Die Angst, das eigene Leben oder das eines geliebten Angehörigen zu verlieren, begleitet Menschen in wechselnder Intensität je nach aktueller Lebenssituation und -erfahrung. Ärztinnen und Ärzte sind davon in besonderem Maße betroffen, weil noch die Sorge um das Leben der Patienten hinzukommt. Eigene Betroffenheit von Todesängsten beeinflusst das ärztliche Handeln und das Gespräch mit Patienten. Sie verhindert möglicherweise ein emotional offenes Gespräch über das Thema. Zudem stellt sich die Frage, wann Ärzte bei eigener schwerer Erkrankung oder nach Verlust eines nahen Angehörigen emotional arbeitsfähig sind.
Ärzte haben in der Regel, anders als ärztliche und psychologische Psychotherapeuten, weniger berufsbezogene Selbsterfahrung mit dem Thema Tod. Die eigene biographische Bewältigungsleistung prägt die Arzt-Patient-Beziehung [1]. Eigene Erfahrungen von Ärzten als Patienten oder Angehörige von Patienten sind aber kaum Gegenstand von ärztlichen Fort- oder Weiterbildungen, obwohl derartige Erfahrungen nicht selten als Motivation für den Berufswunsch gelten.
Sprechen, Erzählen, Zuhören
Jedem, auch geübten Psychotherapeuten, fällt das Sprechen über Sterben und Tod schwer. Eine Fragebogenuntersuchung auf deutschen Palliativstationen ergab, dass in einem erheblichen Anteil von Gesprächen mit Patienten und Angehörigen die Bereiche Sterben und Tod nicht angesprochen wurden [3]. Es gibt wenig Hinweise auf Gesprächstechniken in diesem Bereich [4, 2] und häufig besteht der Wunsch nach manualhaften Anleitungen für derartige Gespräche, was wegen der großen Individualität und Variabilität nicht wirklich möglich ist. Existenzielle Themen betreffen alle Menschen, auch uns Ärzte, und sind nicht wirklich lösbar. Sie erfordern eine lebenslange Auseinandersetzung, also einen Prozess, und nicht eine einmalige Aneignung von Verhaltensweisen. Entscheidend scheint die persönliche Haltung zu dem Themenkomplex zu sein, die Kenntnis eigener biographischer Ressourcen und Belastungen sowie die "Einfallstore", durch die die eigenen z. T. lange zurückliegenden Belastungen reaktiviert werden können wie in dem o. g. Beispiel. Außerdem ist oftmals eine offene, aktive Einladung an das Gegenüber, dass diese schweren Themen zur Sprache kommen dürfen, nötig. Wenn Patienten und ihre Angehörigen eigene Leidensgeschichten erzählen dürfen – im Unterschied zur Beantwortung gezielter Fragen – bedeutet dies eine Wertschätzung ihrer subjektiven Lebenssituation und erfordert die Fähigkeit des Arztes als Zuhörer, eine "erzählfreundliche Situation" zu schaffen [5].
Ärztliche Haltung im Gespräch mit Patienten und Angehörigen in existenzieller Bedrohung
Im Angesicht existenzieller Themen wie Sterben, Tod und Trauer ist eine diagnostische Haltung zunächst hinderlich, wenn sie zu einer inneren Einengung führt mit Fragen wie: "Liegt eine psychische Krankheit vor? Wie soll ich damit umgehen?" Stattdessen wird ein offener, echter Dialog auch über philosophische und religiöse Fragen, Respekt vor dem Schicksal und die Fähigkeit, sich berühren zu lassen, ohne von eigenen Ängsten überwältigt zu werden, als hilfreich erlebt. Sind minderjährige Kinder als Angehörige betroffen, haben ihre Eltern oder Großeltern häufig Fragen zu deren Trauerreaktionen. Eine klassische Frage gilt z. B. immer noch der Teilnahme an der Trauerfeier oder Beerdigung: "Ab welchem Alter kann ein Kind daran teilnehmen?" – als wären alle Kinder einer Altersgruppe und ihre Familien und gar alle Beerdigungen gleich. Auch bei dieser Frage gilt es zunächst, dass der Fragende in eine Erzählung finden kann; z. B. darüber, was er oder sie dem betreffenden Kind zutraut, wie das Kind begleitet wird, was das Kind wohl (auch später) zu der Frage sagen würde und was andere dazu meinen. Das offene Gespräch mit Kindern in diesem Kontext fällt vielen schwer; als gehörten Kinder und der Tod nicht zusammen. Obwohl inzwischen eine Vielzahl guter Bilder- und Kinderbücher und Ratgeber zu dem Thema existieren, bleibt Unsicherheit. Insbesondere Kinderfragen können Erwachsene verunsichern.
