Frage: Es geht um einen männlichen, 62-jährigen Patienten ohne chronische Vorerkrankungen. Vor ca. zwei Monaten hat er einen Fahrradsturz erlitten mit sekundär verheilender Kniewunde, längerem Verlauf, jedoch ohne allgemeine Symptomatik. Seit einer mehrere Wochen zurückliegenden Thai-Massage leidet er nun unter intermittierend auftretenden krampfartigen Schmerzen (bis VAS 9 – 10) im thorakolumbalen Übergang. Zudem hatte er eine kurze Phase von subfebrilen Temperaturen.

Bei der körperlichen Untersuchung zeigen sich keine äußerlichen Veränderungen, kein Druckschmerz über BWS/LWS und eine deutlich eingeschränkte Inklination. Rotation und Seitbeugung sind o. B.

Bei den Laborwerten fallen eine persistierend beschleunigte BSG (70/90), ein persistierend erhöhtes CRP (zwischen 4 und 1,5 mg/dl), erhöhte Leberwerte (y-GT: 217 U/l; GPT: 93 U/i; GOT: 105 U/i; AP: 200 U/l: im Verlauf rückläufig, aber nicht normwertig), eine Hypalbuminämie sowie eine Vermehrung der Alpha-1-, Alpha-2- und Beta-2-Fraktion auf. Normwertig sind BB mit Diff, Krea, Amylase, Lipase, Immunglobuline, E-Lyte, D-Dimere, iFOBT-Test, Calprotectin i. Stuhl, CCP-AK, ANA, Hepatitis-Serologie und Borrelienserologie. Auch EBV und CMV sind ausgeschlossen.

  • MRT: HWS-BWS: Spondylarthrose BWK 5 – 9, leichte Protrusion BWK 7/8
  • Sono-Abdomen: o. B.
  • CT-Thorax: o. B.
  • EKG: o. B.

Die bisherige Therapie bestand aus Amoxicomp® über zehn Tage. Darunter waren die Entzündungsparameter (außer BSG) rückläufig. Die Schmerzen blieben unverändert. Novaminsulfon 4 x 500 mg und Palexia ret. 2 x 50 mg brachten nur passagere Verbesserungen der Schmerzsymptomatik.

Unter Prednisolon 40 mg war ein deutlicher Rückgang der Schmerzsymptomatik zu verzeichnen. Unter langsamer Reduktion (ab 17,5 mg) nahmen die Schmerzen wieder deutlich zu.

Welche weitere Diagnostik ist notwendig? Könnte es sich um eine Polymyalgia rheumatica handeln?

Antwort:

Gegen eine typische Polymyalgia rheumatica sprechen:
  • die isolierte Schmerzsymptomatik im thorakolumbalen Übergang unter Aussparung des Schultergürtels und der Hüftregion,
  • der intermittierende krampfartige Charakter,
  • die unklare Leberwerterhöhung,
  • die Normalisierung des CRP bereits unter einer antibiotischen Therapie bei persistierend hoher BSG und
  • die Zunahme der Symptomatik bereits bei Unterschreiten einer Prednisolondosis von 20 mg pro Tag. Zu erwarten wäre bei einer typischen PMR ein vollständiger Rückgang von Schmerzen und BSG/CRP bereits mit 15 – 20 mg Prednisolon. Glukokortikoide wirken in höherer Dosierung unspezifisch analgetisch, so dass die primäre Besserung unter 40 mg hier alleine kein Beleg für eine entzündlich-rheumatische Genese ist.

Ich würde daher die Diagnose zunächst infrage stellen, die Prednisolontherapie bei ungesicherter Diagnose beenden und den Patienten einer weiteren Diagnostik zuführen.

Die hohe BSG könnte bei unter Antibiose normalisiertem CRP auch vor dem Hintergrund der unklaren Leberwerte auf eine Tumorerkrankung hindeuten. Zunächst würde ich ein Abdomen/Becken-CT machen, um z. B. eine Raumforderung an Leber und Gallengängen sicher auszuschließen, die Abdomen-Sono würde mir da nicht reichen, da die Leberwerterhöhung nicht plausibel erklärt ist. Bei unauffälligem Befund im CT sollte dann eine weitere Tumor-/Fokussuche (Gastroskopie, Koloskopie, ggf. PET-CT etc.) erfolgen.



Autor:

Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich

Klinik für Innere Medizin, Rheumatologie und Immunologie
Vaskulitiszentrum Süd
Medius Kliniken – akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Tübingen
73230 Kirchheim-Teck

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (6) Seite 54