Was hat die Berufs- und Gesundheitspolitik im Jahr 2018 bewegt, welche Entwicklungen wurden angestoßen und welche Auswirkungen haben diese auf die niedergelassenen Ärzte oder werden sie noch haben? Wenn wir die vergangenen 12 Monate Revue passieren lassen, fällt schnell auf, dass von staatlicher Seite immer öfter bis in die Praxisorganisation hineinregiert wird. Vor allem die Digitalisierung und die Telematikinfrastruktur haben für Wirbel gesorgt. Aber auch die Idee eines Primärarztsystems fand neue Befürworter.

Was die Gesundheitspolitik betraf, begann das Jahr 2018 unsicher. Zwar hatten sich CDU/CSU und SPD im Januar in Sondierungsgesprächen auf weitere Koalitionsverhandlungen geeinigt. Ein Knackpunkt war von Beginn an die Forderung der SPD nach dem Einstieg in eine Bürgerversicherung, die von CDU/CSU in der Sondierungsphase strikt abgelehnt wurde. Dennoch wollte die SPD weiter darüber verhandeln, sehr zum Missvergnügen der meisten Ärzteverbände, die durch eine Abschaffung der Privaten Krankenversicherung (PKV) drastische Honorareinbußen befürchteten. Lediglich der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV), und namentlich dessen Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt, gab sich beim Thema Bürgerversicherung recht gelassen. Für die Hausärzte und ihre Patienten gebe es eine Vielzahl weiterer wichtiger Themen.

Masterplan liegt immer noch auf Eis
Ein noch nicht gelöstes Problem ist der Masterplan Medizinstudium 2020, mit dem die Allgemeinmedizin an den Hochschulen mehr in den Vordergrund gerückt werden sollte und der dazu beitragen sollte, dass mehr junge Ärzte sich für den Hausarztberuf interessieren und diesen dann auch ergreifen. Schon etwa ein Jahr zuvor gegen den erbitterten Widerstand der Medizinstudierenden durchgesetzt und beschlossen, liegt dieser Plan immer noch quasi auf Eis, unter anderem deshalb, weil Bund und Länder sich noch nicht über die Finanzierung einigen konnten. Auch zum Jahresende hat sich an dieser Situation noch nichts geändert.

Sprechende Medizin soll gefördert werden

Währenddessen gingen die Parteien in die Koalitionsverhandlungen. Deren Ergebnisse stießen bei Ärzteverbänden auf ein unterschiedliches Echo. Lob kam vom DHÄV, weil die Große Koalition die hausärztliche Versorgung und die "sprechende Medizin" besser vergüten will. Kritik gab es allerdings für die geplante Erhöhung des Mindestsprechstundenangebots von 20 auf 25 Stunden/Woche. Dies sei ein unnötiges bürokratisches Regularium und ein negatives Signal für den hausärztlichen Nachwuchs. Unter niedergelassenen Hausärzten sorgte dieser Plan aber eher für wenig Aufregung. Denn die meisten arbeiten ohnehin rund 50 Stunden oder mehr pro Woche.

Spahn macht Druck

Mit dem CDU-Politiker Jens Spahn wurde dann im März ein erfahrener Gesundheitspolitiker zum Nachfolger von Hermann Gröhe an die Spitze des Bundesministeriums für Gesundheit berufen. Noch vor seinem Amtsantritt kündigte er an, dass er die Kluft bei der Behandlung von privat und gesetzlich Versicherten verkleinern wolle. Privat und gesetzlich Versicherte müssen in Zukunft gleich schnell einen Arzttermin bekommen können, gab er als Ziel aus. In einem ersten Schritt sollten die Terminservicestellen weiter ausgebaut werden, damit Patienten einen Ansprechpartner hätten. Und man müsse, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, über die Vergütungen der Ärzte für Kassenpatienten sprechen.

