Die Leberzirrhose ist in Deutschland mit einer jährlichen Inzidenz von 25/100 000 eine häufige Erkrankung. Eine gestörte Hämodynamik der Leber führt zur portalen Hypertension und schließlich können sich Gefäßkollateralen ausbilden wie Ösophagusvarizen. Die Ösophagusvarizenblutung ist eine potenziell tödliche Komplikation der Leberzirrhose. Bei welchen Patienten und wie sollte nun nach Varizen gesucht werden? Wie kann man einer Blutung vorbeugen und welche Strategien gibt es, um nach einer stattgefundenen Blutung einem erneuten Blutungsereignis vorzubeugen?

Die Leberzirrhose ist eine schwerwiegende Erkrankung, bei der es zu vielgestaltigen Komplikationen kommen kann. Neben den diversen anderen zirrhoseassoziierten Morbiditäten stehen hämodynamische Komplikationen durch eine gestörte Zirkulation im Zentrum der Problematik des Zirrhose-Patienten. Bedingt durch den bindegewebigen Umbau der Leber kommt es zu einer Druckerhöhung im Pfortadersystem. Dieser portale Hypertonus zieht einen Anstieg des hydrostatischen Drucks in vorgeschalteten venösen Gefäßen nach sich - topographisch und klinisch relevant sind hier in erster Linie die Venen des Ösophagus sowie des Magens, die sich druckpassiv verhalten und sich durch ihre submuköse Lage in das Lumen des Ösophagus bzw. des Magens vorwölben. Es bilden sich die aufgrund ihres Blutungsrisikos gefürchteten Ösophagusvarizen bzw. seltener (Magen-)Fundusvarizen.

Blutungsrisiko endoskopisch abschätzen

Eine Einteilung bezüglich des Blutungsrisikos wird endoskopisch vorgenommen. Dabei beurteilt man die Ausdehnung der Varizen über das Schleimhautniveau des Ösophagus (unter maximaler Luft­insufflation) und das Vorhandensein von Risikoindikatoren wie rote Streifen („red colour signs“), erhabene kirschrote Flecken („cherry red spots“, vgl. Abb. 2) oder Blutbläschen (Abb. 3). Je höher der Varizengrad ist und je mehr Warnzeichen vorliegen, desto größer ist das Blutungsrisiko. Ca. 25 - 40 % der Patienten erleiden innerhalb von zwei Jahren nach Diagnosestellung eine Ösophagusvarizenblutung.

Varizen-Screening bei Leberzirrhose?

Jeder Patient mit der Erstdiagnose „Leberzirrhose“ sollte auf das Vorhandensein von Ösophagusvarizen untersucht werden. Letztlich ist mittels Endoskopie eine sichere Statuserhebung möglich. Zudem kann der Patient im Falle therapierelevanter Varizen sofort behandelt werden. Eine alleinige klinische Einschätzung anhand von sichtbaren Zeichen eines portalen Hypertonus, wie z. B. Kollateralen an der Bauchdecke (sogenanntes Caput medusae) oder Aszites, ist nicht ausreichend. Auch eine auf Laborwerten basierende Einschätzung lässt keine ausreichenden Rückschlüsse über den Varizenstatus zu. Im Falle eines negativen Varizenbefundes ist in der Regel eine endoskopische Kontrolle im Abstand von etwa zwei Jahren ausreichend.

Mit Betablockern Varizen vorbeugen?

Die Frage, ob durch eine gezielte medikamentöse Therapie das Auftreten von Ösophagusvarizen verhindert werden kann, war Gegenstand wissenschaftlicher Studien und muss nach gegenwärtigem Stand der Literatur verneint werden. In einer von Groszmann et al. 2005 im New England Journal of Medicine veröffentlichten plazebokontrollierten Studie konnte kein protektiver Effekt durch eine prophylaktische Einnahme von unselektiven Betablockern festgestellt werden. Eine medikamentöse Prä-Primärprävention existiert derzeit damit nicht.

Varizenblutung: Wie verhindern?

