Unbestritten ist der Stellenwert einer Senkung des LDL-Cholesterins in der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Neue medikamentöse Therapie-Optionen ermöglichen eine z. T. drastische Senkung des LDL-Cholesterins. Kann dies für den Organismus auch schädlich sein? Erste Studien zeigen hier beruhigende Signale.

Das primäre Behandlungsziel in der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen ist, das LDL-Cholesterin (Klasse-I-Indikation) auf den individuell festgelegten Zielwert zu senken. Vor allem bei gemischten Hypercholesterinämien, Diabetes, metabolischem Syndrom oder chronischer Niereninsuffizienz kann die Bestimmung des Nicht-HDL-Cholesterins als zusätzliches sekundäres Behandlungsziel hilfreich sein (Klasse-IIa-Indikation). Obsolet ist es hingegen, die Notwendigkeit einer Therapie von der Höhe des HDL-Cholesterins oder der Non-HDL-/HDL-Ratio abhängig zu machen (Klasse-III-Indikation)[1].

LDL-Zielwert individuell festlegen

Der LDL-Zielwert ist abhängig vom individuellen kardiovaskulären Risiko. Dieses kann bei Patienten ohne vorbekannte Herzerkrankung unter anderem mit den ESC-SCORE-Tabellen ermittelt werden. Personen mit bekannter Makroangiopathie im Sinne einer koronaren Herzerkrankung (KHK), einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) oder nach Schlaganfall werden in die Gruppe von Patienten mit sehr hohem, kardiovaskulärem Risiko eingeordnet. Dazu zählen auch Menschen mit signifikanten atherosklerotischen Plaques in (CT-) Angiographie oder Doppleruntersuchung, Diabetes mellitus und zusätzlichen Risikofaktoren, schwerer Niereninsuffizienz sowie einem Risiko-SCORE-Wert > 10 %. Für diese Patienten wird ein LDL-C < 70 mg/dl empfohlen beziehungsweise eine Senkung des LDL-C um 50 %, falls der Ausgangswert zwischen 70 und 135 mg/dl liegen sollte.

Ein Beispiel: Für einen Patienten mit einem LDL-C von 120 mg/dl ohne vorherige medikamentöse Therapie und Erstdiagnose einer KHK sollte ein individueller Zielwert von 60 mg/dl angestrebt werden. Für Personen mit hohem kardiovaskulären Risiko wird ein LDL-C < 100 mg/dl beziehungsweise eine 50-prozentige Senkung bei einem Ausgangs-LDL von 100 – 200 mg/dl empfohlen, bei Patienten mit moderatem kardiovaskulären Risiko ein Wert < 115 mg/dl (vgl. Tabelle 1).

Medikamentöser Gold-Standard: Statine

Mittel der Wahl zur medikamentösen Therapie sind weiterhin Statine. In der Primär- und Sekundärprävention konnten sie in großen Patientenkollektiven sowohl kardiovaskuläre Ereignisse als auch kardiovaskuläre Mortalität signifikant senken [2, 3]. Mit Hilfe der hoch-potenten Statine wie Atorvastatin oder Rosuvastatin lässt sich eine LDL-C-Senkung um circa 50 % erreichen. In der Praxis ist es leider nicht selten, dass Statin-assoziierte Muskelbeschwerden auftreten, häufig ohne relevante Erhöhung der Creatinkinase (CK-Wert). Hier lohnt sich das Ausprobieren eines alternativen Statins oder einer alternierenden Gabe jeden zweiten Tag [4].

Ezetimib kann kardiovaskuläres Risiko weiter absenken

Sollte unter der maximal verträglichen Statin-Therapie der LDL-C-Zielwert nicht erreicht werden, ist ergänzend Ezetimib empfohlen. Damit kann eine weitere Senkung des LDL-C um 15 – 22 % erreicht werden. Die IMPROVE-IT-Studie hat 18.144 Patienten mit akutem Koronarsyndrom randomisiert und über sieben Jahre nachverfolgt. Die Patienten wurden entweder mit Simvastatin oder mit der Kombination Simvastatin/Ezetimib behandelt. Durch die Kombinationstherapie konnte das LDL-C von 69,5 mg/dl auf 53,7 mg/dl sowie das relative Risiko für das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse (Myokardinfarkt, Schlaganfall) um 6,4 % gesenkt werden [5]. Dies erbrachte erstmalig den Beweis: Eine Senkung des LDL-C über den Zielwert von 70 mg/dl hinaus durch ein Nicht-Statin-Präparat geht mit einer weiteren Reduktion des kardiovaskulären Risikos einher.

