Insomnie bedeutet mehr als nur gestörter Schlaf. Je nach Schweregrad sind damit spezifische psychische Symptome verbunden, so dass eine Therapie mit einem Hypnotikum oder eine Insomnie-spezifische Verhaltenstherapie indiziert sein kann. Die Differenzialdiagnostik spielt für die therapeutische Beurteilung bei der Insomnie eine zentrale Rolle.

Schlafstörungen sind "im Kommen". Epidemiologische Studien zeigen, dass 10 % der Bevölkerung unter einer Insomnie leiden und 4 % die Kriterien einer schweren Insomnie erfüllen [1]. Patienten berichten heute offener von Ein- und Durchschlafstörungen, von Minderbelastbarkeit und der Verzweiflung darüber als noch vor zwanzig Jahren. Dies ist wahrscheinlich durch die mediale Aufmerksamkeit, die das Thema Schlaf in den letzten Jahren erhalten hat, mitbedingt. Dennoch wird es schwieriger, Schlafstörungen adäquat zu behandeln, trotz eines relativ großen Angebots gut wirksamer Hypnotika. Was sind die Gründe dafür?

Patienten sind schlafmittelmüde

Patienten wollen sich häufig nicht mehr mit einem Medikament "abspeisen" lassen, sondern möchten gerne der Ursache ihrer Störung auf den Grund gehen [2]. "Da muss doch etwas in meinem Kopf nicht stimmen", ist eine häufig geäußerte Besorgnis. Ein weiterer Grund ist die Angst vor "Abhängigkeit", die viele Patienten sogar abhält, wegen ihrer Schlafstörungen noch zum Arzt zu gehen. Stattdessen haben nicht verschreibungspflichtige "harmlosere" Medikamente in den Apotheken und Drogerien vermehrten Absatz und führen im schlechtesten Fall zu einer Chronifizierung der Schlafstörung. Aber auch wenn Hypnotika wie verschrieben eingenommen werden: Was tun, wenn sich der Schlaf nicht bessert und das zeitliche Limit der Verschreibung erreicht ist? Oder wenn die Medikamente auf einmal nicht mehr wirken? Wenn der Patient berichtet, wegen seiner Schlafstörungen nicht mehr arbeiten zu können oder, wenn er dadurch so müde ist, dass er andere und sich selbst gefährden könnte?

Während sich Ärzte mit einer zunehmenden Ablehnung der Patienten gegenüber Psychopharmaka konfrontiert sehen, gibt es andererseits wenig Wissen über effektive nicht-medikamentöse Therapieverfahren. Dabei zeichnet sich die Insomniespezifische Verhaltenstherapie (Cognitive behavior therapy for Insomnia = CBT-I) durch eine sehr gute Evidenz mit einem langanhaltenden positiven Effekt aus und steht Psychopharmaka in der Effektivität in nichts nach [3].

Ursachenbehandlung bei Insomnie

Eine Insomnie beinhaltet immer eine übermäßige Fokussierung auf den gestörten Schlaf und eine erhebliche Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit [4]. Diese beiden Kernsymptome sollten für die Diagnosestellung erfüllt sein. Eine direkte Behandlung des gestörten Schlafes ist zwar durch die psychopharmakologische Behandlung möglich, allerdings können wesentliche Symptome der Insomnie dann weiterhin bestehen bleiben. Zwar finden manche Patienten tatsächlich durch die Medikamente aus dem Teufelskreis der Insomnie heraus. Ein Teil der Betroffenen benötigt jedoch eine Therapie, welche vor allem die psychologischen Aspekte der Insomnie, nämlich Fokussierung auf den Schlaf, Angst vor den Konsequenzen der Schlafstörung und erhöhte innere Unruhe, behandelt. Und genau dies tut die CBT-I.

Was behandelt die CBT-I

Als wesentliche Zielsymptome werden dysfunktionale Verhaltensweisen gesehen, welche die Schlafstörung aufrechterhalten, z. B. zu lange Bettzeiten oder ungewolltes Einnicken im Vorfeld der geplanten Schlafzeit. Die CBT-I zielt auf eine effektive Änderung dieses Insomnie-spezifischen Verhaltens ab. Eine bloße Information darüber, z. B. "Bleiben Sie nicht so lange im Bett", ist hier nicht ausreichend (ähnlich wie Diätvorschläge bei Essgestörten). Grundsätzlich basiert die CBT-I auf den beiden Grundpfeilern Psychoedukation und Chronobiologie. Die Psychoedukation beinhaltet Informationen über den gesunden Schlaf und die Gründe für den gestörten Schlaf. Der Patient soll an dieser Stelle auch für die eigenen Anteile an der Entstehung und Aufrechterhaltung der Insomnie sensibilisiert werden (Stress und Überforderung). Zur Psychoedukation kann auch die Aufklärung über den gemessenen Schlaf gehören. Dem Patienten wird anhand der nächtlichen Schlafpolygraphie gezeigt, wie viel Schlaf er tatsächlich erreicht hat. Nicht selten unterschätzen Patienten ihren gemessenen Schlaf erheblich. Der Patient wird des Weiteren über die aufrechterhaltenden Mechanismen der Schlafstörung aufgeklärt. Es werden mit ihm Verhaltensänderungen besprochen, welche auf chronobiologischen Gesetzmäßigkeiten beruhen.

