Sexuell aktive Kinder und Jugendliche begegnen uns täglich in der Praxis. Immer wieder stellt sich hier die Frage: Ist das Mädchen zu jung? Wirklich reif genug? Einerseits ist es ärztliche Aufgabe, die Mädchen (und auch Jungen) vor sexuellen Übergriffen zu schützen, ihnen aber andererseits auch eine sichere und gesunde Möglichkeit zu geben, ihre eigenen sexuellen Erfahrungen zu machen. Der folgende Artikel soll einen kurzen Überblick über die gängigen Kontrazeptiva und deren Einsatz bei Kindern und Jugendlichen geben.

In einer Kontrazeption bei sehr jungen Mädchen sehen die einen einen "Freifahrschein" für "zu frühe Erfahrungen", die anderen einen notwendigen Schutz vor ungewollten Schwangerschaften [1]. Viele Mädchen kommen zur Erstvorstellung mit der Mutter in die Sprechstunde. Generell gilt: Man sollte Ruhe und Zeit einplanen. Eine gynäkologische Untersuchung ist beim Erstbesuch nicht notwendig, es sei denn, es sind Beschwerden vorhanden [7]. Auf jeden Fall sollte man eine gute Anamnese erheben. Wichtig sind hierbei: Menarche, Zyklus, Vorerkrankungen, Familienanamnese. Größe und Gewicht sollten gemessen und dokumentiert werden, ebenso wie die körperliche Entwicklung, am besten mit Hilfe der Tanner-Stadien. Natürlich sollte das Alter des Mädchens bedacht werden: Während es bei einer 16-Jährigen ohne Mutter unproblematisch ist, die Pille zu verschreiben, muss bei der 14- bis 16-Jährigen deren Reife beurteilt und bei unter 14-Jährigen die Erziehungsberechtigten mit einbezogen werden [12]. Hier lauern viele Fallstricke und es sind sicher immer Einzelfallentscheidungen [8].

Bei jeder Erstvorstellung sollte man eindringlich die Gefahr der sexuell übertragbaren Erkrankungen ansprechen, den Impfstatus überprüfen und die Anwendung von Kondomen erklären. Im besten Fall sollte das Mädchen zusätzlich zur Verhütung mittels Pille oder IUS auch ein Kondom verwenden – zum Schutz von beiden Partnern.

Hormonelle Antikonzeption

Eine Vielzahl verschiedener Präparate sind auf dem Markt. Grundsätzlich gilt: Je weniger Ös-trogen, desto geringer das Thromboserisiko, antiandrogene Gestagenkomponenten haben ein höheres Risiko für thromboembolische Ereignisse als Levonorgestrel [9]. Dennoch sollten aber mögliche Zusatznutzen wie z. B. bei der Therapie der Akne vulgaris mit in die Entscheidung einfließen. Das Risikoprofil jedes Jugendlichen sollte genauso wie bei Erwachsenen beachtet werden. Hier ist besonderes Augenmerk auf Adipositas und Nikotin zu richten [3].

Grundsätzlich wird unterschieden in Minipillen, Mikropillen und Phasenpräparate. Minipillen haben lediglich eine Gestagenkomponente und keine Östrogenkomponente. Vorteile sind sicher das niedrigere Thromboserisiko, Nachteile die fehlende Zyklussicherheit, der niedrigere Pearl-Index und ggf. der konsekutive Östrogenmangel. Da diese Pillen doch zeitlich relativ genau eingenommen werden sollten, sind sie für junge Mädchen oft schwierig in der Handhabung [4].

Mikropillen finden sich in einer Vielzahl von Kombinationen auf dem Markt. Allen ist eine Östrogen- und eine Gestagenkomponente gemeinsam. Antiabdrogene Gestagenkomponenten bewirken zwar einen großen Benefit für die Haut ("weniger Pickel"), bergen aber ein höheres Thromboserisiko sowie ggf. Libidoverlust. Levonorgestrel-haltige Pillen sind daher zurzeit das Mittel der ersten Wahl, wenn es nicht andere Zusatzindikationen wie z. B. die Akne gibt. Auch sollten junge Diabetikerinnen eher eine antiandrogene Pille verschrieben bekommen [5, 6, 10].

Phasenpillen sind sicher selten bei jungen Mädchen zu verschreiben und nicht das Mittel der ersten Wahl, da die Einnahme genau beachtet werden muss und das "Verschieben der Periode" nur eingeschränkt möglich ist.

