Die Kompression mit Kompressionsverbänden und Medizinischen Kompressionsstrümpfen (MKS) wird bei venös und lymphatisch bedingten Beschwerden und Krankheitsbildern zur Therapie und Prophylaxe eingesetzt. Für eine effektive und sichere Kompressionsbehandlung sind die Indikation, die Anlagetechnik von Verbänden bzw. ein gut sitzender Kompressionsstrumpf sowie Kontraindikationen wie z. B. die dekompensierte Herzinsuffizienz und schwere pAVK zu beachten.

Ziel der Kompression ist ein beschleunigter venöser und lymphatischer Rückstrom durch Reduzierung des Gefäßquerschnittes und eine Verbesserung der Venenklappenfunktion bei Varikose. Durch die Kompression wird der Gewebedruck erhöht, die kapilläre Filtration wird eingeschränkt und die Reabsorption gesteigert [1, 2]. Die Kompressionstherapie ist damit die Basisbehandlung aller phlebologischen und lymphologischen Krankheitsbilder (vgl. Übersicht 1). Absolute Kontraindikationen für eine Kompression sind eine dekompensierte Herzinsuffizienz, eine schwere pAVK und eine septische Phlebitis (vgl. Übersicht 2) [2, 13]. Durch fehlerhaft angelegte Kompressionsverbände oder schlecht sitzende Kompressionsstrümpfe kann es zu Schmerzen, Einschnürungen und Druckschäden an Haut und Nerven kommen.

Durchführung der Kompressionsbehandlung

Die Kompression wird durch Kompressionsverbände oder Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) erreicht. Bei akuten Krankheitsbildern sowie bei ausgeprägter Schwellung empfiehlt es sich, die Kompression initial mit Verbänden durchzuführen. Bei der chronisch venösen Insuffizienz wird der Kompressionsverband vorwiegend am Unterschenkel angelegt, da hier die Auswirkung der Insuffizienz am größten ist [11]. Zudem sind die Mobilisation und die Compliance des Patienten bei Unterschenkelverbänden besser als bei Oberschenkelverbänden. Bei der oberflächlichen und tiefen Venenthrombose richtet sich die Höhe des Verbandes nach der Ausdehnung der Schwellung und den Beschwerden. Ist die Schwellung abgeklungen kann ein MKS angepasst werden. Nach proximaler tiefer Beinvenenthrombose tritt bei 20 – 50 % der Patienten ein postthrombotisches Syndrom (PTS) auf [5]. Durch eine langfristige Kompressionstherapie mit einem Anlagedruck von 30 – 40 mmHg wird die Inzidenz des PTS um etwa die Hälfte reduziert [3, 10]. In den ACCP-Leitlinien 2012 wird daher zur Prophylaxe eines PTS eine Kompressionstherapie für zwei Jahre oder länger empfohlen [4]. In einer randomisierten plazebokontrollierten Studie konnten Kahn et al. 2013 jedoch keine Reduktion der Häufigkeit und des Schweregrads eines PTS nach erster durchgemachter TVT durch Tragen eines MKS mit 30 – 40 mmHg über einen Zeitraum von zwei Jahren feststellen [14].

Kompressionsverbände erreichen eine Entödemisierung, medizinische Kompressionsstrümpfe erhalten das Ergebnis [3, 7, 9].

Kompressionsverbände

Für einen Kompressionsverband eignen sich besonders Kurzzugbinden mit einer Dehnbarkeit von < 100 %. Kurzzugbinden zeichnen sich durch einen hohen Arbeitsdruck und damit durch eine gute Effektivität sowie durch einen niedrigen Ruhedruck mit daher gutem Tragekomfort aus. Der Arbeitsdruck wird durch das Anpressen der Muskulatur beim Gehen gegen den Verband erzeugt, steigert die venöse Pumpleistung und führt zu einer Reduzierung des Ödems. Der Ruhedruck ist der Anpressdruck am ruhenden Bein. Zu hoher Ruhedruck unter Kompressionsmitteln wird schlecht vom Patienten vertragen und kann zu Hautläsionen führen, besonders bei begleitender pAVK [8, 9].

Mit einer Polsterung kann eine möglichst zylindrische Beinform erreicht werden, so dass die Kompression gleichmäßig verteilt wird und effektiv wirkt. Zudem werden durch die Polsterung Druckschäden von Haut und Nerven vermieden. Eine gleichmäßige Druckverteilung wird erreicht durch Aufpolstern der Einziehungen, z. B. im Knöchelbereich, oder Abpolstern von Knochenvorsprüngen (z. B. Knöchel/Tibiakante/Fibulaköpfchen). Als Polstermaterial werden u. a. Schaumstoffbinden oder Polsterwatte verwendet, zudem gibt es vorgefertigte Pelotten für die Knöchelregion.

Der Anpressdruck eines Kompressionsverbandes muss von distal nach proximal abnehmen. Durch den zunehmenden Beinumfang nach proximal kommt es bei gleichbleibendem Anlagedruck zu der gewünschten Druckabnahme.