PCSK9-Hemmer senken Risiko für Myokardinfarkt und Schlaganfall

Auch durch die inzwischen etablierten PCSK9-Inhibitoren Alirocumab (Praluent®) und Evolucumab (Repatha®) lässt sich eine deutliche Senkung des LDL-C um 50 – 60 % – auch zusätzlich zu einer bestehenden Statin-Therapie – erzielen. Beide PCSK9-Inhibitoren sind humane Antikörper, die 14-tägig subkutan injiziert werden müssen. Sie sind bei Patienten mit einem sehr hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen indiziert, die unter der maximal tolerierten Statin-/Ezetimib-Dosis den LDL-Zielwert nicht erreichen.

In der unlängst veröffentlichten FOURIER-Studie wurden 27.564 Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko untersucht. Durch die Gabe von Evolucumab zusätzlich zu einer Statin-Therapie konnte das LDL-C von 92 mg/dl auf im Mittel 30 mg/dl gesenkt werden. Parallel dazu kam es zu einer relativen Risikoreduktion des primären Endpunkts um 15 % sowie des sekundären um 20 %. Diese Absenkung war jedoch primär durch eine Verringerung der Schlaganfall- und Myokardinfarkt-Häufigkeit getrieben [6].

LDL-C-Senkung auf 30 mg/dl ohne schwere Nebenwirkungen

Relevante Nebenwirkungen wie neurokognitive Probleme, Katarakte, Hepatopathien, die vorzeitige Manifestation eines Diabetes mellitus oder Muskelbeschwerden konnten unter der Evolucumab-Therapie in der FOURIER-Studie im Vergleich zu Plazebo nicht verzeichnet werden. Lediglich Reaktionen an der Injektionsstelle ließen sich unter Evolucumab häufiger nachweisen (2,1 % Evolucumab versus 1,6 % Plazebo) [6]. Sicherheitsanalysen wurden auch für Alirocumab durchgeführt. Nach einer gepoolten Auswertung des ODYSSEY-Studienprogramms zeigte sich, dass 25,1 % der Probanden ein LDL-C < 25 mg/dl erreichten (n = 839) und diesen niedrigen LDL-C-Werten im Mittel 43,3 Wochen ausgesetzt waren. Neurologische, neurokognitive, hepatische, muskuloskelettale Nebenwirkungen oder Diabetes-Manifestationen waren unter der Alirocumab-Therapie nicht häufiger als in der Plazebo-Gruppe. Dies traf sowohl auf das Gesamtkollektiv als auch auf die Patienten mit sehr niedrigem LDL-C < 25 mg/dl zu.

Es zeigten sich keine Unterschiede bei den fettlöslichen Vitaminen A, D und K, bei Kortisol oder Geschlechtshormonen. Die Vitamin-E-Spiegel waren in der Alirocumab-Gruppe leicht erhöht. Als auffällig erwies sich jedoch ein Zusammenhang mit dem Auftreten von Katarakten bei Patienten mit einem LDL-C < 25 mg/dl (2,5 versus 1,1 %), für die es bisher keine pathophysiologische Erklärung gibt [7].

Sehr niedrige LDL-C-Spiegel – keine neurokognitiven Probleme

Die neurokognitiven Effekte der Evolucumab-Therapie hat ergänzend die EBBINGHAUS-Studie untersucht. Cholesterin wird im Gehirn lokal synthetisiert, da die Blut-Hirn-Schranke ein Äquilibrium mit den systemischen Serum-Cholesterinspiegeln verhindert. PCSK9-Antikörper sind nicht in der Lage, diese Schranke zu passieren.

