Wie sollte man vorgehen, wenn man bislang ungeimpfte Erwachsene gegen Pertussis impfen will? Der Impfstoff steht ja nur in Kombination mit Td bzw. Td-IPV zur Auffrischimpfung zur Verfügung, nicht zur Grundimmunisierung.

Zu dieser Frage nimmt die STIKO in ihren Empfehlungen konkret Stellung: Da ein monovalenter Pertussis-Impfstoff nicht mehr zur Verfügung steht, muss einer der Kombinationsimpfstoffe – Tdap-Kombinationsimpfstoff, bei entsprechender Indikation Tdap-IPV-Kombinationsimpfstoff – verwendet werden.

Alle Erwachsenen sollten die nächste fällige Td-Impfung einmalig als Tdap-Kombinationsimpfung erhalten. Damit richtet sich für die Mehrzahl der Erwachsenen der Zeitpunkt für die Pertussis-Auffrischimpfung nach dem Zeitpunkt der letzten Td-Impfung.

Bestimmte Personengruppen haben allerdings ein höheres Risiko, selbst an Pertussis zu erkranken und/oder die Infektion auf andere, insbesondere auf Säuglinge und Kinder, zu übertragen. Diese sollten unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Td-Impfung einmalig mit Tdap-Kombinationsimpfstoff gegen Pertussis geimpft werden, wenn die letzte Pertussisimpfung mehr als zehn Jahre zurückliegt.

Hierzu zählen:
  • Frauen im "gebärfähigen Alter"
  • enge Haushaltskontaktpersonen (Eltern, Geschwister) und Betreuer (z. B. Tagesmütter, Babysitter, ggf. Großeltern) eines Neugeborenen spätestens vier Wochen vor Geburt des Kindes
  • Personal im Gesundheitsdienst sowie in Gemeinschaftseinrichtungen

Für die Mütter Neugeborener gilt: "Erfolgte die Impfung nicht vor der Konzeption, sollte die Mutter bevorzugt in den ersten Tagen nach der Geburt des Kindes geimpft werden."

Für diese Personengruppen gilt die Empfehlung zur Impfung mit Tdap-Kombinationsimpfstoff unabhängig davon, ob ein Impfschutz gegen Tetanus und/oder Diphtherie besteht oder nicht.

Die Gefahr schwerer Nebenwirkungen durch "Überimpfen" bei kurz zurückliegender Td-Impfung besteht nicht. Die STIKO führt hierzu aus: "Bei bestehender Indikation zur Pertussis-Impfung kann auch kurz nach einer erfolgten Td-Impfung eine Impfung gegen Tdap durchgeführt werden. Für einen der Tdap-Impfstoffe konnte in einer Studie gezeigt werden, dass dieser bereits 1 Monat nach der letzten Td-Impfung verabreicht werden kann, ohne dass es zu vermehrten Nebenwirkungen kommt." (Vgl.auch Artikel dieser Serie zu "Lokalreaktionen".)

Zugelassene Impfstoffe

Die Erstimmunisierung gegen Pertussis von Personen mit unbekanntem Impfstatus und bisher Ungeimpften ab dem 4. Geburtstag ist mit folgenden Präparaten "zulassungskonform" möglich: Boostrix®, Covaxis®, TdaP-IMMUN®. TdaP-IMMUN® zählt trotz des großen "P" im Präparatenamen zu den Impfstoffen mit reduziertem Pertussis-Antigengehalt (ap).

Falls gleichzeitig ein Schutz gegen Poliomyelitis erforderlich ist, können folgende Tdap-IPV-Kombinationsimpfstoffe verwendet werden: Repevax® ab dem 3. Geburtstag und Boostrix-Polio® ab dem 4. Geburtstag. Eine obere Altersgrenze existiert bei den genannten Tdap- und Tdap-IPV-Impfstoffen nicht, das heißt: Auch Senioren können und sollen gegen Pertussis geimpft werden.

Die Liefersituation der Tdap- und Tdap-IPV- Impfstoffe stellt eine große Herausforderung dar, weil die Nachfrage nach azellulären Pertussis-Impfstoffen bzw. inaktivierten Polio-Impfstoffen weltweit gestiegen ist. Da die Produktionskapazitäten nicht so schnell angepasst werden können, wird diese Situation möglicherweise noch mehrere Jahre andauern.