Die Videosprechstunde kommt

Spahn gilt als ausgewiesener Befürworter der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Insofern wird er es mit Freude gesehen haben, dass zumindest in Baden-Württemberg die Tests für die Einführung der Videosprechstunde zügig voranschritten. Die dortige Landesärztekammer hatte gerade ein weiteres Modellprojekt zur ausschließlichen ärztlichen Fernbehandlung genehmigt.

Mit Spannung erwartet wurde der 121. Deutsche Ärztetag in Erfurt. Wie würde er über das Fernbehandlungsverbot entscheiden? Und wie wird sich die Ärzteschaft zu Gesundheitsminister Spahn und seinen Ideen positionieren? Für Jens Spahn war es der erste Auftritt als Minister bei einem Deutschen Ärztetag. Dass er dafür bekannt ist, die Konfrontation nicht zu scheuen, konnte er gleich bei der Eröffnungsveranstaltung bestätigen. So bekräftigte er seine Auffassung, dass er die von vielen GKV-Versicherten als zu lang empfundenen Wartezeiten auf einen Arzttermin nicht nur für ein "gefühltes Problem" hält. Er glaube zwar, dass die meisten Ärzte keinen Unterschied zwischen privat und gesetzlich krankenversicherten Patienten machen würden, aber das gelte eben nicht für alle. Und deshalb werde er an den Plänen festhalten, dem Wartezeitenpro-
blem mit einer Ausweitung der Mindestsprechstundenzeiten von 20 auf 25 Stunden wöchentlich und einem Ausbau der Terminservicestellen entgegenzuwirken. Immerhin gestand er zu: Die Mehrarbeit müsse auch gut vergütet werden.

Fernbehandlung wird möglich

Dass das Verbot einer Fernbehandlung gelockert werden würde, hatte sich schon vor dem Ärztetag angedeutet. Einige Landesärztekammern waren bereits vorgeprescht. In der überarbeiteten (Muster-)Weiterbildungsordnung heißt es nun: "Ärzte beraten und behandeln Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird."

Telematikinfrastruktur
Ein zentraler Streitpunkt, der die Praxen schon seit Anfang des Jahres (und wohl auch über das Jahresende hinaus) beschäftigt, ist die Telematik-infrastruktur (TI). Sie soll alle Beteiligten im Gesundheitswesen wie Ärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser, Apotheken, Krankenkassen miteinander vernetzen. Die Online-Kommunikation der einzelnen Akteure – wie elektronische Arztbriefe oder Telekonsile – soll nur noch über die TI laufen.

So weit, so gut. Doch die Frage ist: Wann soll es mit der TI losgehen und wer übernimmt die Kosten? Im E-Health-Gesetz steht es ganz konkret: Ab einem bestimmten Datum müssen alle Praxen an die TI angeschlossen sein und als erste Anwendung das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) durchführen können. Können sie das nicht, wird Vertragsärzten das Honorar um 1 % gekürzt. Den im Gesetz genannten Termin musste der Gesetzgeber jedoch immer wieder verschieben, weil es fortwährend zu Verzögerungen bei der Bereitstellung der notwendigen Technik gekommen war.

Zum Ende des Jahres wurde nun ein weiterer Antrag zur Fristverlängerung verabschiedet. Dieser besagt, dass bis zum 30. Juni 2019 keine Honorarkürzungen erfolgen sollen. Ärzte und Psychotherapeuten müssen die notwendigen Komponenten für den Anschluss an die TI allerdings bis spätestens 31. März nächsten Jahres verbindlich bestellen und dies gegenüber ihrer Kassenärztlichen Vereinigung nachweisen. Der Online-Abgleich der Versichertendaten auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ist für alle anderen Praxen weiterhin ab 1. Januar 2019 Pflicht.

Das Speichern der Notfalldaten auf der eGK, die elektronische Patientenakte und ein elektronisches Patientenfach werden als weitere Anwendungen folgen.


