Das postthrombotische Syndrom kann die Lebensqualität erheblich einschränken und schlimmstenfalls durch infizierte Ulcera zum Verlust der Extremität führen. Zur Prophylaxe ist der Nutzen einer konsequenten Antikoagulation im therapeutischen Bereich eindeutig belegt. Deren optimale Dauer sowie die Effektivität einer Kompressionstherapie und die Rolle einer venösen Rekanalisation werden dagegen kontrovers diskutiert.

Bei dempostthrombotischen Syndrom (PTS) handelt es sich um eine Dysfunktion des Venensystems einer Extremität nach einer Venenthrombose mit einem Villalta-Score von mindestens 5 (vgl. Tabelle 1).

Die der Diagnose zugrunde liegenden überwiegend subjektiven Kriterien erschweren die Erhebung suffizienter epidemiologischer Daten und die Durchführung aussagekräftiger Studien zur Prophylaxe und Therapie des PTS.

Zu den Risikofaktoren für ein postthrombotisches Syndrom gehören eine vorausgegangene ipsilaterale Thrombose, eine proximale Thrombose, eine persistierende Thrombose, eine Wadenumfangsvermehrung um mindestens 3 cm, eine venöse Insuffizienz, eine schlechte INR-Kontrolle unter Vitamin-K-Antagonisten und eine Adipositas.

Epidemiologie

Anhand der Daten des TULIPA PLUS-Registers trat bei 24,5 % der Patienten, die vor der aktuellen tiefen Venenthrombose (TVT) keine TVT, Varikose oder chronisch venöse Insuffizienz (CVI) aufwiesen, innerhalb von drei Jahren ein PTS auf, aber nur bei 1,5 % ein schweres PTS [1]. In diesem Zeitraum entwickelte kein Patient ein venöses Ulkus.

Pathophysiologie

Der im Rahmen einer TVT beeinträchtigte venöse Rückstrom des Blutes führt zu einer Druckerhöhung in den Venen der betroffenen Extremität mit dem Risiko einer sekundären Klappeninsuffizienz in den tiefen und oberflächlichen Venen. Eine ausgeprägte Druckerhöhung führt zu einer Minderperfusion der Haut. Entzündungsprozesse in der von der TVT betroffenen Vene können durch eine Verzögerung der Thrombusauflösung und durch die Förderung einer Fibrosierung der Venenwand zur Entstehung eines PTS beitragen [2].

Diagnostik

Der gebräuchlichste Score für die Feststellung eines PTS ist der Villalta-Score (Tabelle 1). Ein PTS wird bei mindestens 5 Punkten diagnostiziert, die Einteilung erfolgt in leichte (5 – 9 Punkte), moderate (10 – 14 Punkte) und schwere (mindestens 15 Punkte) PTS. Ein venöses Ulkus in Zusammenhang mit einer vorausgegangenen TVT wird mit 15 Punkten berechnet, also in jedem Fall als schweres PTS gewertet.

Prophylaxe des PTS

Die wichtigste Maßnahme zur Prophylaxe eines PTS ist eine umgehende konsequente Antikoagulation im therapeutischen Bereich, die bereits bei hochgradigem Verdacht auf eine TVT begonnen werden soll. Traditionell erfolgt diese mit Vitamin-K-Antagonisten, die für mindestens fünf Tage überlappend mit einem niedermolekularen Heparin gegeben werden. In Deutschland ist die Gabe von Phenprocoumon üblich, für das wesentlich weniger Studiendaten als für das international wesentlich häufiger eingesetzte Warfarin vorliegen. Eine Metaanalyse der nicht Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK) Apixaban, Dabigatran, Rivaroxaban (alle für die Behandlung der TVT zugelassen) sowie Edoxaban (bisher noch nicht für die Behandlung der TVT zugelassen) zeigte im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten eine signifikante Reduktion schwerer, intrakranieller, tödlicher sowie klinisch relevanter nicht schwerer Blutungen [3]. Eine Metaanalyse der NOAK-Studien bei Vorhofflimmern zeigte im Vergleich zu Warfarin eine hochsignifikante Reduktion der Gesamtmortalität, Schlaganfälle und intrakraniellen Blutungen, allerdings auch eine signifikante Erhöhung gastrointestinaler Blutungen [4].

