Die portale Hypertension mit Ösophagus- und Magenvarizen gehört zu den wichtigsten Komplikationen von akuten und chronischen Lebererkrankungen. Entsprechend der Pathophysiologie der portalen Hypertension stehen zurzeit zahlreiche medikamentöse Therapien zur Verfügung, mit denen sich das Risiko lebensbedrohlicher Komplikationen wie z. B. der Ösophagusvarizenblutung senken lässt.

Wenn der hepatisch-venöse Druckgradient (HVPG) im portalen Stromgebiet über 5 mmHg liegt, spricht man von einer portalen Hypertension. Klinisch von Bedeutung ist die portale Druckerhöhung über 10 mmHg, da sie für das Entstehen von Varizen verantwortlich ist (Abb. 1). Eine Varizenblutung ist klinisch signifikant, wenn der Bedarf an Blutkonserven mehr als zwei in 24 Stunden übersteigt [5]. Tabelle 1 fasst die Risiken bei steigendem HVPG zusammen.

Welche Patienten sind gefährdet?

Als potenzielle Blutungsquellen kommen nicht nur Ösophagus- oder Magenvarizen, sondern auch die portale hypertensive Gastropathie und andere nicht variköse Blutungsquellen in Betracht. Bei Patienten mit kompensierter Zirrhose liegen in ca. 35 % der Fälle Ösophagusvarizen vor und bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose in etwa 48 % [4]. Die kumulative Inzidenz von Ösophagusvarizen liegt nach zehnjähriger bekannter Krankheitsdiagnose bei 44 % und für zwanzig Jahre Leberzirrhose bei 53 % [4].

Zur ersten Risikoeinschätzung bei vermuteter gastrointestinaler Blutung sollten eine Anamnese, der körperliche Untersuchungsbefund und die Erhebung der Vitalparameter herangezogen werden [5]. Weitere Fragen sollten die Blutungsmanifestation und die Blutungsdauer (Erbrechen von Kaffeesatz, Hämatemesis, Teerstuhl, Hämatochezie, Abgang von Blutkoageln), Begleitsymptome (orthostatische Dysregulation, Synkope, Vigilanzminderung, Aspiration, Agitation), die Medikation (insbesondere Vitamin-K-Antagonisten, DOAK oder niedermolekulare Heparine) sowie Begleit- und Vorerkrankungen (z. B. Leberzirrhose, Thrombosen im Splanchnicusgebiet, bereits stattgehabte variköse oder nicht-variköse gastrointestinale Blutungen, Neoplasien im Gastrointestinaltrakt, hämatologische Neoplasien) beinhalten. Eine digital-rektale Untersuchung inklusive des Tests auf okkultes Blut sollte sich anschließen, ebenso wie die nicht invasive Blutdruckmessung [5].

Was tun bei Blutungsverdacht?

Bei einer vermuteten varikösen oberen gas-trointestinalen Blutung ist eine sofortige stationäre Einweisung geboten. Wenn der Verdacht auf eine akute Varizenblutung besteht, sollte im Krankenhaus die intravenöse Therapie mit einem Vasokonstriktor (Terlipressin, Somatostatin, Octreotid) noch vor der eigentlichen Endoskopie begonnen werden. Terlipressin ist ein Vasopressinanalogon, welches systemisch und auch in den Mesenterialgefäßen zu einer Vasokonstriktion führt und damit den Pfortaderfluss reduziert. In Bezug auf relevante Endpunkte hat sich in großen Studien kein Unterschied zwischen Terlipressin, Somatostatin und Octreotid gezeigt [10].

Ebenfalls noch vor der Endoskopie sollte bei begründetem Verdacht auf eine akute Varizenblutung eine intravenöse Antibiotikatherapie erfolgen. Bei Bestätigung der Diagnose sollte diese Therapie noch fünf bis sieben Tage fortgesetzt werden. Die frühzeitige Verabreichung von Antibiotika mit einem breiten gramnegativen Wirkspektrum kann bei Patienten mit Leberzirrhose unter der akuten Varizenblutung das Auftreten von klinisch relevanten bakteriellen Infektionen verhindern. Zur Anwendung kommen zum Beispiel Ceftriaxon oder Ciprofloxacin [2, 6].

