Bei der akuten Ischämie einer Gliedmaße kann das Gewebe innerhalb von Stunden irreversibel geschädigt werden. Eine rasche Diagnostik und Therapie sind daher wegweisend für die Prognose betroffener Patienten. Zur ambulanten Erstversorgung gehören neben Anamnese und körperlicher Untersuchung auch Sofortmaßnahmen wie Gabe von Heparin und Analgetika. Sodann sollte schnellstmöglich der Transport in die Klinik erfolgen.
Die akute Extremitätenischämie ist ein Notfall, der durch die plötzlich einsetzende arterielle Minderperfusion einer Gliedmaße gekennzeichnet ist [14, 18]. Bei einer Symptomdauer von weniger als 14 Tagen gilt die Extremitätenischämie als akut. Im Gegensatz hierzu besteht bei der chronischen Extremitätenischämie die Symptomatik in der Regel deutlich länger, so dass sich hier typischerweise Gefäßkollateralen ausbilden können und eine ausreichende Perfusion gewährleistet ist. Bei einem akuten Arterienverschluss reicht die Zeit für diesen Kompensationsmechanismus nicht aus.
Häufigkeit und Mortalität
Die Inzidenz der akuten Extremitätenischämie wird mit ca. 7 – 15/100 000 Einwohner pro Jahr angegeben [7, 8]. Eine Mortalitätsrate von 15 bis 30 % innerhalb der ersten 30 Tage spiegelt die Schwere dieser Erkrankung wider [8]. Insbesondere Patienten mit embolischer Genese eines Gefäßverschlusses haben aufgrund kardialer Komorbiditäten ein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Patienten mit thrombotischen Verschlüssen erleiden im Gegenzug häufiger Amputationen, da zusätzlich meist erhebliche arteriosklerotische Veränderungen vorliegen. Insgesamt beträgt die 30-Tage-Amputationsrate von Patienten mit akuter Extremitätenischämie etwa 10 – 30 % [7, 8, 10].
Ursachen und Lokalisationen
Die häufigsten Ursachen der akuten Extremitätenischämie sind die arterielle Embolie sowie die arterielle Thrombose auf dem Boden arteriosklerotischer Gefäßveränderungen [16, 17]. Seltenere Ursachen sind Gefäßdissektionen, (teil-) thrombosierte Aneurysmen, traumatische Gefäßrupturen, Vaskulitiden oder Kompressionen der Gefäße von außen. In ca. 10 – 20 % der Fälle ist die obere Extremität betroffen, wobei hier in der Regel eine embolische Genese zugrunde liegt [1, 9]. Die gezielte Anamnese und körperliche Untersuchung können erste Hinweise auf die Ätiologie des Gefäßverschlusses liefern.
Embolische Verschlüsse treten häufig bei kardial vorerkrankten Patienten auf und sind in über 70 % durch Thromben des linken Vorhofs bei Vorhofflimmern bedingt [9]. Weitere kardiale Emboliequellen treten bei Herzklappenerkrankungen, Herzwandaneurysma, linksventrikulärer Dysfunktion oder bei akutem Myokardinfarkt auf. Häufigste Lokalisation der Gefäßokklusionen bei embolischem Geschehen sind Gefäßaufzweigungen, insbesondere Femoralisbifurkation und Poplitealregion.
Arterielle Thrombosen entstehen bevorzugt bei Patienten mit atherosklerotisch vorgeschädigtem Gefäßsystem [19]. Stenosen der arteriellen Strombahn können durch Progredienz von Atherosklerose, Plaqueruptur sowie verändertem Blutfluss (Hypovolämie, Hyperviskosität und/oder Hyperkoagulabilität) zur akuten Gefäßokklusion führen. Prädisponiert für einen thrombotischen Gefäßverschluss sind dementsprechend Patienten mit Exsikkose, Schock, Herzinsuffizienz, Thrombozytose, Polyzythämie, malignen Erkrankungen und Gerinnungsstörungen [21]. Nicht selten entstehen arterielle Thrombosen durch den akuten Verschluss eines peripheren Venen- oder Kunststoffbypasses. Ursächlich sind hier meist Stenosen der Anastomosen und der dadurch verringerte Blutfluss im Bypass. Typische Lokalisation arterieller Thrombosen sind Prädilektionsstellen der chronischen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK): A. iliaca, A. femoralis und A. poplitea [9].
