In der Melanombehandlung und der medikamentösen Tumortherapie hat sich in den vergangenen zehn Jahren sehr viel verändert. Gut für die Melanompatienten: Ihre Prognose ist heute signifikant besser. Durch das rasante Tempo in der Krebsmedizin ist auch der Hausarzt ständig mit neuen Therapien, Arzneimittelkombinationen und Nebenwirkungsprofilen konfrontiert.

Kasuistik: Melanom als Zufallsbefund in der Praxis
Ein 48-jähriger Patient, der über schwere Beine klagt, stellt sich bei seinem Hausarzt vor. In der körperlichen Untersuchung zeigt sich neben deutlichen Zeichen der chronisch venösen Insuffizienz eine dunkelbraun-hellbraune, teils depigmentierte, scharf begrenzte, unregelmäßig konfigurierte Plaque an der rechten Wade (Abb. 1). Der Patient kann keine sichere Angabe zur Dauer des Bestehens der Hautveränderung machen.

Es folgt die Überweisung zum niedergelassenen Dermatologen bei dringendem Verdacht auf ein kutanes Melanom. Nach operativer Entfernung des Tumors (histologisch bestätigt sich ein Melanom, vertikale Tumordicke 2,2 mm, pT3a), Nachexzision mit 2 cm Sicherheitsabstand und Sentinel-Lymphknoten-Exstirpation in der Hautklinik wird das pathologische AJCC-Stadium mit IIA festgelegt.

Die Inzidenz des Melanoms steigt seit Jahren an. Auch künftig ist bei einer alternden Bevölkerung und aufgrund des seit Jahrzehnten praktizierten Lebensstils, der sich auch in einer vermehrten Sonnenexposition zeigt, von einer weiteren Zunahme auszugehen. Besteht der Verdacht auf ein Melanom, sollte dieses beim gesunden Patienten primär operativ entfernt und gegebenenfalls im Anschluss entsprechend der vertikalen Tumordicke nachexzidiert werden.

Bei einem In-situ-Melanom (bei dem die Basalmembran noch nicht überschritten wurde) ist – entsprechend den aktuellen Leitlinien – eine komplette Exzision mit histologischer Schnitt-randkontrolle ausreichend. Im klinischen Alltag kann die operative Entfernung mit einem Sicherheitsabstand von wenigen Millimetern einfacher durchführbar sein [3]. Dickere Tumoren sollten mit einem Sicherheitsabstand von
1 cm (Tumordicke bis 2 mm) beziehungsweise 2 cm (Tumordicke ≥ 2 mm) operiert werden. Die Tumordicke gilt weiterhin als wichtigster prognostischer Faktor [11].

Das therapeutische Vorgehen und die Nachsorge richten sich nach dem pathologischen Stadium des kutanen Melanoms laut American Joint Committee on Cancer (AJCC), das auf der entsprechenden TNM-Klassifikation basiert [6].

Ab einer Tumordicke von 1 mm (AJCC-Tumorstadium IB) soll eine Untersuchung von Sentinel- beziehungsweise Schildwächterlymphknoten, also der ersten regionären Lymphknoten im jeweiligen Abflussgebiet erfolgen, da sich hieraus weitere Konsequenzen für eine mögliche adjuvante Therapie und für die Prognoseeinschätzung ergeben. Eine komplettierende und möglicherweise für den Patienten belastende Lymphknotendissektion wird bei Mikrometastasen in Sentinel-Lymphknoten aufgrund aktueller Studienergebnisse nicht mehr empfohlen [1, 5].
Bei einer Makrometastasierung führt man auch weiterhin eine komplettierende Lymphknotendissektion durch, um das progressionsfreie Überleben zu verbessern.

Die initiale Ausbreitungsuntersuchung ist ebenfalls an das Tumorstadium angepasst. Bis einschließlich AJCC-Stadium IIB (also einer Tumordicke von 4 mm, sofern keine Ulzeration des Primärtumors und keine Metastasierung vorliegen) ist bei asymptomatischen Patienten allein die Lymphknoten-Sonografie als Bildgebung erforderlich [2]. Zudem wird ab dem Stadium IB der Tumormarker Protein S-100 B bestimmt [10].

Eine Schnittbildgebung mittels MRT-Kopf und CT-Hals/-Thorax/-Abdomen, gegebenenfalls PET-CT, wird für Melanompatienten als primäre Ausbreitungsdiagnostik erst ab einem AJCC-Stadium IIC empfohlen [13]. Es ist vor allem darauf hinzuweisen, dass die Bildgebung mittels Röntgen-Thorax-Aufnahme und Abdomen-Sonografie in keinem Tumorstadium standardmäßig empfohlen wird – aufgrund der geringeren Sensitivität und Spezifität im Vergleich zu anderen Staging-Verfahren [7].