Die Therapie kann je nach Schweregrad der Störung mindestens sechs, manchmal jedoch auch 20 Stunden dauern und wird von psychologischen Psychotherapeuten angeboten [5]. Sie kann je nach Schweregrad in Form von Selbsthilfeprogrammen durchgeführt werden, in Form ambulanter Gruppentherapien oder auch als stationäre Therapie in einem zweiwöchigen Setting.

Schweregrade der Insomnie

Bei der akuten Form der Insomnie bestehen die Schlafstörungen seit einer überschaubaren Dauer, der Patient kann sich an den Beginn in der Regel erinnern, auch an das auslösende Ereignis. Es haben noch keine nennenswerten Therapieversuche stattgefunden. Bei dieser Form sollte differenzialdiagnostisch an eine psychoreaktive Insomnie gedacht werden, das heißt die Insomnie ist als eine Art Stressreaktion zu verstehen (z. B. Pflege eines Angehörigen, Umzug etc.), oder auch an eine Depression. Letztere versteckt sich oft gerne hinter einer Fassade des "Sich-Zusammennehmens" bei eher strukturierten Patienten. Bei akuten Insomnien ist die Gabe von Hypnotika indiziert, des Weiteren sollte der Patient über schlaffördernde Verhaltensweisen aufgeklärt werden, zum Beispiel in Form von Insomnie-spezifischen Ratgebern (siehe Homepage der DGSM). Es empfiehlt sich, hier eine Wiedervorstellung zu vereinbaren.

Bei der chronischen Form der Insomnie klagt der Patient über eine längere Dauer gestörten Schlafes. Er hat den Beginn nicht mehr unbedingt in Erinnerung und schon diverse Therapieversuche (u. a. Medikamente, Sanierung des Schlafzimmers) unternommen. In der Regel halfen diese nur kurzfristig. Bei einer chronisch verlaufenden Insomnie muss auf jeden Fall differenzialdiagnostisch vorgegangen werden (vgl. auch Abb. 1).

Untersuchungen haben gezeigt, dass die Rate unerkannter organischer Schlafstörungen bei Patienten, die mit einer chronischen Insomnie zu einer Verhaltenstherapie überwiesen werden, bei ca. 20 % liegt [6]. Je älter die Patienten, desto wahrscheinlicher besteht eine Schlafapnoe oder ein unerkanntes Restless-Legs-Syndrom. Eine Untersuchung in einem Schlaflabor bringt differenzialdiagnostische Klarheit. Falls eine organische Schlafstörung als Ursache ausgeschlossen ist, sollte der Patient eine Insomnie-spezifische Verhaltenstherapie erhalten, bis dahin kann mit Hypnotika behandelt werden.

Schwere Formen einer Insomnie lassen sich oft durch ambulante Methoden nicht verbessern. Für diese Patienten wurde eine stationäre Behandlungsform der CBT-I mit einem standardisierten Programm entwickelt [7]. Im Falle einer komorbiden Schlafstörung z. B. bei einer Schilddrüsendysfunktion ist es wichtig, den Patienten über schlaffördernde Maßnahmen aufzuklären. Dies kann auch im Falle einer sogenannten Schlafschule passieren. Schlafschulen sind Workshops mit Psychoedukation für Betroffene, in denen schlaffördernde Maßnahmen vermittelt werden.

Handlungsempfehlungen

Welche Handlungsempfehlungen ergeben sich daraus für den Allgemeinarzt?

Er sollte den Patienten darüber aufklären, dass Schlafstörungen grundsätzlich behandelbar sind. Bei chronischen Verläufen ist eine differenzialdiagnostische Abklärung zu erwägen und ggf. Kontakt zu einem Schlaflabor in der Nähe herzustellen. Anstelle einer Dauermedikation mit Hypnotika ist bei chronischen Verläufen eine Insomnie-spezifische Verhaltenstherapie zu empfehlen.


Literatur
(1) Hajak G. Epidemiology of severe insomnia and its consequences in Germany. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2001;251(2):49-56.
(2) Morin CM, Gaulier B, Barry T, Kowatch RA. Patients‘ acceptance of psychological and pharmacological therapies for insomnia. Sleep 1992 Aug;15(4):302-5.
(3) Riemann D, Perlis ML. The treatments of chronic insomnia: a review of benzodiazepine receptor agonists and psychological and behavioral therapies. Sleep Med Rev 2009 Jun;13(3):205-14.
(4) Harvey AG. A cognitive model of insomnia. Behav Res Ther 2002 Aug;40(8):869-93.
(5) Belanger L, Savard J, Morin CM. Clinical management of insomnia using cognitive therapy. Behav Sleep Med 2006;4(3):179-98.
(6) Jacobs EA, Reynolds CF, III, Kupfer DJ, Lovin PA, Ehrenpreis AB. The role of polysomnography in the differential diagnosis of chronic insomnia. Am J Psychiatry 1988 Mar;145(3):346-9.
(7) Cronlein T, Langguth B, Geisler P, Wetter TC, Eichhammer P. Fourteen-day inpatient cognitive-behavioural therapy for insomnia: a logical and useful extension of the stepped-care approach for the treatment of insomnia. Psychother Psychosom 2014;83(4):255-6.



Autorin:

Dr. phil. Tatjana Crönlein

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universität Regensburg
93053 Regensburg

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (9) Seite 20-22