Der Ärztetag machte aber auch klar, dass digitale Techniken die ärztliche Tätigkeit nur unterstützen sollen. Sie dürften aber nicht die notwendige persönliche Zuwendung von Ärzten ersetzen. Der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt stelle weiterhin den "Goldstandard" ärztlichen Handelns dar. Die Krankschreibung per Telefon oder Videokonferenz bei unbekannten Patienten lehnten die Delegierten ebenso ab wie Verordnungen ausschließlich im Rahmen von Fernbehandlungen. Der Hausärzteverband reagierte umgehend und konstatierte, dass telemedizinische Angebote, wenn sie im Einzelfall richtig eingesetzt werden, die Versorgung sinnvoll ergänzen und Patienten sowie Ärzte entlasten können. Es brauche aber klare Regelungen, in welchen Fällen eine Fernbehandlung sinnvoll und möglich ist, stellte Hausärzte-Chef Ulrich Weigeldt in einer Stellungnahme fest. Gerade in der Hausarztpraxis würden ausschließliche Fernbehandlungen die Ausnahme bleiben.

Inzwischen ist das Modellprojekt zur Fernbehandlung in Baden-Württemberg auf das ganze Bundesland ausgeweitet worden, und auch vielen anderen Regionen hat man der Telemedizin grünes Licht gegeben.

Das TSVG wird zum Zankapfel

Wie beim Deutschen Ärztetag schon angekündigt, legte Gesundheitsminister Spahn im Spätsommer auch den entsprechenden Entwurf für sein Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vor. Durch das TSVG sollen gesetzlich Versicherte zum einen schneller Arzttermine bekommen, zum anderen sollen niedergelassene Ärzte verpflichtet werden, mehr Sprechstunden anzubieten. Dafür soll es dann auch mehr Geld geben, verspricht der Minister. Ärzte, die dabei helfen, die Versorgung zu verbessern, sollen höher und außerhalb des Budgets vergütet werden. Was zunächst ganz gut klingt, erntete bei Ärzteverbänden und Krankenkassen ein recht zwiespältiges Echo. Manche sprachen von mehr Schatten als Licht, viele befürchten einen weiteren Zuwachs an Bürokratie, aber es gab auch durchaus Zustimmung zu einigen Punkten.

Und was steht im Gesetz? Ärzte sollen mindestens 25 Stunden pro Woche Sprechstunden anbieten, wobei Hausbesuchszeiten angerechnet werden. Arztgruppen der unmittelbaren und wohnortnahen Versorgung sollen mindestens 5 Stunden pro Woche als offene Sprechstunde anbieten (ohne vorherige Terminvereinbarung). Ursprünglich sollte diese Regelung auch für Hausärzte gelten, doch diese Absicht wurde schon bald wieder zurückgenommen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) müssen im Internet über die Sprechstundenzeiten der Vertragsärzte informieren und außerdem sollen sie die Einhaltung der Mindestsprechstunden überwachen.

Zusätzliches Honorar wird versprochen

Das TSVG sieht vor, dass die Zusatzangebote ab Herbst 2019 z. B. extrabudgetär oder durch eine höhere Bewertung entlohnt werden. Das gilt z. B. für

  • die Vermittlung eines Facharzt-Termins durch einen Hausarzt;
  • die Behandlung von Patienten, die durch TSS vermittelt werden;
  • die Behandlung von neuen Patienten in der Praxis;
  • Leistungen, die in den offenen Sprechstundenzeiten erbracht werden;
  • Akut- und Notfälle während der Sprechstunden;
  • die Kommunikation zwischen Arzt und Patient (Sprechende Medizin);
  • Hausbesuche als anerkannte Praxisbesonderheit

