen Muskulatur/des weichen Gaumensegels und des Belassens eines offenen Wundbettes zu sein [1, 10, 18].

Schmerzverlauf und Risikofaktoren

Die Patienten berichten in der Regel über ein Schmerzmaximum am ersten postoperativen Tag und eine kontinuierliche Schmerzabnahme über zwei bis drei Wochen. Starke Schmerzen werden meist bis einschließlich des vierten postoperativen Tags angegeben [24]. Ein typischer Schmerzverlauf (> 50 % der Patienten [22]) ist exemplarisch in Abb. 3 gezeigt. Die hohe Variabilität der Schmerzverläufe zwischen den Patienten konnte in mehreren Studien demonstriert werden [22].

Frauen, chronische Schmerzpatienten und jüngere Patienten (< 20 Jahre) scheinen besonders prädisponiert für hohe postoperative Schmerzen zu sein [11, 13].
Zudem klagen Erwachsene über höhere postoperative Schmerzen als Kinder.

Behandlungsoptionen und aktuelle Empfehlungen

Für die TE fehlt bislang ein effektiver und evidenzbasierter Behandlungsstandard. Nach Guntinas-Lichius et al. wurden zahlreiche Schmerzregime in kontrollierten Studien untersucht, doch gibt es keinen Standard zur Schmerztherapie nach Tonsillektomie mit dem validen Nachweis einer suffizienten Schmerzbehandlung" [12]. Einige Länder, zum Beispiel Frankreich und Schweden, haben eigens Leitlinien zur Schmerztherapie nach TE verfasst. Doch auch diese beinhalten kein universell anwendbar funktionierendes Konzept. In der Sk2-Leitlinie "Therapie entzündlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis" (Stand: 08/2015) wird bezüglich der postoperativen analgetischen Medikation auf die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften)-S3-Leitlinie "Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen" verwiesen, die sich seit dem 1. April 2014 in Überarbeitung befindet, aber dennoch als beste Handlungsempfehlung für die Behandlung postoperativer Schmerzen gilt.

Es existiert eine Reihe von Studien zur Wirksamkeit von Nicht-Opioiden nach TE. Bisher zeigte sich kein eindeutiger Vorteil für eine einzelne Substanz. Auch für eine optimale Kombination mehrerer Substanzen fehlt die Evidenz. Lediglich Paracetamol alleine scheint nicht ausreichend wirksam zu sein [6, 16]. Ein potenziell erhöhtes Nachblutungsrisiko durch den Einsatz nichtsteroidaler Antirheumatika konnte in zahlreichen Übersichtsarbeiten und Metaanalysen widerlegt werden [5, 15]. Zudem zeigten bisher nur wenige Studien einen günstigen Einfluss schwach wirksamer Opioide [19].
Ergebnisse von Studien, welche die Verwendung von stark wirksamen Opioiden nach TE untersuchen, sind in der Literatur bisher nicht beschrieben [12].

Alternative Versuche, die Schmerzen nach TE zu verringern, zeigten ebenfalls nur einen sehr limitierten Erfolg: Der Empfehlungsgrad in der AWMF-Leitlinie zur Infiltration mit Lokalanästhetika ist C [16]. Die Gabe von Antibiotika scheint nicht sinnvoll, um die postoperativen Schmerzen zu lindern [3]. Einige Studien und Leitlinien empfehlen die intraoperative Gabe von Steroiden, um postoperative Schmerzintensitäten und die Nebenwirkungsrate günstig zu beeinflussen [2, 7, 16].

Schmerzbehandlung bei Kindern

Für Kinder bis zum 12. Lebensjahr kann der Einsatz von Opioiden nach TE aufgrund von nächtlichen Hypoxämien potenziell lebensbedrohlich sein. Codein, das vor allem in den angloamerikanischen Ländern zum Einsatz kam, wurde 2012 von der Federal Drug Administration (FDA) nach TE und seit 2017 generell bei Kindern unter 12 Jahren aufgrund mehrerer Todesfälle verboten. Viele Kliniken wechselten danach auf Morphin, aber das Risiko der Atemdepression blieb bestehen [14]. Es konnte zudem gezeigt werden, dass die Kombination aus Ibuprofen und Paracetamol Schmerzen bei Kindern postoperativ ähnlich effektiv lindern kann wie Morphin und das mit deutlich weniger Nebenwirkungen [21]. Voraussetzung hierfür ist in erster Linie eine ausreichend hohe Dosierung [17]. ▪

Fazit für die Praxis
Bis heute konnte keine allgemein gültige und wirksame Schmerztherapie nach TE gefunden werden. Die Gründe hierfür sind vielfältig und nur unzureichend bekannt. Die Patienten sollten über den postoperativen Schmerzverlauf und eine oft nicht adäquat mögliche Schmerzreduktion offensiv aufgeklärt werden. Die Therapie besteht in der Regel aus einer Zweier-Kombination von Nicht-Opioiden. Bei anhaltend starken Schmerzen sind auch Opioid-Analgetika, außer bei Kindern, angezeigt. Anhaltend starke Schmerzen sollten an ein potenziell erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Nachblutungen denken lassen.


Literatur
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Autorin:

Dr. med. Magdalena Gostian

Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Uniklinik Köln
50927 Köln

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (19) Seite 22-25