Eine notwendige endoskopische Diagnostik und Therapie soll bei akuter gastrointestinaler Blutung unabhängig von vorliegenden Laborwerten begonnen werden. Die Beurteilung des Blutungsrisikos bei Patienten mit chronischer Lebererkrankung und hepatischer Koagulopathie sollte deshalb zunächst auf Grundlage von anamnestischen und klinischen Daten erfolgen. Leberzirrhosepatienten haben generell ein erhöhtes Blutungsrisiko. Es konnte bisher allerdings kein Nutzen einer Korrektur dieses Risikos nachgewiesen werden. Wahrscheinlich wird das Blutungsrisiko von Zirrhosepatienten durch die portale Hypertension, eine endotheliale Dysfunktion oder auch durch die Einschwemmung Heparin-ähnlicher Substanzen bei bakteriellen Infektionen oder Niereninsuffizienz beeinflusst [5].

Primär- und Sekundärprophylaxe

In der allgemeinmedizinischen Praxis stellt sich immer wieder die Frage, wie man die erste Varizenblutung bei Patienten mit Leberzirrhose verhindern kann (Primärprophylaxe). Zunächst einmal sollte jeder Patient mit der Erstdiagnose einer Leberzirrhose zum Varizenscreening eine Gastroskopie erhalten. Je nach Vorhandensein von Varizen und der Aktivität der Leberzirrhose sollte in einem Abstand von ein bis drei Jahren die Gastroskopie wiederholt werden. Auch zum Zeitpunkt einer Dekompensation der Leberzirrhose (z. B. Enzephalopathie, Aszites) sollte eine Gastroskopie durchgeführt werden (vgl. Tabelle 2).

Waren in der Indexgastroskopie bei Zirrhosepatienten keine Varizen nachweisbar, so soll keine spezifische Therapie zur Verhinderung einer Varizenentstehung erfolgen. Bei Patienten mit kleinen Varizen und Nachweis von endoskopischen Blutungszeichen (sogenannte red spots oder red markings) oder bei Patienten im Child-Pugh-Stadium C sowie wie bei Patienten mit großen Varizen (über 5 mm) sollte eine Primärprophylaxe erfolgen [5].

Medikamentöse Therapie

Für die Verhinderung einer Ösophagusvarizenblutung kommen sowohl endoskopische als auch medikamentöse Therapieformen in Betracht. Die medikamentöse Therapie sollte immer durch einen nicht-selektiven Betablocker erfolgen. Hier können sowohl Nadolol (unselektiver Betablocker mit einer Halbwertszeit von ca. 20 Stunden), Carvedilol (unselektiver Betablocker mit zusätzlicher Wirkung als Alphablocker und Vasodilatator) als auch Propranolol oder Timolol eingesetzt werden.

Die endoskopische Therapie besteht in der Ligatur der Ösophagusvarizen. In einer Meta-analyse [3] mit über 1.800 Patienten aus 20 Studien wurden 931 Patienten unter Propranolol-Therapie mit 928 Kontroll-Patienten verglichen. Das gepoolte Risiko für eine Blutung und auch die Mortalität waren bei Patienten unter Propranolol-Therapie in der Primärprophylaxe signifikant geringer als in der Kontrollgruppe. In einer neueren Studie [7] sprach ein erheblicher Teil der Patienten, die nicht auf eine Pro-pranolol-Therapie angesprochen hatten, auf eine Carvedilol-Therapie an. Auch bei Patienten mit Aszites oder therapieresistentem refraktären Aszites sollte eine Primärprophylaxe empfohlen werden. Das Ziel der Primärprophylaxe ist es, den portalen Druck auf unter 12 mmHg zu senken oder zumindest eine Reduktion um 10 % zu erreichen. Der Therapieerfolg ist in der Praxis häufig schwer zu evaluieren. Es wird daher empfohlen, die maximal tolerierbare Betablocker-Dosis (d. h. eine Senkung der Herzfrequenz auf 50 – 55/min) bzw. die maximale Dosis von Propranolol (320 mg/Tag) bzw. Carvedilol (12,5 – 25 mg/Tag) einzusetzen [5].

Endoskopische Therapie

Bei Versagen der medikamentösen Therapie oder Unverträglichkeit von Betablockern kann eine endoskopische Behandlung von blutungsgefährdeten Varizen empfohlen werden. Auf eine Kombination von medikamentöser und endoskopischer Therapie sollte in der Primärprophylaxe verzichtet werden [5].

Die Portaldruck-senkende Therapie kann auch bei Patienten mit einer ausgeprägten portalen hypertensiven Gastropathie durchgeführt werden. Eine therapeutische Besonderheit bei Blutungen im Rahmen einer portalen Hypertension ist der Therapiestart verschiedener medikamentöser Regime bereits bei vermuteter Blutung. Die medikamentöse vasoaktive Therapie sollte demnach bereits bei vermuteter Varizenblutung gestartet und während der endoskopischen Erstuntersuchung fortgeführt werden. Die endoskopische Therapie sollte allerdings nach Einleitung der medikamentösen Therapie auch durchgeführt werden. Die Notfallendoskopie sollte so zeitnah wie möglich erfolgen, wobei nach internationalen Maßstäben 12 Stunden als Zeitgrenze angesehen werden [5].