Während bei provozierten Thrombosen (z. B. perioperativ) in den Leitlinien einheitlich eine Therapiedauer von drei Monaten empfohlen wird, ist die optimale Antikoagulationsdauer bei idiopathischen Thrombosen unklar. Hier werden Studien mit den NOAK, die auch das Konzept einer längerfristigen Antikoagulation in einer reduzierten Dosis nach einer mindestens drei Monate dauernden Therapie in der zugelassenen Dosis untersuchen, unseren Kenntnisstand verbessern.

Eine Kompressionstherapie der betroffenen Extremität zur Prophylaxe eines PTS erscheint pathophysiologisch sinnvoll und erzielte in offenen Studien gute Ergebnisse. Die randomisierte, plazebokontrollierte SOX-Studie mit 806 Patienten zeigte keinen Vorteil für eine Kompressionstherapie, weist aber insbesondere hinsichtlich der Patientencompliance erhebliche Schwächen auf [5]. Eine kleine Studie deutet darauf hin, dass Unterschenkelkompressionsstrümpfe der Klasse I, die von Patienten einfacher und schneller angezogen werden können, ähnliche hämodynamische Effekte erzielen wie Oberschenkelkompressionsstrümpfe der Klasse II [6].

Während die systemische Lyse bei TVT kein günstiges Nutzen-Risiko-Profil aufwies, ist die kathetergestützte Lyse (ggf. mit mechanischer Thrombusentfernung und/oder Stentimplantation in residuelle Stenosen) insbesondere proximaler Thrombosen mit ausgeprägter klinischer Symptomatik momentan Gegenstand klinischer Studien und intensiver Diskussionen. Während eine mäßige Reduktion des PTS nachgewiesen werden konnte, zeigte sich bisher keine wesentliche anhaltende Verbesserung der Lebensqualität [2]. Nicht zuletzt für die Evaluation des Risikos schwerer Blutungen sind große Studien erforderlich.

Ist bei einer persistierenden Thrombose ein PTS bereits eingetreten, kann eine Rekanalisation mit Stentimplantation erwogen werden. Insbesondere, wenn eine venöse Insuffizienz im Vordergrund steht, kann eine operative Rekonstruktion inkompetenter Venenklappen oder bei irreversibler Zerstörung der Venenklappe eine Klappentransposition durchgeführt werden. Für die Beurteilung dieser Verfahren sind ebenfalls große Studien erforderlich.

Zusammenfassend legt das TULIPA PLUS-Register nahe, dass die Wahrscheinlichkeit eines schweren PTS nach einer ersten TVT gering ist. Eine adäquate Antikoagulation trägt wesentlich zur Vermeidung eines PTS bei. Die von uns weiterhin durchgeführte Kompressionstherapie wird durch die SOX-Studie infrage gestellt. Verfahren zur venösen Rekanalisation und Wiederherstellung der Venenklappenkompetenz erweitern unsere therapeutischen Möglichkeiten, bedürfen aber noch umfangreicherer wissenschaftlicher Untersuchungen.



Autor:

Dr. med. Arne Kieback

Prof. Dr. med.Sebastian Debus
Klinik und Poliklinik für Gefäßmedizin
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
20246 Hamburg

Interessenkonflikte: A. G. Kieback hat Vortrags- und Beratungshonorare sowie Reisekostenerstattungen von Bayer, Bristol Myers Squibb und Daiichi Sankyo erhalten. Für E. S. Debus bestehen keine Interessenkonflikte.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (12) Seite 48-50