In den letzten Jahren hat sich durch die Einführung zahlreicher wirksamer Therapien die Prognose für Patienten mit metastasierten Melanomen entschieden verbessert. Seit 2018 sind nun auch adjuvante Melanomtherapien in Deutschland zugelassen, die das Rezidivrisiko um die Hälfte reduzieren [4, 9, 12].

Zur adjuvanten Therapie aller Melanompatienten ab Stadium III kann man eine Immuntherapie mit einem PD-1-Antikörper über
12 Monate durchführen. Diese Präparate gehören zur Gruppe der Checkpoint-Inhibitoren. In Deutschland sind die Substanzen Nivolumab und Pembrolizumab zugelassen [4, 12]. Liegt eine Mutation des aktivierenden BRAF-Onkogens vor, kann man alternativ mit spezifischen BRAF- (Dabrafenib) und MEK-Inhibitoren (Trametinib) behandeln [9]. Die Kombination eines BRAF- mit einem MEK-Inhibitor erfolgt, um die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzbildung zu reduzieren und die Verträglichkeit der Therapie zu verbessern.

Die Systemtherapie im fernmetastasierten Stadium IV erfolgt ebenfalls mit Checkpoint-Inhibitoren – PD-1-Antikörper (Nivolumab oder Pembrolizumab) – oder der Kombination aus PD-1-Antikörper (Nivolumab) und CTLA-4-Inhibitor (Ipilimumab) beziehungsweise bei Vorliegen einer entsprechenden Mutation mit BRAF/MEK-Inhibitoren. Kombinationen oben genannter Therapeutika beziehungsweise ihre sequenzielle Gabe werden derzeit in großen Studienprotokollen bezüglich Wirksamkeit und Toxizitätsprofil geprüft.

Die gute Wirksamkeit der Therapie geht erwartungsgemäß mit einer Reihe von möglichen Nebenwirkungen einher. Mögliche unerwünschte Wirkungen einer BRAF-/MEK-Inhibitor-Therapie sind u. a. Exantheme, Photosensitivität, Fatigue, Fieber, Übelkeit, Sehstörungen (seröse Retinopathie) und Verminderung der kardialen Auswurffraktion. Aktuell sind drei BRAF-/MEK-Inhibitor-Kombinationen verfügbar (Vemurafenib/ Cobimetinib oder Dabrafenib/Trametinib oder Encorafenib/Binimetinib), die sich hinsichtlich häufiger Nebenwirkungen unterscheiden. Dies ermöglicht einen Wechsel bei Auftreten substanztypischer Nebenwirkungen.

Für die Immuntherapie ist besonders auf die mögliche Entwicklung von Autoimmunerkrankungen an potenziell allen Organsystemen hinzuweisen. Dabei ist die Rate an schwerwiegenden Komplikationen im Sinne von Grad 3 – 4-Reaktionen bei der Kombinationstherapie von Nivolumab/Ipilimumab höher als bei einer Monotherapie mit Nivolumab oder Pembrolizumab.

Häufige Nebenwirkungen und ihre Symptome zeigt Tabelle 1. Eine Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren sollte nur durch onkologisch versierte Ärzte in einem interdisziplinären Setting erfolgen, um ein korrektes Management potenziell lebensbedrohlicher Nebenwirkungen sicherzustellen. Das Nachsorgeschema ist an das jeweilige Risikoprofil des Melanompatienten adaptiert und erfolgt über einen Gesamtzeitraum von zehn Jahren, entsprechend der aktuellen S3-Leitlinie Melanom [8]. Hier werden in definierten Abständen körperliche Untersuchung, Lymphknoten-Sonografie und Protein-S-100B-Bestimmungen vorgenommen. Ab dem AJCC-Stadium IIC ist zudem in den ersten drei Jahren eine halbjährliche Schnittbildgebung empfohlen.

Fazit

Dem Allgemeinarzt kommt häufig eine Schlüsselrolle in der primären Diagnostik und Prävention maligner Hauttumoren zu, vor allem, wenn bei Patienten ein unzureichendes Bewusstsein für mögliche Konsequenzen maligner Hautveränderungen besteht oder ein ärztlicher Erstkontakt ursprünglich wegen einer anderen Grunderkrankung zustande kommt. Der Hausarzt informiert seinen Patienten über die Gefahren einer exzessiven Sonnenexposition, überweist im Melanomverdachtsfall an den Dermatologen, beteiligt sich gegebenenfalls an der Nachsorge und dem Therapiemonitoring und hat somit eine wichtige ärztliche Funktion in der primären und sekundären Melanomprävention.



Autorin:

Dr. med. Britta Wolff

Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein – Campus Kiel 24105 Kiel

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (8) Seite 16-18