Für die EBBINGHAUS-Studie wurden 1.974 Patienten der FOURIER-Studie nochmals spezifisch mit standardisierten Tests im Hinblick auf eine neurokognitive Dysfunktion untersucht. Unabhängig vom erreichten LDL-C-Zielwert gab es unter der Evolucumab-Therapie keine Hinweise auf eine neurokognitive Einschränkung [8].

Fazit

Daten der IMPROVE-IT- und FOURIER-Studie bestätigen die LDL-Hypothese und belegen den Zusammenhang zwischen LDL-C und kardiovaskulärem Risiko bis hin zu sehr niedrigen LDL-C-Werten. Entsprechende Langzeit-Daten fehlen jedoch, so dass eine Therapie mit Evolucumab weiterhin erst nach strenger Prüfung der Indikation verordnet werden sollte.


Literatur:
1. Catapano AL, Graham I, De Backer G, Wiklund O, Chapman MJ, Drexel H, Hoes AW, Jennings CS, Landmesser U, Pedersen TR et al: 2016 ESC/EAS Guidelines for the Management of Dyslipidaemias: The Task Force for the Management of Dyslipidaemias of the European Society of Cardiology (ESC) and European Atherosclerosis Society (EAS) Developed with the special contribution of the European Assocciation for Cardiovascular Prevention & Rehabilitation (EACPR). Atherosclerosis 2016, 253:281-344.
2. Baigent C, Blackwell L, Emberson J, Holland LE, Reith C, Bhala N, Peto R, Barnes EH, Keech A, Simes J et al: Efficacy and safety of more intensive lowering of LDL cholesterol: a meta-analysis of data from 170,000 participants in 26 randomised trials. Lancet 2010, 376(9753):1670-1681.
3. Taylor F, Huffman MD, Macedo AF, Moore TH, Burke M, Davey Smith G, Ward K, Ebrahim S: Statins for the primary prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database Syst Rev 2013(1):CD004816.
4. Laufs U, Scharnagl H, Halle M, Windler E, Endres M, Marz W: Treatment Options for Statin-Associated Muscle Symptoms. Dtsch Arztebl Int 2015, 112(44):748-755.
5. Spinar J, Spinarova L, Vitovec J: [IMProved Reduction of Outcomes: Vytorin Efficacy International Trial (studie IMPROVE-IT)]. Vnitr Lek 2014, 60(12):1095-1101.
6. Sabatine MS, Giugliano RP, Keech AC, Honarpour N, Wiviott SD, Murphy SA, Kuder JF, Wang H, Liu T, Wasserman SM et al: Evolocumab and Clinical Outcomes in Patients with Cardiovascular Disease. N Engl J Med 2017, 376(18):1713-1722.
7. Robinson JG, Rosenson RS, Farnier M, Chaudhari U, Sasiela WJ, Merlet L, Miller K, Kastelein JJ: Safety of Very Low Low-Density Lipoprotein Cholesterol Levels With Alirocumab: Pooled Data From Randomized Trials. J Am Coll Cardiol 2017, 69(5):471-482
8. Cognitive Function in a Randomized Trial of Evolocumab
Robert P. Giugliano, M.D., François Mach, M.D., Kenton Zavitz, Ph.D., Christopher Kurtz, M.D., Kyungah Im, Ph.D., Estella Kanevsky, M.S., Jingjing Schneider, Ph.D., Huei Wang, Ph.D., Anthony Keech, M.D., Terje R. Pedersen, M.D., Marc S. Sabatine, M.D., M.P.H., Peter S. Sever, Ph.D., F.R.C.P., Jennifer G. Robinson, M.D., M.P.H., Narimon Honarpour, M.D., Ph.D., Scott M. Wasserman, M.D., and Brian R. Ott, M.D., for the EBBINGHAUS InvestigatorsHYPERLINK \l "*
N Engl J Med 2017; 377:633-643/toc/nejm/377/7/


Autorin:

PD Dr. med. Corinna Lebherz

Abteilung für Kardiologie, Pneumologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin Universitätsklinikum Aachen
52074 Aachen

Interessenkonflikte: Der Autorin hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (18) Seite 47-49