Bei den Kompressionsverbänden werden Wechselverbände und Dauerverbände unterschieden. Der Wechselverband wird über Nacht entfernt und morgens wieder neu angelegt. Dauerverbände verbleiben mehrere Tage, bis zu einer Woche. Es können adhäsive bzw. kohäsive Binden verwendet werden, die ein Verrutschen des Verbandes effektiv verhindern. Eine adäquate Polsterung von Knochenvorsprüngen und Schienbeinkante sowie die korrekte Anlagetechnik sind besonders wichtig, um Druckschäden zu vermeiden. Von der Industrie werden Dauermehrlagenverbände angeboten, die z. T. für den Einmalgebrauch (z. B. Profore® Smith&Nephew) oder waschbar und damit wiederverwendbar sind (z. B. Comprilan®plus BSN, Rosidal sys® Lohmann&Rauscher). Durch die Verwendung mehrerer Lagen, bestehend aus Polsterung, Kompressionsbinden und Fixierbinden, kann ein hoher Tragekomfort bei hohem Kompressionsdruck erreicht werden.

Die Grundregeln und Empfehlungen der Anlagetechnik eines Kompressionsverbandes werden in Übersicht 3 dargestellt. Das Bandagieren selbst muss praktisch geübt werden. Material, Bindenbreite und Polsterung sowie die Anlagetechnik müssen auf den Patienten abgestimmt sein. Im Video (siehe Kasten mit ShutterLink®) wird die Wickeltechnik modifiziert nach Sigg bei Anlage eines Mehrlagenverbandes gezeigt.

Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS)

Der MKS wird gewöhnlich aus Langzugmaterialien gefertigt, da er sonst nicht genügend dehnbar wäre und nicht angezogen werden könnte [11]. Es werden rundgestrickte und flachgestrickte MKS unterschieden. Der handelsübliche rundgestrickte MKS wird nahtlos von einer Maschine gefertigt und ist in unterschiedlichen Längen erhältlich (vgl. Übersicht 4) [13].

Die Maße des Beines werden an definierten Punkten ausgemessen. Stimmen diese mit den vorhandenen Konfektionsgrößen überein, muss ein Serienkompressionsstrumpf verordnet werden, andernfalls ist eine Maßanfertigung erforderlich [13]. Haben die Beine eine unterschiedliche Form, müssen beide Beine einzeln vermessen werden. Kompressionsstrümpfe sollten am entstauten Bein abgemessen werden, daher empfiehlt es sich, die Maße der Beine morgens bzw. nach Behandlung mit einem Kompressionsverband zu messen. Die Zehen können offen oder geschlossen sein, es stehen unterschiedliche Strumpfmaterialien und Haftbänder zur Verfügung, so dass auch bei selten auftretenden Unverträglichkeiten Alternativen angeboten werden können.

Flachgestrickte MKS haben eine Naht und sind hauptsächlich zur Behandlung lymphatischer Krankheitsbilder indiziert. Diese können sehr passgenau für jedes Körperteil hergestellt werden und haben durch das etwas dickere und steifere Material eine sehr effektive Kompressionswirkung.

Entscheidend für die Wirksamkeit der Kompressionsstrümpfe sind neben dem Anpressdruck auch das verwendete Material und die Elastizität. Es werden die Kompressionsklassen I bis IV unterschieden, der angegebene Druck bezieht sich auf den Druck an der Fußfessel (B-Maß) (Übersicht 5).

Für die Kompressionsstrumpfversorgung beim Ulcus cruris stehen von verschiedenen Firmen Kompressionsstrumpfsysteme zur Verfügung (z. B. Ulcer X® Sigvaris, Ulcertec® Bauerfeind). Diese bestehen aus zwei Strümpfen, der erste hat einen geringeren Kompressionsdruck und kann dadurch trotz des Ulkusverbandes relativ leicht angezogen werden und fixiert den Ulkusverband. Der zweite Strumpf rutscht dann leichter über den ersten Strumpf. Die Kompressionsdrücke der beiden Kompressionsstrümpfe addieren sich. Speziell für die Behandlung von Ulcera gefertigte Kompressionsstrümpfe können gleichwertige Ergebnisse bei der Heilung der Ulcera wie Kompressionsverbände erzielen [6, 12].

Die Kompressionsklasse richtet sich nach der Indikation und muss auf den Patienten abgestimmt sein. Für die meisten phlebologischen Krankheitsbilder ist die Kompressionsklasse II ausreichend. Bei z. B. akuten tiefen Beinvenenthrombosen, schwerer chronisch venöser Insuffizienz, schwerem postthrombotischen Syndrom oder Lymphödem ist die Kompressionsklasse III bzw. IV indiziert. Bestehen Schwierigkeiten beim Anziehen eines Strumpfes der Kompressionsklasse III bzw. IV, können auch zwei Strümpfe der Kompressionsklasse II übereinander angezogen werden. Bei leichter Ödemneigung und zur Prophylaxe in der Schwangerschaft ist Kompressionsklasse I bzw. II ausreichend.