Langwirksame Kontrazeptiva sind die drei bis fünf Jahre wirkenden IUS, die subkutanen Gestagendepots (Dreimonatsspritzen) und die subdermalen Implantate mit einer Wirkdauer von drei Jahren. Die Gestagendepots haben auch hier wieder das Problem der Östrogenmangelsituation und sollten nicht primär und nur bei besonderen Indikationen verordnet werden [11].

Interessanter und leider in Deutschland noch nicht etabliert sind die neuen IUS, die auch bei Nullipara und kleinem Uterus doch relativ einfach einzusetzen sind [2]. Vorteile sind die geringere Dysmenorrhoe und Blutungsstärke, Nachteile die Gefahr des Verrutschens und die Hautverschlechterung.

Pille danach

Mit dem Wegfall der Rezeptpflicht für die "Pille danach" sind zunehmend die Apotheker als Berater gefragt. Für Pillenanwenderinnen gilt grundsätzlich: Bei Vergessen in der ersten Einnahmewoche sollte zur Einnahme einer "Pille danach" geraten werden, Vergessen in der zweiten und dritten Woche bei sofortiger Einnahme einer Pille nach Bemerken führt normalerweise nicht zur Schwangerschaft. Nun sind sich aber viele junge Mädchen nicht sicher, ob sie vorher wirklich alles richtig eingenommen haben, sodass zur Verhinderung von Teenagerschwangerschaften hier doch großzügig die "Pille danach" eingenommen werden sollte.

Zurzeit sind zwei Präparate auf dem Markt: eines mit Levonorgestrel (LNG) und eines mit Ulipristalacetat. Letzteres hat die höhere Sicherheit, da es auch noch nach 72 Stunden eingenommen werden kann, ist aber deutlich teurer, was für junge Mädchen, die häufig alleine in die Apotheke kommen und die Pille vom Taschengeld bezahlen müssen, wichtig ist.


Literatur
1. Bundesamt S Schwangerschaftsabbrüche - Fachserie 12 Reihe 3 - 2014
2. Gemzell-Danielsson K, Buhling KJ, Dermout SM, Lukkari-Lax E, Montegriffo E, Apter D (2016) A Phase III, single-arm study of LNG-IUS 8, a low-dose levonorgestrel intrauterine contraceptive system (total content 13.5mg) in postmenarcheal adolescents. Contraception 93(6):507–512. doi:10.1016/j.contraception.2016.02.004
3. Individuelle Lösungen bei der Kontrazeption
4. Lidegaard Ø, Løkkegaard E, Svendsen AL, Agger C (2009) Hormonal contraception and risk of venous thromboembolism. National follow-up study. BMJ 339:b2890
5. Römer T, Göretzlehner G (2008) Kontrazeption mit OC in 111 Problemsituationen. Frauenärztliche Taschenbücher. de Gruyter, Berlin u.a.
6. Schäfer-Graf U (2012) Kontrazeption bei Frauen mit Diabetes. Diabetologe 8(4):321–331. doi:10.1007/s11428-011-0774-0
7. Spahni S, Schütz EE (2017) Antikonzeptionsberatung und sexuelle Aufklärung von Jugendlichen. Gynäkologische Endokrinologie 15(3):185–192. doi:10.1007/s10304-017-0144-0
8. Stellungnahme zu Rechtsfragen bei der Behandlung Minderjähriger. https://www.dggg.de/start/leitlinien-stellungnahmen/stellungnahmen/stellungnahme-zu-rechtsfragen-bei-der-behandlung-minderjaehriger-440/. Zugegriffen: 03. März 2018
9. Weill A, Dalichampt M, Raguideau F, Ricordeau P, Blotière P-O, Rudant J, Alla F, Zureik M (2016) Low dose oestrogen combined oral contraception and risk of pulmonary embolism, stroke, and myocardial infarction in five million French women. Cohort study. BMJ 353:i2002
10. Wherrett D, Huot C, Mitchell B, Pacaud D (2013) Type 1 diabetes in children and adolescents. Can J Diabetes 37 Suppl 1:S153-62. doi:10.1016/j.jcjd.2013.01.042
11. Wiegratz I, Thaler CJ (2011) Hormonal contraception--what kind, when, and for whom? Dtsch Arztebl Int 108(28-29):495-505; quiz 506. doi:10.3238/arztebl.2011.0495
12. Wulfert E (2013) Bei jungen Patienten lauern juristische Fallstricke. MMW - Fortschritte der Medizin 155(S1):14. doi:10.1007/s15006-013-0342-1



Autor:

Dr. med. Meike Schild-Suhren

Universitätsklinik für
Gynäkologie und Geburtshilfe
Klinikum Oldenburg AöR
26133 Oldenburg

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (10) Seite 50-52