Es besteht kein Zweifel: Die koronare Herzkrankheit (KHK) tritt bei Diabetikern deutlich häufiger auf als bei Nichtdiabetikern und sie führt öfter zum Tod. Die KHK gilt als sehr bedeutende – wenn nicht als wichtigste – Komponente des sogenannten diabetischen Herzens. Dieses ist zudem geprägt von der höheren linksventrikulären Dysfunktion infolge von Hochdruck (ein bedeutsamer Faktor des metabolisch-vaskulären Syndroms) und den metabolischen Störungen der Hyperglykämie (mit Glykierung erst wichtiger, dann weniger funktionsfähiger Proteine). Hinzu kommen die Erhöhung freier Fettsäuren sowie das Auftreten von Mikroangiopathie und der so oft unterschätzten gefährlichen autonomen Neuropathie ("Dead in Bed" infolge von Rhythmusstörungen).

Bei jeweils vier Patientengruppen konnten Haffner und später Schramm bekanntlich ein Phänomen bei der kardiovaskulären Mortalität zeigen: Nichtdiabetiker ohne Infarkt wiesen die geringste, Diabetiker mit vorangegangenem Herzinfarkt die erwartete höchste Sterblichkeit auf. Besonders interessant: Diabetiker ohne vorangegangenen Infarkt hatten die gleiche Herzinfarktrate und Sterblichkeit wie Nichtdiabetiker mit vorangegangenem Infarkts! Das heißt: Ein Typ-2-Diabetes stellt per se eine gleich hohe Bedrohung dar wie eine schon vorhandene signifikante KHK.

Diese Herzerkrankung zeigt bei Diabetikern auch an anderen Arterien (Gehirn, Beine) vorwiegend einen diffusen Plaquebefall – im Vergleich zu den häufiger isoliert lokalisierten Plaques bei sonst Stoffwechselgesunden. Das erschwert die invasive Therapie mit Stents.

Die Prävalenz der KHK beträgt in der Gesamtbevölkerung bei den 40- bis 79-Jährigen knapp 10 %. Bei Diabetikern verläuft ein Infarkt oft stumm, was vermutlich eine Folge der Polyneuropathie mit ihrer Schmerz-Kaschierung sein dürfte. Die Mortalität einer stabilen KHK liegt im Allgemeinen bei 1 – 2 %; die Prognose der stabilen Form der KHK ist also nicht schlecht. Bei unklaren Brustschmerzen muss man – nach Ausschluss eines akuten KHK-Syndroms – differenzialdiagnostisch auch an andere Krankheitsbilder denken: an eine chronische KHK, eine Aortendissektion oder -stenose, an Myo- oder Perikarditis sowie – nicht selten – an eine Lungenembolie. Wichtig ist die Risikostratifizierung. Bei Diabetikern zeigt sie, dass 70 % (!) der Patienten Herz-Kreislauf-Komplikationen aufweisen.

Zur Diagnose der KHK ist ein 12-Kanal-EKG empfohlen, wobei pathologische Q-Zacken als mögliche Indikatoren für einen stummen Herzinfarkt, wie oben beschrieben, gelten. Dem Laborbefund kommt grundsätzlich große Bedeutung zu – mit der Bestimmung von "High sensitive"(hs)- Troponin bzw. "Brain natriuretic peptide" (BNP) und "N terminal pro BNP"(NT-pro BNP). Auch sollte immer nach einem Diabetes gefahndet werden: Eine sofortige, gute Stoffwechseleinstellung beeinflusst die Prognose günstig. Zentrale Bedeutung hat schließlich eine initiierte Doppler-Echokardiographie, die vor allem regionale Wandbewegungsstörungen erkennen lässt und mit der man andere kardiale Komplikationen diagnostizieren bzw. ausschließen kann.

Die sogenannten Vortestwahrscheinlichkeiten basieren auf Lebensalter, Geschlecht und Einschätzung der Angina-pectoris-Symptomatik. Liegen diese Wahrscheinlichkeiten bei über 85 %, wird ein sofortiges invasives Vorgehen, wie erwähnt, empfohlen. Bei Patienten mit einem mittleren Risiko sind weitergehende diagnostische Maßnahmen angezeigt. Das Belastungs-EKG ist dabei in den Hintergrund getreten und macht Platz für die aussagekräftigeren bildgebenden Verfahren. Das Stress-EKG hat hier besonders an Bedeutung gewonnen.

Als Leitsymptom und Äquivalent für Angina pectoris ist bei Diabetikern die Dyspnoe anzusehen, die allerdings bei der Vortestwahrscheinlichkeit – leider – nicht berücksichtigt wird. Eine Koronarangiographie ist bei einer stabilen Angina pectoris empfohlen, ebenso ein 24-Stunden- EKG. Bei Diabetikern mit stabiler Angina pectoris liegt die Wahrscheinlichkeit für eine KHK jenseits des 60. Lebensjahres bei über 90 %. Hier verzichtet man auf eine Stufendiagnostik und führt eine invasive Koronarangiographie durch, die ja auch entsprechend therapeutische Implikationen ermöglicht.

Bei der Diabetestherapie zeigten sich hochinteressante Ergebnisse aus der EMPA-REG-OUTCOME-Studie. Durch Empagliflozin (10 oder 25 mg täglich) zeigten sich signifikante Besserungen der kardialen Situation: Unter dem SGLT-2-Rezeptor-Hemmer waren schon nach ein bis drei Jahren die kardiovaskuläre Sterblichkeit um 38 %, die Gesamtmortalität um 32 %, die Hospitalisierungsrate wegen Herzinsuffizienz und die Mikroangiopathie um jeweils 35 % zurückgegangen – immer im Vergleich zur Kontrollgruppe. Als mögliche Faktoren für diese Ergebnisse diskutieren Diabetesexperten unter anderem die mit der verstärkten Glukosurie einhergehende Natriurese oder – was wahrscheinlicher ist – einen sogenannten Klasseneffekt.

Herzschutz bestätigt

Dafür spricht, dass die kürzlich veröffentlichte Studie (CVD Real), die erste große "Real-World-Studie" bei fast 365.000 Typ-2-Patienten mit allen verwendeten Gliflozinen (SGLT-2-Rezeptoren-Hemmer), die für Empagliflozin bereits bewiesenen günstigen herzschützenden Ergebnisse bestätigen konnte. Für die in den Studien kardiovaskulär vorgeschädigten Patienten stellte der Gemeinsame Bundesausschuss einen "beträchtlichen Zusatznutzen" fest, was für die Patienten ohne Herzschädigung erst noch zu beweisen ist. Nach der CVD-Real-Studie dürfte dies aber wahrscheinlich sein. Auch die GLP1-Rezeptor-Agonisten Liraglutid und Semaglutid zeigten übrigens einen signifikanten, wenn auch nicht so ausgeprägten kardiovaskulären Nutzen wie Empagliflozin.



Autor:

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Prof. Dr. med.Hellmut Mehnert

Forschergruppe Diabetes e. V.
82152 Krailling

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (19) Seite 42-43