Die Zeiten, in denen Salbenverband und Reizstrom genügten, um verletzte Sportler zu behandeln, sind vorbei. Die Sportorthopädie hat sich rasant weiterentwickelt und Leistungssportler sind gut informierte und anspruchsvolle Patienten. Welches Spektrum die Betreuung von Sportlern heute umfasst, soll der folgende Beitrag vermitteln.

Schon bei der Erhebung der Anamnese eines verletzten Sportlers wird schnell klar, dass bereits die Kenntnis der Begrifflichkeiten, die der Patient ganz selbstverständlich gebrauchen wird, eine Herausforderung darstellt. So ist z. B. das „Jumpers knee“ (Patella-Spitzen-Syndrom) keineswegs dasselbe wie das „Joggers knee“ (Friktionssyndrom des Tractus iliotibialis). Gezielte Fragen zur Vorgeschichte und zum Unfallhergang sind bei dem verletzten Sportler für die Diagnosestellung besonders wichtig. So sollte ein Sturz auf den gestreckten Arm die Aufmerksamkeit auf die lange Bizepssehne lenken. Bei Knieschmerzen nach einem Hyperextensionstrauma sollte das hintere Kreuzband im Fokus stehen.

In der Diagnostik von Sportverletzungen erwarten die Sportler heute sofort, dass auch neuere Verfahren eingesetzt werden, um Krankheitsbilder und deren Ursachen aufzudecken. Der Arzt darf aber nicht vergessen, dass die klinische Untersuchung immer am Anfang steht, und muss diese auch entsprechend gründlich durchführen. So sind manche Diagnosen wie z. B. die Schulterinstabilität nur klinisch zu stellen. Andererseits sind z. B. knöcherne Stressreaktionen als Ausdruck einer „Materialermüdung“ nur im MRT erkennbar.

Bei Sehnen- und Bandverletzungen hilft der hochauflösende dynamische Ultraschall, auch kleinste Defekte aufzudecken, so dass wir heute beispielsweise nicht mehr von einer „Achillodynie“ sprechen, sondern von einer „intratendinösen Partialruptur“.

Dynamisch geht über statisch

Weil der statische Befund gegenüber dem dynamischen Untersuchungsgang manchmal nur wenig Aufschluss gibt, sind Bewegungsanalysen oft sehr hilfreich. So kann man z. B. mit Fußabdrücken zwar einen Senk- oder Hohlfuß feststellen, aber keine Aussage über ein pathologisches Abrollverhalten der Füße machen, was z. B. Ursache für Knieschmerzen sein kann.

Zur Beurteilung fehlerhafter Bewegungsmuster wird heute die dynamische Fußdruckmessung bemüht, bei der eine sensomotorische Einlegesohle im Lauf- oder Sportschuh die Druckverhältnisse des Fußes in der Bewegung misst und aufzeichnet (Abb. 1), um aus den gewonnenen Daten die entsprechend angepasste Sporteinlage zu fertigen.

Bei immer wiederkehrenden gleichartigen Verletzungen lässt sich durch Videoaufzeichnungen der Bewegungsablauf analysieren (Abb. 2) und damit oft die Schmerz­ursache eingrenzen. Diese findet sich dann vorwiegend in muskulären Dysbalancen, die durch die isolierte Kraftmessung mittels Cybex objektiviert werden können ( Abb. 3).

Stoßwellentherapie (ESWT)

Die Behandlung soll zum einen die Schmerzen reduzieren und zum anderen das Gewebe, insbesondere die Sehnen am Übergang zum Knochen, stärken. Denn degenerative Veränderungen in diesem Bereich sind häufig Ursache von belastungsabhängigen Beschwerden. Hierbei ist mittlerweile der Einsatz der Stoßwellentherapie aus der Sportmedizin nicht mehr wegzudenken. Auch wenn nur wenige qualitativ gute Studien mit kleineren Fallzahlen vorliegen, so funktioniert die Methode in der Praxis hervorragend.

Dies gilt vor allem für die fokussierte ESWT (Abb. 4), bei der sowohl die Zielstruktur als auch die Eindringtiefe exakt einstellbar sind. Eine deutliche Abnahme der Schmerzintensität durch die Modifikation der Schmerzrezeptoren ist ebenso evident wie die Defektheilung z. B. bei intratendinösen Mikrorupturen der Achillessehne, der Plantarfaszie (Fersensporn), der Rotatorenmanschette in der Schulter mit Kalzifizierung (Kalkschulter) oder im Ursprungsbereich der Unterarm-Strecker/-Beuger (Tennis- oder Golferellenbogen).