Kindliche Konzepte von Sterben und Tod
Dass alle Lebewesen sterben, weiß das Kind nicht von Anfang an. Das Konzept des Todes gehört zu den komplexesten Begriffen unserer Kultur [6]. Das sogenannte Todeskonzept wird etwa bis zum 9. Lebensjahr erworben und besteht aus verschiedenen Elementen, die sich das Kind während seiner Entwicklung in unterschiedlichen Abschnitten aneignet. Dazu gehört die Unterscheidung zwischen belebten und unbelebten Objekten, die Fähigkeit zu wissen, dass ein Mensch noch da ist, auch wenn ich ihn im Moment nicht sehen kann, das Verständnis der Irreversibilität des Todes mit dem Sistieren aller Lebensfunktionen, auch die der Sinnesorgane. Versteht das Kind die Ursache des Todes und nicht zuletzt seine Universalität, d. h., dass es kein Leben ohne den Tod gibt? Die Frage "Wann verstehen Kinder den Tod?" lässt sich also nicht mit einer einfachen Altersangabe beantworten.
- "Versuch nicht, ihn zu vergessen. Gib nicht Dinge auf. Benutze den Tod deines Vaters nicht als Entschuldigung." (8)
- "Früher oder später passiert es sowieso. Nun brauchst du da nicht noch mal durchzugehen." (9)
- "Hab keine Angst, die Toten kommen nicht zurück und verletzen dich." (10)
- "Stell nicht so viele persönliche Fragen über den Tod, die ihnen unangenehm werden." (11)
- "Es ist ein Kampf, aber du kannst es überleben. Es wird leichter, wenn mehr Erinnerungen kommen und Schmerzen gehen." (12)
- "Finde deinen eigenen Weg, sag, wenn dich was stört." (15)
- "Versuche zu trösten, geh zu ihm hin, gib ihm keine Ratschläge, versuch, still zu sein." (15)
- "Hör einfach, was deine Eltern sagen, und fühl dich nicht angegriffen." (16)
- "Gib deine Religion nicht auf. Wenn ich die aufgegeben hätte, hätte ich alles aufgegeben." (16)
Mit Kindern über den Tod sprechen
Wichtig ist, dem Gespräch mit Kindern nicht auszuweichen und betroffenen erwachsenen Patienten dabei behilflich zu sein und mit ihnen gemeinsam zu überlegen, was schwierig sein könnte am Gespräch mit dem Kind oder Jugendlichen. Sie sollten sofortige Information über den Tod erhalten und der Tod sowie auch der Tote sollten beim Namen genannt werden. Gerade jüngere Kinder können durch Umschreibungen wie "er ist eingeschlafen" verwirrt werden. Durch behutsames Fragen, ohne sofort Antworten geben zu müssen, kann der Erwachsene erfahren, welche Vorstellungen in dem Kind vorherrschen, können schwierige Gedanken ausgesprochen werden, wobei auch eigenes Unverständnis nicht verborgen werden muss. Bei jüngeren Kindern sollte man sich auf wiederholende Fragen einstellen. Hilfreich ist es, Gelegenheit zu geben, dass das Kind selbst andere trösten kann, aber auch, dass es sich ablenken und bewegen kann. Falscher Trost schafft emotionale Distanz, deswegen ist es wichtig, das Ereignis nicht zu verharmlosen. Und manchmal ist es besonders tröstlich, gemeinsam zu schweigen und das Schwere auszuhalten [7]. Patienten können in der Hausarztpraxis tröstliches Verhalten erleben und dann auch weitergeben. Für die Hausärztin/den Hausarzt bedeutet dies, "die schmerzende Fähigkeit des Mitleidens" [8] zu entwickeln, ohne sich über die Maßen zu erschöpfen. Dazu ist es förderlich, einen Lebensstil im Sinne der Lebenskunst zu entwickeln, in der Selbstsorge einen positiven Gegenentwurf zum Burn-out darstellt [4].
- Wo ist die Brust jetzt? (3)
- Mama, die Haare wachsen doch auch nach, warum wächst die Brust nicht nach? (5)
- Wie soll ein Baby denn aus der Brust trinken? (8)
- Aber du musst doch jetzt nicht eingeschläfert werden?! (6)
- Hab ich aus der Brust getrunken? Bin ich vergiftet? (8)
- Wie viel muss man krank sein, dass man stirbt? (4)
- Mama, verabschiedest du dich, wenn du stirbst? (5)
- Mama, wann stirbst du denn nun? (7)

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (18) Seite 68-72