Kompetente Weiterbildung
Beschlossen wurde auf dem Ärztetag mit großer Mehrheit die Gesamtnovelle der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO). Ziel ist eine kompetenzbasierte Weiterbildung, um so deren Qualität zu verbessern. "Inhalte statt Zeiten" lautet dabei das Motto, d. h. es soll nicht mehr darum gehen, wie oft und in welcher Zeit Inhalte erbracht wurden, sondern wie und in welcher Form Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben werden. Die erworbenen Kompetenzen werden künftig in vier Kategorien bescheinigt: Inhalte, die der Weiterzubildende zu beschreiben hat; Inhalte, die er systematisch einordnen und erklären soll, sowie Fertigkeiten, die er unter Supervision und solche, die er selbstverantwortlich durchführt. Außerdem haben die Abgeordneten über die Allgemeinen Inhalte der Weiterbildung entschieden, also die übergreifenden Kompetenzen, die jeder Arzt erwerben muss – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung je nach Fachgebiet. Mit dem Beschluss des 121. Deutschen Ärztetags 2018 in Erfurt hat eine Weiterbildungsreform ihren Abschluss gefunden, die 2012 in Nürnberg begann. Damals erteilte der Ärztetag den Weiterbildungsgremien der BÄK den Auftrag, eine kompetenzbasierte MWBO zu entwickeln. Tatsächlich hat die Bundesärztekammer die Weiterbildungs-Novelle noch kurz vor dem Jahresende 2018 dann auch beschlossen.

Mit der Verabschiedung der kompetenzbasierten Weiterbildungsordnung zeigte sich der DHÄV sehr zufrieden. Zumal man sich dafür eingesetzt hatte, dass der ambulante Abschnitt in der Hausarztpraxis eine noch größere Bedeutung erlangt. Denn: Hausärztliche Versorgung könne man nur in der Hausarztpraxis lernen, so DHÄV-Chef Weigeldt. Insgesamt erlaube die neue MWBO den jungen Kollegen eine praxisnahe Weiterbildung mit mehr Flexibilität und einen klaren Fokus auf den ganzheitlichen Ansatz der Hausärzte.

So sollen Patienten schneller Termine bekommen

  • Laut TSVG sollen Terminservicestellen (TSS) bereits ab April 2019 über die bundesweit einheitliche Notdienstnummer 116117 – 24 Stunden täglich, 7 Tage die Woche (24/7) – erreichbar sein.
  • Zudem sollen die TSS auch Termine zu Haus- und Kinderärzten vermitteln und Unterstützung bieten bei der Suche nach dauerhaft behandelnden Haus-, Kinder- und Jugendärzten.
  • In Akutfällen sollen Patienten auch während der Sprechstundenzeiten an Arztpraxen oder Notfallambulanzen vermittelt werden.
  • Außerdem sollen die TSS auch online, z. B. per App, erreichbar sein.

Politik wird übergriffig

So weit also der kurze Überblick über den Gesetzentwurf. Der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen sieht darin "ein bisschen Licht, aber auch viel Schatten". Dass für die ambulante Versorgung zusätzlich 600 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden sollen, zählt er dabei zu den positiven Aspekten. Aber dass man den Ärzten eine Mindestsprechstundenzahl von 25 Stunden vorschreiben will, sei ein "unerhörter Übergriff der Politik in die Freiberuflichkeit der niedergelassenen Ärzte". Darin war er sich einig mit dem DHÄV-Chef Ulrich Weigeldt. Die KBV lehnt diese Regelung wie auch die Einführung einer "offenen Sprechstunde" daher rundweg ab.

Auch aufseiten der Krankenkassen zeigt man sich eher skeptisch: Wenn offene Sprechstunden zukünftig höher vergütet würden als Terminsprechstunden, könne dies zu Fehlanreizen führen, mit der Folge, dass die Versicherten womöglich stundenlang in der Arztpraxis warten müssen, gibt vdek-Chefin Ulrike Elsner zu bedenken.

Erst die Umsetzung wird also zeigen, ob das TSVG für die Ärzte ein gutes oder ein schlechtes Gesetz ist. Außerdem muss der Gesetzentwurf noch etliche Beratungsrunden durchlaufen. Das endgültige Gesetz wird im Januar 2019 noch einmal beraten, und bis dahin versuchen alle Körperschaften und Verbände noch Einfluss darauf zu nehmen.

