Ungläubiges Kopfschütteln und Entsetzen löste bei den Delegierten des Hausärztetags in Bonn ein "Konsenspapier zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung" aus, das Anfang September in Nordrhein-Westfalen vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Ärztekammern sowie den gesetzlichen Krankenkassen in NRW vorgestellt worden war. Dessen Ziel ist es, den Quereinstieg z. B. von Klinik-Internisten in die Allgemeinmedizin zu fördern, um damit die Unterversorgung mit Hausärzten in einigen ländlichen Regionen zu beheben.

Eigentlich sollte dies eine gute Nachricht sein, doch beim Bundesverband der deutschen Hausärzte kam sie gar nicht gut an. Und das liegt an den Modalitäten für den Quereinstieg. Denn dem Konsensuspapier zufolge sollen zukünftig Ärztinnen und Ärzte, die bisher ausschließlich im Krankenhaus tätig waren, nach nur 12 Monaten in der ambulanten Weiterbildung den Facharzt für Allgemeinmedizin erwerben und hausärztlich tätig sein können. In dieser Zeit sollen sie monatlich rund 9.000 Euro erhalten.

Beim Hausärztetag in Bonn bezeichnet der Bundesvorsitzende des DHÄV Ulrich Weigeldt dies als ein abenteuerliches Programm. Denn man gehe hier zum einen von der falschen Annahme aus, dass es in den Krankenhäusern Internisten gibt, die "allgemein" und nicht in einem der verschiedenen internistischen Spezialfächer tätig sind. Diese sollen dann ohne Erfahrung in der ambulanten Medizin innerhalb nur eines Jahres für die hausärztliche Versorgung fit gemacht werden. Junge Kolleginnen und Kollegen in der regulären Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin sind hingegen verpflichtet, mindestens 24 Monate in einer hausärztlichen Weiterbildungspraxis zu absolvieren. Dafür erhalten sie dann allerdings nur eine Förderung in Höhe von 4.800 bis 5.300 Euro monatlich und nicht wie in dem Konsenspapier vorgesehen 9.000 Euro.

Zweifelsohne seien die Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern für ihre Arbeit bestens qualifiziert, konstatierte Weigeldt, trotzdem könne der Titel des Facharztes für Allgemeinmedizin nicht im Schnellverfahren vergeben werden, denn hierfür seien ganz andere Kompetenzen gefragt.

Fatal sei dieses Programm aber auch, weil hier falsche Signale gesendet würden: Schließlich hatte der Deutsche Ärztetag mit großer Mehrheit den Beschluss bestätigt, dass alle zukünftigen Fachärzte für Allgemeinmedizin eine 2-jährige Praxisweiterbildung bei einem Allgemeinarzt durchlaufen müssen. Diese Regelung müsse aber noch in allen Landesärztekammern in der Weiterbildungsordnung verankert werden, damit es keinen Flickenteppich der Weiterbildung in Deutschland gibt. Das werde durch das Konsenspapier nun jedoch konterkariert, so Weigeldt. Mittelfristig würden die beschlossenen Maßnahmen der Attraktivität der Allgemeinmedizin eher schaden, statt sie zu stärken, fürchtet der Hausärzte-Chef. Gerade bei jungen Kolleginnen und Kollegen könne so der Eindruck entstehen, dass man in nur 12 Monaten zur Allgemeinärztin oder zum Allgemeinarzt werden kann.



Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (18) Seite 34