Im Falle endoskopisch nachweisbarer Ösophagusvarizen muss in jedem Fall eine engmaschigere Kontrolle und bei blutungsgefährdeten Varizen auch eine gezielte Therapie erfolgen. Erstgradige Varizen können meist verlaufskontrolliert werden, wenn sie nicht Risikoindikatoren (s. o.) aufweisen und damit eine Therapie erforderlich machen. Höhergradige Varizen (II° und III°) werden im Sinne einer Blutungsprävention therapiert. Die therapeutischen Möglichkeiten bestehen aus medikamentöser Therapie und endoskopischer Intervention.

Medikamentöse Prävention

Pharmakologisch besteht die Möglichkeit, durch Einnahme eines nichtselektiven Betablockers den Pfortaderhochdruck zu senken. Über eine Vasokonstriktion im Splanchnicus-Gebiet und Senkung des Herz-Zeit-Volumens kann eine effektive Reduktion des portosystemischen Druckgradienten erreicht werden. Vorteil dieser Methode ist die einfache Handhabung durch den Patienten selbst. Problematisch hingegen kann eine ungenügende Therapieadhärenz des Patienten sein: Bei unregelmäßiger Einnahme bzw. einer Unterdosierung droht eine Progression der Varizen mit entsprechender Blutungsgefahr. Insbesondere männliche Patienten leiden vielfach unter den Betablocker-assoziierten Nebenwirkungen wie erektile Dysfunktion. Daneben gilt es, die gängigen Anwendungsbeschränkungen und Kontraindikationen der (unselektiven) Betablocker wie COPD zu beachten. Weiterhin erfordert die individuelle Dosistitration z. B. des häufig verordneten Propranolols eine ärztliche Begleitung, um das Erreichen der Zieldosis sicherzustellen. Als klinisch praxistauglich hat sich eine Absenkung der Ruheherzfrequenz um ca. 25 % erwiesen, auf Werte unter 60/min sollte sie aber möglichst nicht fallen. In der Regel sind - bei gegebener allgemeiner Verträglichkeit - Dosen von 80 - 160 mg/Tag (verteilt auf zwei bis drei Einzeldosen) erforderlich. Unter optimaler Compliance des Patienten lässt sich die Wahrscheinlichkeit einer ersten Ösophagusvarizenblutung damit von 24 % auf 15 % pro Jahr senken.

Endoskopische Intervention

Die zweite Therapiemöglichkeit besteht in einer endoskopischen Behandlung der Varizen. Hierbei hat sich nach zahlreichen Studien seit den 1990er Jahren für die Ösophagusvarizen die Gummibandligatur (GBL) als Methode der Wahl etabliert. Dabei wird die Varize angesaugt und anschließend mittels eines dem Endoskop aufgesetzten Ligatursets ein Gummiband auf die Varizenbasis geschoben. Der Vorteil dieser Methode ist, dass der Patient außerhalb der Kon­trolltermine keinerlei Therapie unterliegt.

Je nach Ausprägung des Varizenbefundes sind meist mehrere Sitzungen im Abstand von vier bis sechs Wochen nötig. Nach Erreichen eines varizenfreien Ligaturergebnisses kann das Kontrollintervall auf sechs bis zwölf Monate ausdehnt werden. Die GBL ist wie jede endoskopische Prozedur risikobehaftet, insbesondere das (iatrogene) Blutungsrisiko ist hier zu erwähnen. Mit 2,6 % ist Letzteres jedoch als gering einzustufen.

In verschiedenen Studien wurde der Einsatz von unselektiven Betablockern versus GBL zur Blutungsprävention bei Ösophagusvarizen untersucht. In einer Metaanalyse von Tripathi et al. [9] zeigte sich keine statistisch signifikante Überlegenheit für eine der beiden Methoden. Im Falle einer schlechten Compliance, Nebenwirkungen unter Betablockern oder Kontraindikationen ist die GBL den Betablockern vorzuziehen. In jedem Fall sollte das Kontrollintervall auch bei einer vollständigen Varizenrückbildung unter Betablockern oder GBL nicht länger als zwölf Monate betragen.