Auf dem Weg in ein Primärarztsystem?
Fast parallel zum Deutschen Ärztetag meldete sich die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) mit einem Positionspapier zu Wort, das sich für die Etablierung eines Primärarztsystems in Deutschland aussprach. Unser Gesundheitssystem werde den wachsenden Bedürfnissen der Patienten nicht mehr gerecht, wenn der Anteil und die Zahl von Alten, Kranken und Multimorbiden in der Bevölkerung erheblich ansteigt, postulierte die DEGAM. Bisher sei die Versorgungssituation in Deutschland von einer direkten und parallelen Inanspruchnahme von hausärztlichen Praxen und Spezialisten gekennzeichnet, von denen Letztere zumeist nur Erkrankungen/Beschwerden eines Organsystems behandeln würden. Das führe zu zunehmend langen Wartezeiten und berge die Gefahr von Informationsverlusten, so die Fachgesellschaft.

Hausärzte könnten dagegen den größten Teil aller Patientenanliegen ohne Informationsverluste, zeitnah, abschließend, in guter Qualität und mit einer sehr hohen Kosteneffektivität behandeln. Nur in 10 bis 20 % sei eine Überweisung bzw. Mitbehandlung durch Spezialisten in Klinik oder Praxis erforderlich. Die langjährige Kenntnis von Patienten erlaube es Hausärzten zudem, die Anliegen der Patienten richtig einzuordnen, Diagnostik und Therapie auf das notwendige Maß zu begrenzen und eine entsprechende Über- und Fehlversorgung zu vermeiden. Zugleich würde der Zugang zur Ressource Facharzt durch eine Fehl-Inanspruchnahme eingeschränkt.

Die DEGAM zeigt also einen möglichen Weg auf und liegt damit weitgehend auf einer Linie mit dem Hausärzteverband, auch wenn man dort bislang eher einem freiwilligen Primärarztsystem den Vorzug gibt.

Unterstützung erhielt die DEGAM durch den Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, kurz SVR. Der hatte sich schon länger zum Ziel gesetzt, Lösungsvorschläge für die offensichtlichen Probleme der Über-, Unter- und Fehlversorgung im Gesundheitswesen zu entwickeln. In ihrem Gutachten zur "Bedarfsgerechten Steuerung der Gesundheitsversorgung" sprechen sich die Gesundheitsweisen unter anderem dafür aus, dass die Allgemeinärzte eine zentrale Rolle spielen sollen. Sie sollen die Patientenwege besser koordinieren, als dies bisher geschieht. Dazu schlägt der SVR vor, die Modelle zur Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) auszuweiten, die vorsehen, dass immer zuerst der Hausarzt aufgesucht wird, der dann, wenn nötig, die Patienten gezielt weiterüberweist. Unterstützt werden könnte diese Lotsenfunktion noch dadurch, dass alle Krankenkassen dazu verpflichtet werden, einen vergünstigten Wahltarif für die Teilnahme an der HzV anzubieten, so der Sachverständigenrat.

Sollte dieser finanzielle Anreiz noch nicht ausreichen, um die Patienten in die gewünschte Richtung zu lenken, will der SVR noch einen Schritt weitergehen. So könnte über eine sogenannte Kontaktgebühr nachgedacht werden, die der Patient bei jedem Besuch eines Facharztes oder in der Notfallambulanz ohne Überweisung berappen müsste. Wie hoch diese ausfallen würde, müsse die Politik entscheiden.

Auch wenn der Begriff im SVR-Gutachten wohl aus politischen Gründen nicht explizit genannt wird, so klingt dies doch ganz danach, dass in Deutschland ein Primärarztsystem eingeführt werden solle. Und damit liegt der SVR mehr oder weniger auf einer Linie mit dem Deutschen Hausärzteverband (DHÄV), der sich in seiner HzV-Strategie bestätigt sah, wie auch mit der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM).



Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (21) Seite 30-36