Das Anziehen der Kompressionsstrümpfe ist für ältere und multimorbide Patienten häufig ein Problem. Eine gute Schulung durch das Sanitätshaus ist erforderlich (vgl. auch Übersicht 6). An technischen Hilfsmitteln zum Anziehen der MKS stehen Gleithilfen (z. B. Easy Slide®) sowie Anziehhilfen mit Armverlängerung (z. B. medi Butler®) zur Verfügung. Letztere ist bei Patienten mit Rückenbeschwerden oder ausgeprägter Adipositas, die nicht gut an die Füße kommen, indiziert. Tendenziell sind etwas dickere und robustere Strümpfe leichter anzuziehen als sehr dünne Strümpfe. Für eine gute Patientencompliance ist die Aufklärung über den Nutzen der Kompressionstherapie und die richtige Kompressionsstrumpfversorgung durch den Arzt wichtig.

Verordnung

Kompressionsstrümpfe sind Hilfsmittel und können zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden (§ 33 SGB V). Das Budget wird nicht belastet. Dies gilt auch für im Sanitätsfachhandel erhältliche An- und Ausziehhilfen für Patienten mit Bewegungseinschränkungen oder nachlassender Körperkraft. Bei der Erstverordnung kann zusätzlich ein Wechselpaar verordnet werden. Die Haltbarkeit der MKS ist bei täglichem Tragen für sechs Monate ausgelegt, so dass man alle sechs Monate ein neues Paar Strümpfe verordnen kann.

Auf dem Rezept müssen die Diagnose, Menge, Länge der Strümpfe, die Kompressionsklasse und die Beschaffenheit der Fußspitze (offen oder geschlossen) angegeben werden. Als Zusatz kann, falls erforderlich, z. B. Maßanfertigung, flachgestrickt, ein bestimmtes Halterungssystem (Haftband, Hüftbefestigung etc.), Pelotten oder Reißverschluss ergänzt werden. Da in jeder Kompressionsklasse Strümpfe mit unterschiedlichen Materialien und unterschiedlicher Elastizität verfügbar sind sowie spezielle Kompressionsstrumpfsysteme, ist im Einzelfall die Produktangabe auf dem Rezept sinnvoll, was mit "nihil alter" gekennzeichnet sein muss.

Das Video „Anlage eines Mehrlagen-Kompressionsverband mod. nach Sigg finden Sie hier.


Literatur
1. AWMF Leitlinie: Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris. Registrierungsnummer: 037-009
2. AWMF Leitlinie: Phlebologischer Kompressionsverband. Registrierungsnummer: 037-005
3. Brandjes DP, Bueller HR, Heijboer H, Huisman MV, de Rijk M, Jagt H, ten Cate JW: Randomised trial of effect of compression stockings in patients with symptomatic proximal-vein thrombosis. Lancet 1997;349:759-762.
4. Guyatt GH, Elie A, Crowther M, Gutterman DD, Schünemann HJ: Antithrombotic Therapy and Prevention of Thrombosis, 9th ed: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines. Chest 2012; 141(2)(Suppl):7S-47S
5. Hirsch J (2008) Guidlines für Antithrombotic Therapy, 8th Edition, BC Decker INC Hamilton
6. Jünger M, Wollina U, Kohnen R et al.: Efficacy and tolerability of an ulcer compression stocking for therapy of chronic venous ulcer compared with a below-knee compression bandage: results from a prospective, randomized, multicentre trial. Curr. Med. Res. Op. 20, 1613-1623, 2004
7. Mayberry JC, Moneta G, Taylor L, Port J: 15 years results of ambulatory compression therapy for chronic venous ulcers. Surgery 1991; 575-581
8. Mosti G, Partsch H: Phlebology 2010;25:145-150
9. Partsch H, Horovka M: Kompressionsbestrumpfung zur Behandlung venöser Unterschenkelgeschwüre, WMW 1994; 144: 242-249
10. Prandoni P, Lensing AW, Prins MH, Frulla M, Marchiori A, Bernardi E, Tormene D, Mosena L, Pagnan A, Girolami A: Below-knee elastic compression stockings to prevent the post-thrombotic syndrome: a randomized, controlled trial. Ann Intern Med 2004;141:249-256.
11. Rabe E, Pannier F: Grundlagen der Phlebologie,3. Auflage, Viavital Verlag Köln
12. Vanscheidt W, Kohnen R, Achammer I: Tubulcus-Kompressionstherapie des venösen Ulcus cruris. Phlebologie 33, 12-16, 2004
13. Wienert V, Waldermann F, Zabel M et al: Leitlinie Medizinischer Kompressionsstrumpf. Phlebologie 2006; 35: 315-320.
14. www.lancet.com, published online December 6, 2013: http://dx.doi.org/10.1016/50140-6736(13)61902-9 )



Autor:

Dr. med. Martin Jobst Kiderlen, Freiburg

Venenzentrum Freiburg
79108 Freiburg

Interessenkonflikte: keine deklariert


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (4) Seite 63-66