Man kann sie als Kapsel oder Tablette einnehmen und sie hilft gegen Blähungen und Völlegefühl: die Artischocke. Die distelartige Heilpflanze, in der anregende Bitterstoffe stecken, schützt auch die Leber und fördert die Fettverdauung. Die Artischocke gilt deshalb als pflanzliches Mittel der Wahl bei Dyspepsie, vor allem bei Störungen des Leber-Galle-Systems.

Die als Arzneipflanze genutzte Artischocke Cynara cardunculus (Synonym: Cynara scolymus) stammt heute ausschließlich aus Kulturen in Deutschland sowie in Süd- und Südosteuropa. Die Heilpflanze verfügt über einen hohen Gehalt an Caffeoylchinasäuren und Flavonoiden. Die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe finden sich vor allem in den großen Blättern der bodenständigen Blattrosette. Als Droge werden sie getrocknet verwendet.

Drei Gruppen von Inhaltsstoffen

Artischockenblätter enthalten drei Gruppen wirksamkeitsbestimmender Inhaltsstoffe:
  1. Bis zu 1,45 % Caffeoylchinasäuren, insbesondere Chlorogensäure und Cynarin. Dieser Bitterstoff ist ur sprünglich nicht in den Blättern enthalten. Cynarin entsteht erst bei der Heißwasser-Extraktion der Blätter aus 1,5-O-Dicaffeoylchinasäure.
  2. Bis zu 1 % Flavonoide, darunter Luteolin-7-Glukosid, Scolymosid und Cynarosid.
  3. Der bittere Geschmack entsteht durch etwa 6 % Bitterstoff-Sesquiterpenlactone, vor allem durch Cynaropikrin.

Die Positiv-Monografie der Kommission E beim damaligen Bundesgesundheitsamt nennt für Artischockenblätter als Wirkung "choleretisch" (gallenflussfördernd) und als Indikation "dyspeptische Beschwerden", also Verdauungsprobleme.

Wirksames Prinzip: die Cholerese

Die Artischocke kann die Produktion und Sekretion der Gallenflüssigkeit (Cholerese) deutlich steigern. Dies gilt als ihr wesentliches Wirkprinzip. Die Heilpflanze wird deshalb zur Behandlung dyspeptischer Beschwerden eingesetzt.

Für den choleretischen Effekt sind die Caffeoylchinasäuren und Flavonoide verantwortlich. Die choleretische Wirkung setzt mild ein, erreicht nach etwa 30 Minuten ihren Höhepunkt und klingt nach einer Stunde wieder ab. Artischockenextrakt beseitigt Verdauungsstörungen wie Völlegefühl, Blähungen und leichte krampfartige Magen-Darm-Störungen, die auf einer mangelhaften Gallensekretion beruhen.

Der gesteigerte Gallenfluss fördert auch die Fettverdauung. Für die Artischocke lassen sich zudem spasmolytische und antiemetische Eigenschaften sowie eine Anregung der gesamten gastrointestinalen Motorik nachweisen. Sie unterstützen bei dyspeptischen Beschwerden den choleretischen Effekt der Artischocke.

Als Kontraindikationen gelten bekannte Allergien gegen Artischocken und andere Korbblütler sowie der Verschluss der Gallenwege. Bei Gallensteinleiden empfiehlt sich die enge Absprache zwischen Arzt und Patient. Weil die Wirkung von Artischocken-Präparaten nicht ausreichend untersucht ist, sollten sie nicht von Schwangeren – auch nicht in der Stillzeit – und zudem nicht von Kindern unter 12 Jahren eingenommen werden.

Studie belegt Wirksamkeit

Bei der funktionellen Dyspepsie (FD) lassen sich keine strukturellen Läsionen als Ursache der Symptome nachweisen. In Deutschland zeigen 20 bis 30 % der Menschen dieses Krankheitsbild. 60 bis 70 % der Betroffenen sind Frauen. Wie das pflanzliche Arzneimittel Hepar-SL® forte (heute als Hepar-SL® 320 mg im Handel) bei FD wirkt, hat eine Studie geprüft.

Das Phytopharmakon enthält je Kapsel 320 mg Artischockenextrakt mit einem Droge-Extrakt-Verhältnis von 4 – 6:1. Das Extraktionsmittel ist Wasser. Eine doppelblinde, randomisierte und plazebokontrollierte Multizenterstudie untersuchte 247 Patienten im Alter von 18 bis 75 Jahren [1]. Sie klagten über chronische oder rezidivierende Schmerzen beziehungsweise Beschwerden im Oberbauch, die als funktionelle Dyspepsie diagnostiziert wurden.

Vorherrschende Symptome waren Blähungen, Völle- und Druckgefühl oder Schmerzen von mindestens mittelschwerer Ausprägung. Als Ausschlusskriterien galten die Symptome des Reizdarms sowie die gleichzeitige Einnahme spezifischer Arzneimittel (PPI, H2-Antagonisten, Cholagoga, Prokinetika, NSAR, Theophyllin). Die Studie dauerte sechs Wochen. Untersuchungen der Patienten erfolgten vor Studienbeginn sowie nach zwei, vier und sechs Wochen.

Als Medikation erhielten die Patienten dreimal täglich eine Kapsel Artischockenextrakt oder Plazebo. Das Prüfmedikament als auch das Plazebo sind nach den GMP-Regeln hergestellt worden. Am Studienende zeigte die Auswertung einen Unterschied bezüglich der gesamten Ansprechbarkeit zwischen Verum und Plazebo von 15 %. In der Verumgruppe kam es ebenfalls zu einer signifikanten Besserung der Symptome wie Völlegefühl, frühes Sättigungsgefühl und Flatulenz. Außerdem berichteten die Patienten von einer deutlichen Steigerung ihrer Lebensqualität durch das Präparat, was sich in einer validierten Skala niederschlug.

Prüfärzte und Patienten bescheinigten dem Artischockenextrakt eine sehr gute Wirksamkeit und Verträglichkeit. 93,6 % der Patienten der Verumgruppe beurteilten das Artischockenpräparat nach sechs Wochen als sehr gut und gut verträglich. 75 % der Probanden bestätigten dem Phytopharmakon eine sehr gute bis gute Wirksamkeit. In weiteren Studien bewährte sich Hepar-SL® forte bei dyspeptischen Beschwerden, vor allem mit Übelkeit und Erbrechen beziehungsweise Appetitlosigkeit, sowie bei funktionellen Störungen der Gallenblase und der Gallenwege. Aber auch erhöhte Cholesterol- und Triglyceridwerte konnten in einer sechswöchigen Anwendungsbeobachtung durch das Phytopharmakon deutlich gesenkt werden.

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Literatur
1) Holtmann G, Adam B, Haag S, Collet W, Grünewald E, Windeck T. Wirksamkeit von Artischockenblatt-Extrakt bei der Behandlung von Patienten mit funktioneller Dyspepsie. Eine sechswöchige, plazebokontrollierte, doppelblinde Multizenterstudie. Phytotherapie 2004; Nr. 5: 13 – 16



Autor:

Ernst-Albert Meyer

Fachapotheker für Offizin-Pharmazie
und Medizin-Journalist
31840 Hessisch
Oldendorf

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (10) Seite 38-39