Die "Fünfte Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Ärzte" ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten und bringt einige wesentliche Änderungen bei der Abrechnung der Leichenschau.

Zum einen wird die Honorierung deutlich erhöht (mit stringenten Zeitvorgaben), zum anderen wird jetzt explizit die Abrechnung der Besuchsziffer GOÄ 50 neben den Leichenschauziffern 100 und 101 ausgeschlossen. Neben der bisher bereits möglichen Wegegebühr können aber jetzt die Unzeiten-Besuchszuschläge nach den Ziffern F bis H angesetzt werden (nicht aber der Eilzuschlag "E", beispielsweise für das Aufsuchen der Leiche aus einer Sprechstunde heraus). Die Honorare sind nur mit dem Einfachsatz abzurechnen, können also nicht gesteigert werden.

Folgende Ziffern beinhaltet die Neuerung:

  • GOÄ-Ziffer 100 – Untersuchung eines Toten und Ausstellen einer vorläufigen Todesbescheinigung, mindestens 20 Minuten Dauer: 110,51 € ("vorläufige Leichenschau")
  • GOÄ-Ziffer 101 – Untersuchung eines Toten und Ausstellung einer Todesbescheinigung, mindestens 40 Minuten Dauer: 165,77 € ("eingehende Leichenschau")
  • GOÄ-Ziffer 102 – Zuschlag zu den Leistungen 100 und 101 bei einer dem Arzt unbekannten Leiche oder besonderen Umständen, zusätzlich mindestens 10 Minuten Dauer: 27,63 €

Eine weitere Bestimmung verkompliziert die Abrechnung: Werden die angegebenen Zeiten bei den Ziffern 100 (mindestens 20 Minuten) und 101 (mindestens 40 Minuten) unterschritten, können nur 60 % der Gebühr abgerechnet werden. Allerdings ist hierfür wiederum eine Mindestzeit erforderlich – 10 Minuten bei der Ziffer 100 und 20 Minuten bei der Ziffer 101.

Zur Erinnerung: Die „Unzeiten-Zuschläge“
Die Unzeiten-Zuschläge sind mit dem einfachen Gebührensatz anzusetzen, der Zuschlag H ist neben den beiden anderen Zuschlägen zu den genannten Zeiten möglich:
  • F – Zeit von 20–22 Uhr und von 06–08 Uhr: 15,15 €
  • G – Zeit von 22–06 Uhr: 26,23 €
  • H – Zuschlag am ­Samstag, Sonntag, Feiertag: 19,82 €

Die GOÄ-Ziffer 100 ("vorläufige Todesbescheinigung") dürfte in der hausärztlichen Versorgung keine große Rolle spielen. Sie ist vorgesehen für Fälle, in denen "der zur Leichenschau zugezogene Arzt zur Behandlung von Notfällen eingeteilt (Notarzt, Notfallarzt)" ist und "die verstorbene Person vorher nicht behandelt hat", wie es in § 3 Satz 4 der Bayerischen Bestattungsverordnung heißt. In der Regel dürfte dies auf den Notarzt zutreffen, der akut gerufen wurde und eventuell nach frustraner Reanimation den Tod feststellt, aber zum nächsten Notfall gerufen wird, so dass für die ausführliche Leichenschau und Dokumentation keine Zeit verbleibt.

Tipp:
Die Materialkosten für den Bezug der Formulare sind laut Legende nicht in der Leistung enthalten, daher also ansetzbar als Sachkosten. 1,80 € dürften hier zutreffen (je nach Bezugsquelle). Da das „Ausstellen einer Todesbescheinigung“ Teil der Legende ist, kann neben der Leichenschauziffer auch nicht – wie früher gelegentlich vorgeschlagen – die Ziffer 75 („kurze Bescheinigung“) angesetzt werden.

Der Hausarzt kann sich den Zeitpunkt der Leichenschau in der Regel so einteilen, dass er Zeit für die ausführliche Leichenschau (Ziffer 101) hat. Auch im Bereitschaftsdienst wird er selten zu solch dringlichen Fällen geschickt, die keine Zeit für die Durchführung der ausführlichen Leichenschau lassen. Jedoch dürften hier eher auch Einsätze bei verstorbenen Personen anfallen, die dem Arzt nicht bekannt waren, und dadurch der Ansatz der Zuschlagsziffer 102 möglich werden.

KOMMENTAR: Neue Leichenschauabrechnung – aus der Sicht eines Hausarztes
Klar und eindeutig ist nun ab 1. Januar 2020 geregelt, dass neben der Leichenschau keine Besuchsgebühr abgerechnet werden kann. Die redaktionelle Nachlässigkeit der GOÄ, die neben der alten Leichenschauziffer 100 wörtlich nur die Abrechnung der Wegegebühr erlaubte, sorgte für jahrzehntelange Diskussionen, ob die Hausbesuchs-Ziffer 50 daneben möglich sei. Für die einen (meist Juristen und/oder Mitarbeiter von Behörden und Institutionen) hieß dies, dass eine Abrechnung des Besuches nicht möglich war, da sie nicht erwähnt wurde. Die anderen, insbesondere Vertreter der Berufsverbände, sahen es als selbstverständlich an, einen durchgeführten Besuch auch abzurechnen. Vielerlei wurde hier geschrieben, bis zum Abrechnungsbetrug reichten die Vorwürfe derer, die am Buchstaben klebten und die Ziffer 50 hier nicht für angebracht hielten.

Der einzig vernünftige Vorschlag, den schon der alte FDA (Fachverband Deutscher Allgemeinärzte) bei der Bundesärztekammer vorgebracht hatte, eine Analogziffer "A50 – Aufsuchen einer Leiche zum Zweck der Leichenschau" einzuführen, die alle Probleme beseitigt hätte, wurde nie aufgegriffen.

Jetzt ist alles neu. Eindeutig steht geschrieben, dass neben der neuen Leichenschauziffer 101 ein Besuch nicht abgerechnet werden kann. Als Ausgleich wurde dafür die Vergütung der Leichenschau von 35,32 € (GOÄ 100 – 2,3-facher Satz) heraufgesetzt auf den nicht steigerbaren Betrag von 165,77 € (GOÄ 101). Und bei einer dem Arzt unbekannten Leiche gibt es noch einmal 27,63 € drauf (GOÄ 102 – nicht steigerbar).

Der Wermutstropfen dabei ist eine strenge Zeitvorgabe. Eine Mindestzeit ist vorgegeben – 40 Minuten für die Leichenschau. Gewiss, Sorgfalt ist hier vonnöten. Aber sind 40 Minuten bei einem Patienten, den man viele Jahre betreut hat, immer notwendig? Braucht man weniger lang, aber immer noch 20 Minuten Mindestzeit, darf man nur noch 60 % der Honorarsumme ansetzen.

Muss man bei der Leichenschau jetzt die Stoppuhr mitlaufen lassen, um die Zeit zu kontrollieren? Die Angehörigen bekommen ja mit, wie lange der Doktor mit der Leiche allein im Zimmer ist. Oder verzichtet man auf sein Honorar, wenn man weniger als 20 Minuten braucht?

Wäre da nicht eine moderate Erhöhung des Leichenschauhonorars und die Einführung der Analogziffer für das Aufsuchen einer Leiche eine angemessene Lösung gewesen, die künftige Konflikte über die Dauer der Leichenschau vermieden hätte?

Dr. Gerhard Bawidamann



Autor:

Dr. med. Gerhard ­Bawidamann

Facharzt für Allgemeinmedizin
93 152 Nittendorf

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (1) Seite 58-59