Diagnostik
In der Anamnese sollte nach Beginn und Verlauf des Extremitätenschmerzes gefragt werden. Dies lässt häufig erste Rückschlüsse auf die Genese der Ischämie zu. Die plötzlich, schlagartig auftretende Symptomatik ist charakteristisch für ein embolisches Geschehen. Bei thrombotischen Verschlüssen lässt sich meist eine vorbestehende pAVK mit belastungsabhängigen Schmerzen eruieren. In diesem Fall entwickelt sich die Symptomatik tendenziell subakut mit rascher Abnahme der schmerzfreien Gehstrecke. In der Anamnese sollte nach der aktuellen Medikation (Thrombozytenaggregationshemmer, (neue) orale Antikoagulanzien, Regelmäßigkeit der Medikamenteneinnahme), nach Vorerkrankungen (pAVK, kardiale Erkrankungen, Vorhofflimmern, Gefäßpunktionen/-operationen) sowie nach Allergien (Heparin, Kontrastmittel) gefragt werden.
Bei der körperlichen Untersuchung präsentiert sich die akute Extremitätenischämie meist durch Blässe, Marmorierung oder auch bläulich-livide Verfärbung der Haut (Abb. 1).
Oft fühlt sich die betroffene Extremität kühler an als die Gegenseite, die Rekapillarisierungszeit ist verzögert. Es sollte der komplette Pulsstatus im Seitenvergleich erhoben werden, dies kann einen ersten Hinweis auf die Lokalisation des Gefäßverschlusses geben. Hierbei ist auch auf eine mögliche Arrhythmie zu achten. Als klassische Symptomatik der akuten Extremitätenischämie werden häufig die sechs Ps nach Pratt genannt, welche vollständig in der Regel nur bei kompletter Ischämie durch ein embolisches Ereignis auftreten: Pain (Schmerzen), Pulselessness (Pulslosigkeit), Pallor (Blässe), Paresthesia (Gefühlsstörung), Paralysis (Bewegungsunfähigkeit), Prostation (Schocksymptomatik).
Die Einteilung der akuten Extremitätenischämie und letztlich die weitere Diagnostik und Therapie richten sich nach der Ausprägung der klinischen – insbesondere der neurologischen – Symptomatik (vgl. Tabelle 1) [20]. Bei jedem Patienten ist daher eine neurologische Untersuchung mit Prüfung von Sensibilität und Motorik erforderlich.
Pathophysiologisch spielt die unterschiedliche Ischämietoleranz der betroffenen Gewebe eine wichtige Rolle. Durch eine kurze Ischämietoleranz von Nerven und Muskelgewebe wird dieses bereits innerhalb weniger Stunden irreversibel geschädigt. Im weiteren Verlauf sind Schäden des Subkutan- und Hautgewebes zu erwarten. Bei Stadium I und II a spricht man auch von einer inkompletten (teilweise kompensierten), ab Stadium II b von einer kompletten, im Stadium III von einer irreversiblen Ischämie.
Sofortmaßnahmen
Nach Anamnese und körperlicher Untersuchung ist die Verdachtsdiagnose gestellt und es sollten rasche Sofortmaßnahmen eingeleitet werden. Ein dementsprechender Algorithmus ist in Abbildung 2 dargestellt.
Mit Anlage eines intravenösen Zugangs sollte eine Blutentnahme erfolgen. Hierbei sind Laborparameter hinsichtlich des Ausmaßes eines Gewebeschadens (Elektrolyte, Kreatinkinase, Myoglobin, LDH, GOT, Laktat) und einer anstehenden Intervention/Operation relevant (Blutbild inkl. Hämatokrit und Thrombozyten, Nierenwerte, Gerinnung, TSH) [18]. Zur Optimierung der rheologischen Eigenschaften des Blutes und Vermeidung einer Thrombusprogredienz wird die Heparingabe sowie die Gabe kristalloider Flüssigkeit (0,9 %ige NaCl-Lösung i.v.) empfohlen [12, 21]. Die betroffene Extremität sollte mittels Watteverband versorgt und tief gelagert werden (ca. 30 Grad). Eine adäquate Schmerztherapie kann durch die intravenöse Gabe von Analgetika gewährleistet werden (z. B. Opioide). Die intramuskuläre Gabe von Medikamenten ist in dieser Situation kontraindiziert, da diese einer möglicherweise anstehenden Lysetherapie im Wege stünde. Kälte- oder Wärmeapplikationen sollen nicht durchgeführt werden. Der Patient sollte nüchtern bleiben, da möglicherweise eine Operation bevorsteht.
Wichtigste Maßnahme ist jedoch der schnellstmögliche Transport in eine Klinik – möglichst mit ausreichender Expertise in den diagnostischen sowie therapeutischen Möglichkeiten der Revaskularisation [17].