Die maximale medikamentöse Therapiedauer für Vasopressin-Analoga beträgt bei allen drei Präparaten fünf Tage. Die bevorzugte Methode für die endoskopischen Blutstillungsverfahren ist die Varizenligatur. Bei primärem Versagen der endoskopischen Therapie erfolgen die weiteren Maßnahmen (z. B. TIPS, Stent) während des stationären Aufenthaltes. Als Sekundärversagen ist die erneute Varizenblutung mindestens fünf Tage nach der initialen Blutstillung definiert. Das Sekundärversagen sollte in der akuten Phase genauso wie die initiale Blutung therapiert werden. Röntgenunterstützte Verfahren – wie die Embolisation von Varizen – können bei Versagen der Ligatur ebenfalls eingesetzt werden [5].

In der Sekundärprophylaxe wird anders als in der Primärprophylaxe eine Kombinationstherapie aus nicht-selektiver Betablockade und einer Gummibandligatur durchgeführt. Kann eine Kombinationstherapie, aus welchen Gründen auch immer, noch nicht erfolgen, hat man die Wahl zwischen einer Monotherapie mit einem nicht-selektiven Betablocker, der Gummibandligatur oder auch der Versorgung mit einem TIPS. Die einmalige Carvedilol-Gabe pro Tag stellt dabei eine wirksame Alternative zu anderen nicht-selektiven Betablockern wie z. B. Propranolol dar.

Wann ist eine Second-look-Endoskopie indiziert?

Eine frühe elektive Kontrollendoskopie, z. B. innerhalb von 72 Stunden nach gastrointestinaler Blutung, soll nicht regelhaft durchgeführt werden. Sie kann aber im Einzelfall bei Risikofaktoren angeordnet werden.


Literatur
1) Brown MR, Jones G, Nash KL Wright M, Guha IN (2010) Antibiotic prophylaxis in variceal hemorrhage: timing, effectiveness and Clostridium difficile rates. World Journal of Gastroenterology 16:5317-5323
2) Carbonell N, Pauwels A, Serfaty L, Fourdan O, Lévy VG, Poupon R (2004) Improved survival after variceal bleeding in patients with cirrhosis over the past two decades. Hepatology 40:652-659
3) D´Amico G, Pasta L, Morabito A, D‘Amico M, Caltagirone M, Malizia G, Tinè F, Giannuoli G, Traina M, Vizzini G, Politi F, Luca A, Virdone R, Licata A, Pagliaro L (2014) Competing risks and prognostic stages of cirrhosis: a 25-year inception cohort study of 494 patients. Alimentary Pharmacology & Therapeutics 39:1180-1193
4) Götz M, Anders M, Biecker E, Bojarski C, Braun G, Brechmann T, Dechêne A, Dollinger M, Gawaz M, Kiesslich R, Schilling D, Tacke F, Zipprich A, Trebicka J, Authors; Collaborators (2017) S2k Guideline Gastrointestinal Bleeding – Guideline of the German Society of Gastroenterology DGVS. Z Gastroenterol 55:883-936
5) Hou MC, Lin HC, Liu TT, Kuo BI, Lee FY, Chang FY, Lee SD (2004) Antibiotic prophylaxis after endoscopic therapy prevents rebleeding in acute variceal hemorrhage: a randomized trial. Hepatology 39:746-753
6) Reiberger T, Ulbrich G, Ferlitsch A, Payer BA, Schwabl P, Pinter M, Heinisch BB, Trauner M, Kramer L, Peck-Radosavljevic M, Vienna Hepatic Hemodynamic Lab (2013) Carvedilol for primary prophylaxis of variceal bleeding in cirrhotic patients with haemodynamic non-response to propranolol. Gut 62:1634-1641
7) Sauerbruch T, Mengel M, Dollinger M, Zipprich A, Rössle M, Panther E, Wiest R, Caca K, Hoffmeister A, Lutz H, Schoo R, Lorenzen H, Trebicka J, Appenrodt B, Schepke M, Fimmers R, German Study Group for Prophylaxis of Variceal Rebleeding (2015) Prevention of Rebleeding From Esophageal Varices in Patients With Cirrhosis Receiving Small-Diameter Stents Versus Hemodynamically Controlled Medical Therapy. Gastroenterology 149:660-668



Autor:

Univ.-Prof. Dr. med. Elke Roeb, MHAC

Gastroenterologie, Medizinische Klinik II
Justus-Liebig-Universität Gießen
35392 Gießen

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (18) Seite 54-58