Was die Deutsche Bahn und die Arztpraxen gemeinsam haben? Eine mangelhafte Infrastruktur macht beiden das Leben schwer.

Auf dem Weg in die digitale Zukunft Ihrer Arztpraxis wiederum kann die Praxissoftware eine wichtige Rolle übernehmen. Dafür gilt es jetzt, entscheidende Weichen zu stellen. Damit parallel zum "49-€-Ticket-Chaos" die Patient:innen nicht auch noch vor Ihrer Hausarztpraxis dauerhaft Schlange stehen.

Die Praxissoftware ist in den meisten niedergelassenen Arztpraxen weit mehr als "nur" ein notwendiges Werkzeug. Von der rechtssicheren Dokumentation der Patientendaten über die Vorbereitung der Abrechnung bis hin zur optimalen Terminvergabe und -planung: Die Praxissoftware ist eine zentrale Schnittstelle für viele praxisrelevante Bereiche.

Umso wichtiger, dass dabei die Weichenstellung optimal funktioniert, sonst landet man als Praxis schnell auf dem Abstellgleis — und das gleich mehrfach: Verschenkte Zeit, in der Ärzt:innen und MFA mit Softwareproblemen kämpften, schlägt nicht nur auf das gemeinsame Zeitbudget, sondern erhöht auch das Stresslevel und sorgt für Frust im Team. Wenn z.B. der technische Prozess zur Terminplanung zu aufwendig oder fehlerhaft ist, investiert eine MFA schnell eine Minute mehr pro Patient:in. Das summiert sich. Neben individuellem Stress und zusätzlichem Arbeitsaufwand erhöht sich zusätzlich der Druck auf das ganze Team durch ungeduldige Patient:innen, die sich z.B. im Eingangsbereich aufreihen. Funktioniert hingegen die Praxissoftware ohne größere Reibungen, können darauf aufbauende Systeme wie die Online-Terminvergabe oder die Videosprechstunde zeitnah in den Praxisalltag integriert werden. Das wiederum hat das Potenzial, aufwendige Prozesse zu verschlanken, und kann enorm Zeit einsparen, die das Praxisteam in das investieren kann, was wirklich wichtig ist: die Versorgungsqualität der Patient:innen und den wirtschaftlichen Erfolg der Praxis. Dabei wird auch ein wichtiger Schritt in Richtung Datenschutz erzielt: erstens durch mehr digitale Kommunikation und weniger Fax, zweitens durch mehr Datensicherheit z. B. durch nachvollziehbare Änderungen an digitalen Patientendaten.

Was können die gängigen Softwarelösungen für die niedergelassene Arztpraxis eigentlich? Und welche Konzepte werden in anderen allgemeinmedizinischen Praxen eingesetzt? Um Praxisinhaber:innen den Überblick zu erleichtern, haben wir uns auch dieses Jahr wieder an eine neutrale Übersicht zum Thema Praxissoftware für Hausarztpraxen gemacht. Das Ergebnis einer ganzen Menge an Recherche und unzähliger E-Mails finden Sie auf der folgenden Doppelseite. Basis sind die Installationsdaten der einschlägigen Praxissoftwaresysteme laut KBV. Informationen zu den Kernfunktionen und Kommunikationsschnittstellen finden sich hier genauso wie die Investitionen, wenn Sie sich für eines der Systeme entscheiden. Sei es, weil Sie jetzt die Chance nutzen wollen, Ihre Praxis von Softwareseite noch fitter zu machen, oder weil aktuell z.B. eine Praxisübernahme ansteht und Sie von Beginn an optimal loslegen möchten.

Check-up für digitale Sicherheit: Auch die kleinen Datenlecks schließen
Sven Zehl, Information Security Officer bei Doctolib, rät zum schrittweisen "Praxis-Check":
  1. Technische Geräte so aufstellen, dass praxisfremde Personen keinen Zugang dazu bekommen.
  2. Nur komplexe Passwörter mit Groß- und Kleinschreibung, Sonderzeichen und Ziffern mit einer Mindestlänge von acht Zeichen nutzen.
  3. Mitarbeiter:innen dafür sensibilisieren, dass kein seriöser Anbieter sie auffordern würde, vertrauliche Zugangsdaten per E-Mail preiszugeben. Plus: Nicht auf Links oder Anhänge einer verdächtigen E-Mail klicken.
  4. Im Internet: Adressleiste im Browser überprüfen und auf verschlüsselte Webseiten achten. Diese erkennt man an der Abkürzung "https://" in der Adresszeile.
  5. Sofern möglich die Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) aktivieren.


Agieren statt reagieren

Dass die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen weit hinter dem internationalen Vergleich zurückbleibt, liegt nach Ansicht der Ärzt:innen v. a. auch an der Komplexität des Gesundheitssystems. In einer aktuellen Umfrage, die durch Bitkom und den Hartmannbund gemeinsam durchgeführt wurde, kritisieren das deutliche 91% der Mediziner:innen. 80 % machen langfristige Zertifizierungs- und Genehmigungsverfahren als Hindernis aus und 76% eine zu starke Regulierung. Die größten Hindernissefür die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens sind aus Sicht der Ärzteschaft auch eine zu strenge Auslegung des Datenschutzes (69%) sowie der hohe Aufwand für IT-Sicherheit (75%). Laut dem Vorsitzenden des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, ist die Akzeptanz bei den Mediziner:innen für den Digitalisierungsprozess in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen. Die Mehrzahl der Ärzt:innen wünsche sich aber deutlich mehr Tempo beim Ausbau digitaler Medizin. Deutschland wird bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen gerade gnadenlos abgehängt, da sind sich mehr als drei Viertel der Ärzt:innen einig. Und für Reinhardt ist klar: Es fehlt an der Zielgenauigkeit. Digitale Angebote müssten konsequenter auf den Nutzen bzw. an den Interessen von Patient:innen und auch Ärzteschaft ausgerichtet sein. Das sollte oberste Priorität haben. Praxisinhaber:innen seien heute immer noch gezwungen, notwendige technische Voraussetzungen selbst zu schaffen, um ihr "Unternehmen Arztpraxis" auf dem neuesten Stand zu halten. Auch die Digitalkompetenz der Patient:innen sollte dringlichst gestärkt werden.

Damit die Digitalisierung im Praxisalltag gelingen kann, sind vonseiten der Politik daher noch erhebliche Nachjustierungen notwendig. Aber darauf können die Teams in den Arztpraxen nicht warten, weswegen es jetzt gilt, die technische Basis in Form der Praxissoftware so weit wie möglich zu optimieren.Dabei ist es entscheidend, die Personen, die sie täglich nutzen, aktiv mitzunehmen. Damit ein gemeinsames "Ja" zur digitalen Zukunft in der Arztpraxis möglich wird. Das sorgt auch für mehr Akzeptanz im Praxisteam, wenn es um den Umgang mit Veränderungen im Unternehmen ganz allgemein geht. In diesem Kontext kann es z. B. Sinn machen, bei der Auswahl digitaler Konzepte nicht nur auf Schnittstellen zu achten, sondern auch auf begleitende Schulungs- und Supportangebote für das Praxisteam.

Übersicht Praxissoftware
Hier finden Sie einen Auszug aus den am häufigsten installierten Software-Produkten in den allgemeinmedizinischen Praxen in Deutschland nach Angaben der KBV (Stand September 2021) als komplette Übersicht (Pdf).


Literatur


Autorin
Sabine Mack

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Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (11) Seite 22-25