Egal ob Internetkultur, Digitalisierung oder große Medizinfortschritte, Verstädterung oder zunehmende Individualisierung – auch der Gesundheitsmarkt befindet sich im Wandel. Das hat Konsequenzen: Heilberufler stehen mehr denn je vor der Herausforderung, ihre Praxen zukunftsfähig zu machen. Was können Sie als Praxisinhaber tun, damit Ihre Praxis in Zukunft optimal aufgestellt ist? Welche Trends und Faktoren spielen eine Rolle? Welchen Herausforderungen müssen wir uns stellen?

Die Patientenerwartungen haben sich gewandelt. Der Arzt muss sich und seine Diagnose umfassender erklären und mehr Einwände als früher entkräften.

Im Rahmen einer Untersuchung, die der Digitalverband Bitkom zusammen mit dem Ärzteverband Hartmannbund 2017 durchgeführt hat, wurden 477 Ärzte aller Funktionen und Fachrichtungen, darunter Ärzte im Krankenhaus und niedergelassene Ärzte, befragt. Im Ergebnis erwarten die Befragten, dass sich das Verhältnis von Arzt und Patient durch Mobile Health grundlegend wandelt. Dabei wird das Smartphone als das "Stethoskop des 21. Jahrhunderts" angesehen. Dieses liegt nicht mehr in der Hand des Arztes, sondern beim Patienten, der in seinem Alltag sehen kann, ob sich etwa sein Zustand verbessert, die Therapie anschlägt oder er den Arzt aufsuchen muss. Trotz aller Klagen steht die, wenn auch knappe, Mehrheit der Mediziner (53 %) Gesundheits-Apps positiv gegenüber. Jeder vierte Arzt (25 %) wurde von Patienten sogar schon auf eine Gesundheits-App angesprochen. Und 83 % glauben, dass Apps den Patienten helfen, ihre Vitaldaten selbst zu kontrollieren.

„Dr. Google“: Internet als zweischneidiges Schwert

Durch die Digitalisierung und die damit einhergehende zunehmende Verfügbarkeit von Informationen sehen sich viele Ärzte aber auch mehr und mehr mit veränderten Patientenerwartungen konfrontiert. Denn immer mehr Patienten informieren sich vor ihrem Arztbesuch online. Manch einer spricht von "Dr. Google", der mit im Behandlungszimmer säße und zu allem etwas zu sagen und zu fragen hätte. Anders als früher, als der Arzt als alleiniger Informationshalter den Patienten so informieren konnte, wie es aus seiner Sicht richtig war, kommen heute viele Patienten bereits sehr informiert in die Praxis. Die Patientenerwartungen haben sich gewandelt. Der Arzt muss sich und seine Diagnose umfassender erklären, den Patienten mit in seine Entscheidung einbeziehen und mehr Einwände als früher entkräften. Auch deshalb, weil "Dr. Google-Informationen" durchaus missverständlich oder gar fehlerhaft sein können.

Herausforderung demografischer Wandel

Neben dem Schlagwort Digitalisierung ist es vor allem der demografische Wandel, dessen Auswirkungen Gesundheitsexperten beschäftigen. Bis 2030 wird erwartet, dass zwischen 67 % und 85 % der ärztlichen Vollzeitkräfte ausscheiden werden. Beim nichtärztlichen Personal sind es zwischen 45 % und 60 %. Als Folge werden noch mehr Stellen unbesetzt bleiben. Die angespannte Situation wird sich noch weiter verschärfen.

Diese Entwicklung wird in ländlichen Regionen, aber auch in Städten und Ballungsräumen zum Problem. Schon heute ist es so, dass Gemeinden kreativ mit "Landarzt-Kopfgeldprämien" werben, um die ärztliche Versorgung zu sichern. Schwangere müssen zur Entbindung 30 km ins nächste Krankenhaus fahren. Kinderstationen werden geschlossen, auch, weil sie aufgrund von engen Grenzen der Pauschalvergütung nicht wirtschaftlich arbeiten.

In großen Städten und Ballungsräumen bietet sich Patienten hingegen eine Vielzahl an ärztlichen Versorgungsmöglichkeiten. Dennoch warten Patienten auch hier durchaus Wochen und Monate, bis sie einen Facharzt-Termin wahrnehmen können. Ärztliche Versorgung scheint demnach ebenfalls verbesserungswürdig zu sein.