ACP-Therapie

Weitere neue Behandlungsformen stehen in der konservativen Sportorthopädie auf dem Sprung, ein breites Anwendungsfeld zu gewinnen, wie z. B. die ACP-Therapie.

ACP steht für „Autologes Conditioniertes Plasma“, gemeint ist also eine Eigenblutbehandlung, wobei nach speziellem Zentrifugieren einer geringen Blutmenge (20 ml) der gewonnene Überstand (5 ml) sofort in die verletzte Stelle reinjiziert wird. Das Plasma enthält eine Reihe verschiedener Wachstumsfaktoren wie PDGF = Platelet Derived Growth Factor, der Fibroblasten, Chondrozyten und Muskelzellen stimuliert und damit eine schnellere Heilung von Sehnen-, Bänder-, Muskel- und Knorpel-Defekten bewirkt.

Bekannte Sportler wie der Golfer Tiger Woods u. a. wurden nach langer Verletzungspause mit dieser Behandlung rasch wiederhergestellt. Valide Studien mit kleinen Fallzahlen zeigen erste positive Ergebnisse, ein endgültiger Wirkungsnachweis steht noch aus. Dieser gilt als erbracht für verschiedene neue Medizinprodukte, wie z. B. für die weichteiladaptierte Hyaluronsäure SportVisTM, die sozusagen mit als Erstmaßnahme bei Bandverletzungen am OSG eingesetzt wird. Die Injektion (Abb. 5) bewirkt ein rasches Abschwellen des verletzten Sprunggelenks nach nur ein bis zwei Tagen und eine erhebliche Reduktion der Schmerzen. Man geht davon aus, dass sich die Substanz wie ein innerer Kleber auf die rupturierten Bandstümpfe legt. Hilfreich in der täglichen Praxis ist auch das neue Diclofenac-Pflaster (z. B. Flector®), das den eingangs erwähnten Salbenverband ersetzt, wobei die Anwendung nicht nur leichter, sondern wegen der besseren Galenik auch effektiver, wenn auch teurer ist.

Leistungsmedizin für Leistungssportler

In der Sportmedizin hängt Erfolg oder Misserfolg der Behandlung nicht allein von Art, Größe und Struktur des Defekts und von der gewählten Therapiemaßnahme, sondern in starkem Maße auch von der Einstellung des Betroffenen selbst ab. Vieles spielt sich hier „im Kopf“ ab, worauf der Arzt nur begrenzt Einfluss hat. Obgleich keiner genau weiß, wie es funktioniert und warum es bei Verletzungen am Bewegungsapparat hilft, tragen fast alle Sportler mit und manchmal auch ohne Verletzung im Training und Wettkampf die Kinesio-Tapes (Abb. 6), die dem Verletzten das Gefühl geben, eine wesentliche Hilfe zu sein und damit auch förderlich für die sportliche Leistung. Diesem Ansinnen darf sich der Sportmediziner nicht verschließen, auch wenn er von dem medizinischen Nutzen nicht wirklich überzeugt ist. Speziell beim Leistungssportler geht es nicht um „wirtschaftlich, zweckmäßig und ausreichend“, sondern um Leistungsmedizin, auf die der Sportler dann ein Anrecht hat, wenn er und nicht die Allgemeinheit dafür aufkommt.

Warum Sportmedizin?

Für den Hausarzt stellt sich natürlich die Frage, ob und wie stark er sich in puncto Sportmedizin engagieren möchte. Mehrere Gründe sprechen dafür, dies zu tun. So gibt es z. B. nach der neuen Weiterbildungsordnung keine Orthopäden mehr, sondern nur den Op.-lastigen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Dies eröffnet dem Hausarzt und Sportmediziner ein breites Betätigungsfeld, da die operativ ausgebildeten Kollegen natürlich in erster Linie operieren möchten. Außerdem ist in keinem Bereich die Mitarbeit und Motivation des Patienten größer als in der konservativen Sportmedizin, da alle Kranken oder Verletzten nichts lieber möchten, als die sportliche Aktivität wieder aufzunehmen. Das schafft Erfolg und viel Freude an der täglichen Arbeit. So kann aus dem Hausarzt der Bewegungsmediziner werden, den die Gesellschaft dringend braucht.


Interessenkonflikte:
keine deklariert

Dr. med. Reinhard Wittke


Kontakt:
Dr. med. Reinhard Wittke
Facharzt für Allgemeinmedizin
Lohengrin-Klinik, Abt. Sportmedizin
95448 Bayreuth

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2010; 32 (20) Seite 42-44