Die Erfahrungen des Jahres 2015 haben gezeigt, dass Empfehlungen, bei Nicht-Verfügbarkeit bestimmter Impfstoffe auf andere Impfstoffe mit Pertussis-Komponente auszuweichen, nur kurzfristig Abhilfe schaffen und rasch zu Engpässen auch der Ausweichimpfstoffe führen. Auch waren neu ausgelieferte Impfstoff-Chargen mehrfach bereits nach wenigen Wochen bei Herstellern abverkauft.

Alternativen bei Lieferengpässen

Bei mangelnder Impfstoffverfügbarkeit empfiehlt die STIKO folgendes Vorgehen:
  • Wenn bei dringend erforderlicher Impfung ein für die jeweilige Indikation und das Alter zugelassener Impfstoff nicht verfügbar ist, sollte nach Ansicht der STIKO auf verfügbare Impfstoffe mit vergleichbarem Antigengehalt zurückgegriffen werden. Der Patient bzw. Sorgeberechtigte ist über die nichtzulassungskonforme Anwendung entsprechend aufzuklären. Dies gilt auch bei Erstimmunisierungen.
  • Verfügbarkeiten von Tdap- bzw. Td(ap)-IPV-Impfstoffen sollten möglichst in mehreren Lieferapotheken abgefragt werden, da diese oft von verschiedenen Großlieferanten versorgt werden.
  • Anstelle von Td(ap)-IPV-Impfstoff kann auch simultan mit Td(ap) und IPV geimpft werden.
  • Falls weder Tdap noch Tdap-IPV zur Verfügung stehen, kann bei dringender Impfindikation gegen Tetanus und/oder Diphtherie auch ein Td- bzw. Td-IPV-Impfstoff verwendet werden. Sobald Tdap bzw. Tdap-IPV wieder verfügbar sind, sollte die Pertussis-Nachholimpfung individuell erwogen werden.
  • Es gibt keine unzulässig großen Impfabstände. Jede Impfung zählt. Unterbrochene Impfserien können auch zu einem späteren Zeitpunkt komplettiert werden.
  • Für verschobene Impfungen sollte ein Recall-System eingerichtet werden, das bei Wiederverfügbarkeit von Impfstoffen an neue Impftermine erinnert.

Beispiel: Für die Zeit, in der aufgrund von Lieferengpässen die Verfügbarkeit von Tdap bzw. Td(ap)-IPV-Impfstoffen eingeschränkt ist, können also zum Beispiel auch Tdap-Impfstoffe, die nicht zur Erstimmunisierung zugelassen sind (z. B. Revaxis®), verwendet werden. Die Fachinformation zu Revaxis® führt hierzu aus: "Klinische Daten über die Gabe von Revaxis® bei Personen mit unvollständiger oder fehlender Grundimmunisierung gegen Tetanus, Diphtherie oder Poliomyelitis liegen nicht vor." Dieses Vorgehen ist also zwar "Off Label", aber "STIKO-konform". Der Patient oder seine Sorgeberechtigten sollen darüber aufgeklärt werden.


Literatur
1) Stellungnahme der Ständigen Impfkommission – Handlungsempfehlungen bei Nicht-Verfügbarkeit von Tdap- bzw. IPV-haltigen Impfstoffen, Epidemiologisches Bulletin Nr 14, 11. April 2016, DOI 10.17886/EpiBull-2016-021
2) Mitteilung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI), Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – 2016/2017, Epidemiologisches Bulletin Nr. 34, 29. August 2016 DOI 10. 17886/EpiBull-2016-051.4



Autor:

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Dr. Andreas H. Leischker, M.A.

Facharzt für Innere Medizin – Reisemedizin (DTG), Flugmedizinischer Sachverständiger
Gelbfieberimpfstation
Alexianer Krefeld GmbH
47918 Krefeld

Interessenkonflikte: Dr. Leischker hat Honorare/Reisekostenunterstützung von Pfizer, Novartis und Sanofi-Pasteur-MSD erhalten. Er ist Dozent und Mitglied der Akademie des Centrums für Reisemedizin (CRM) Düsseldorf



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (4) Seite 49-50