Versorgung im Krankenhaus
Die weitere Diagnostik und Therapie im Krankenhaus richtet sich nach dem klinischen Stadium (vgl. Abb. 2). Initial sollte neben der Messung der systolischen Knöchelarteriendrucke (s. u.) eine farbkodierte Duplexsonographie durchgeführt werden [4, 17]. Sie bietet in den meisten Fällen rasch Aufschluss über die Lokalisation, Morphologie und das Ausmaß des Gefäßverschlusses.
Therapeutisch stehen bei akuten arteriellen Verschlüssen die chirurgische Operation (Fogarty Katheterthrombembolektomie, lokale Thrombektomie, Thrombendarteriektomie, Bypassverfahren), kathetergestützte Verfahren (lokale Thrombolyse, mechanische Thrombembolektomie, perkutane transluminale Angioplastie (PTA)/Stenting) und Hybridverfahren (Kombination von interventionellen und operativen Verfahren) zur Verfügung [2, 13, 15, 22]. Die Entscheidung für eine bestimmte Behandlungsmaßnahme hängt ab von
- Schweregrad der Ischämie
- Dauer der Ischämie
- Lokalisation/Ausdehnung des Gefäßverschlusses
- Ätiologie (embolisch/thrombotisch)
- den patientenspezifischen Risiken (Komorbiditäten)
- Eingriffs-/Narkoserisiko und
- bestehenden Kontraindikationen für eine Lysetherapie [5, 12, 14, 21].
Entscheidende Faktoren bei der Wahl des optimalen Verfahrens sind das Ischämiestadium sowie insbesondere die rasche Verfügbarkeit einer entsprechenden Therapie [17]. Goldstandard in der Lokalisationsdiagnostik ist letztlich die digitale Subtraktionsangiographie (DSA). Vorteil ist, dass in einem Eingriff zuerst die Darstellung des Gefäßsystems mit anschließender therapeutischer Intervention erfolgen kann (vgl. Abb. 3) [2].
Bei nicht vitaler Gefährdung der Extremität (Stadium I) kann auch eine konservative Therapie mittels Antikoagulation, Prostaglandin-Therapie und Gehtraining indiziert sein. Bei kompletter Ischämie (Stadium II b) sollte nach Lokalisation des Gefäßverschlusses ohne Zeitverlust durch diagnostische Maßnahmen eine Revaskularisation durchgeführt werden [17]. Insbesondere bei proximalen Gefäßverschlüssen wird aus Zeitgründen häufig eine direkte gefäßchirurgische Operation empfohlen [3]. Bei Patienten mit irreversiblen Schäden des Gewebes (Stadium III) muss normalerweise eine Amputation erfolgen ("life before limb").
Durch eine erfolgreiche Revaskularisation ist keinesfalls die Gefahr für Extremität und Patient behoben. Durch die Reperfusion können sekundäre Komplikationen auftreten. Durch ein postischämisches Weichteilödem kann es zu einem Kompartmentsyndrom kommen, das letztlich einer Fasziotomie bedarf. Eine weitere gefürchtete Komplikation ist das Tourniquet-Syndrom mit Rhabdomyolyse, metabolischer Azidose, Hyperkaliämie, Myoglobinurie und akutem Nierenversagen. Dieses tritt insbesondere bei länger bestehendem (> sechs Stunden) sowie proximalem Gefäßverschluss auf und benötigt eine intensivmedizinische Überwachung [11]. In solchen Fällen muss bereits vor Revaskularisation eine primäre Amputation diskutiert werden.
Sekundärprophylaxe
Nach erfolgreicher Revaskularisation muss eine Diagnostik und Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung erfolgen. Therapeutisch ist bei Vorhofflimmern eine konsequente Antikoagulation notwendig, um Rezidiven oder anderweitigen Embolien (Schlaganfall) vorzubeugen. Bei thrombotischen Gefäßverschlüssen, die ursächlich durch atherosklerotische Plaques hervorgerufen wurden, steht eine Sekundärprophylaxe mittels medikamentöser Thrombozytenaggregationshemmung sowie Statintherapie im Vordergrund. Komorbiditäten wie koronare Herzkrankheit oder zerebrovaskuläre Erkrankungen sollten abgeklärt werden [14]. Bei Patienten mit Z. n. peripherer Bypassversorgung sollten regelmäßige duplexsonographische Kontrollen erfolgen (Stenosen der Anastomosen? Bypassfluss?) [14].

Interessenkonflikte: keine deklariert