Rezidivblutung vermeiden

Anders verhält sich das Vorgehen nach einer bereits stattgefundenen Varizenblutung. Nach dem Management der akuten Blutungssituation stehen engmaschige endoskopische Kontrollen mit dem Ziel einer Eradikation der Varizen im Zentrum der Therapie. Dies erfordert regelmäßige endoskopische Vorstellungen des Patienten in Ligatur-Bereitschaft. Der Patient muss also über eine eventuell nötige Ligaturbehandlung und deren methodenbedingte Risiken aufgeklärt werden. In vielen Zentren werden Patienten ferner nach erfolgter GBL für zumindest eine Nacht stationär nachbeobachtet.

Ligatur als Methode der Wahl

Für Ösophagusvarizen hat sich die GBL als endoskopische Methode der Wahl herauskristallisiert. Vergleichsstudien mit Injektionsverfahren wie der Sklerosierung mittels Polidocanol haben eine Überlegenheit der GBL gezeigt. Ein anderes Bild ergibt sich für die seltener auftretenden (Magen-)Fundusvarizen, die hier nicht diskutiert werden.

Eine 2008 in Annals of Internal Medicine veröffentlichte Metaanalyse untersuchte die Frage, ob eine Kombination aus endoskopischer Therapie (GBL) und medikamentöser Senkung des portalen Hypertonus (Betablocker) zu einer effektiveren Reduktion des Re-Blutungsrisikos führt als eine alleinige Ligaturbehandlung. Es wurden 18 Studien über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren einbezogen. Das Haupt­ergebnis ist, dass eine Kombinationstherapie aus Ligaturbehandlung und Betablocker zu einer signifikanten Reduktion des Re-Blutungsrisikos führt. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kam eine Metaanalyse, in der die Kombination aus Gummibandligatur plus Betablocker mit einer alleinigen Betablocker-Therapie verglichen wurde: Auch hier zeigte sich ein statistisch signifikant geringeres Risiko für ein erneutes Blutungsereignis unter der Kombinationstherapie.

Beiden Metaanalysen ist allerdings gemeinsam, dass eine Kombinationstherapie zwar das Risiko für eine Folgeblutung signifikant senkte, die Mortalität jedoch davon unbenommen blieb. Auch unter alleiniger Ligaturbehandlung oder alleiniger Betablocker-Medikation zeigte sich keine höhere Mortalität.

Eine Kombinationstherapie wird in der aktuellen Literatur daher kontrovers diskutiert, eine generelle Empfehlung besteht nicht.

Zusammenfassung

Jeder Patient mit der Diagnose „Leberzirrhose“ muss bereits bei Diagnosestellung endoskopisch auf das Vorhandensein von Ösophagusvarizen gescreent werden. Sind Varizen vorhanden, wird als Primärprophylaxe bis auf wenige Ausnahmen eine Therapie der Varizen angezeigt sein. Diese kann bei Patienten mit entsprechender Compliance und fehlenden Kontraindikationen mit unselektivem Betablocker erfolgen. Ansonsten ist die Gummibandligatur die Therapiemethode der Wahl.

Nach stattgefundener Blutung kann durch die konsequente Ligaturbehandlung - ggf. in Kombination mit Betablocker-Medikation - eine effektive Risikoreduktion für eine erneute Blutung erreicht werden. Abb. 4 illustriert schematisch das differenzialtherapeutische Vorgehen. Aufgrund der vielgestaltigen Organkomplikationen bei bestehender Leberzirrhose ist eine Betreuung dieser Patienten in einem Zentrum besonders wichtig.


Interessenkonflikte:
keine deklariert

PD Dr. med. Veit Gülberg


Kontakt:
PD Dr. med. Veit Gülberg
Dr. med. Matthias Pichler

Medizinische Klinik (Gastroenterologie)
Klinikum der Universität München, Campus Innenstadt
80337 München

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2010; 32 (7) Seite 38-40