Aus Sicht der Ärzte stellt sich die Situation häufig so dar: Volle Wartezimmer, nie endende Sprechzeiten, anstrengende Patienten, verbunden mit einer Politik und Bürokratie, die mehr und mehr belastet als unterstützt. 80-Stunden-Wochen, kein Nachwuchs in Sicht, Praxisinhaber finden keinen Nachfolger und Arbeit ohne Ende …

Der demografische Wandel führt, das scheint gesichert, mehr und mehr in einen Versorgungsengpass. Um dem entgegenzuwirken, muss die Politik die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen. Aber auch jeder Einzelne kann in seiner Praxis aktiv werden, um die Situation zu verbessern und seine Praxis fit für die Zukunft zu machen. Im Folgenden werden einige Beispiele für die Hausarztpraxis aufgezeigt:

Digitale Helfer könnten Hausbesuche entlasten

Einen großen Zeit- und Kostenfaktor bilden die Hausbesuche. Hier können digitale Helfer wertvolle Unterstützung leisten und für Entlastung sorgen, ohne eine angemessene Patientenversorgung negativ zu beeinträchtigen. So könnte beispielsweise die Überwachung von Wundheilungen auch digital erfolgen. Mithilfe einer App auf dem Smartphone fotografiert der Patient die Wunde in regelmäßigen Abständen. Die App misst gleichzeitig die Umgebungstemperatur der Wunde und sendet die Daten an den Behandler. Der Behandler muss jetzt aber nicht jedes Bild einzeln anschauen, denn sofern die Wundheilung normal verläuft, werden die Daten nur in der Patientenakte gespeichert. Gibt es aber Auffälligkeiten, meldet sich das System beim Arzt. Für die Praxis und den Arzt bedeutet das eine ganz konkrete Entlastung, weil nicht jede Wundheilung selbst analysiert und beurteilt werden muss, sondern ein automatisiertes System unterstützt. Es entfallen also Sprech-, Anreise- und Analysezeiten für den Arzt. Gleichzeitig sichert der "digitale Hausbesuch" die optimale Patientenversorgung und gibt wertvolle Kapazitäten frei, die dringend benötigt werden.

Was können und sollten Sie tun, um Ihre Praxis für die Zukunft zu rüsten?
Investieren Sie in...
  • eine IT, die Ihnen die digitale Kommunikation mit Ihren Patienten bzw. "Gesundheitskunden der Zukunft" und den weiteren Beteiligten des jeweiligen Gesundheitsnetzes ermöglicht.
  • Know-how, damit Sie die Möglichkeiten zur Entlastung Ihrer Praxis frühzeitig erkennen und für sich optimal einsetzen und nutzen können.
  • patienten-/gesundheitskundenorientierte Gesprächsführung, damit Sie als Berater und Coach Ihren Patienten und "Gesundheitskunden" helfen, die passenden Entscheidungen zu treffen.

KI-gestütztes digitales System zur Diagnose

Ein anderes Beispiel ist ein durch künstliche Intelligenz (KI) gestütztes digitales Diagnosesystem. Die von Ärzten, Wissenschaftlern und Ingenieuren entwickelte Ada-App ist 2016 in einer englischsprachigen Version auf den Markt gekommen, seit Oktober 2017 gibt es sie auch auf Deutsch. In der App, die vom Anbieter als "persönliche Gesundheitshelferin" bezeichnet wird, können Nutzer Beschwerden eingeben und werden per Chat durch einen Fragenkatalog geführt. Am Ende erfahren sie, um welche Erkrankung es sich handeln könnte und ob sie einen Arzt aufsuchen sollten. Die Nutzer erhalten den Hinweis, dass es sich nicht um eine Diagnose, sondern um eine Information handelt. Dennoch bietet die App laut Anbieter eine wertvolle Orientierung, die auch Ärzte bei der Diagnose entlasten soll. Neben der Patienten-App gibt es mit "Ada Dx" auch eine Anwendung für Mediziner, die derzeit ausschließlich in Studien eingesetzt wird. In dieser App sehen Ärzte nicht nur die Vorschläge des Systems, sondern auch die Aspekte, die verworfen wurden, in Form von "Entscheidungsbäumen". Somit, so die Hoffnung, können Diagnosen schneller erfolgen. Der Arzt verfügt hiermit über ein digitales Instrument, das als lernendes System auf einer umfassenden, durch die Auswertung anonymisierter Patientendaten sich ständig erweiternden Datenbank basiert.

Mit der E-Akte zu mehr Transparenz

Mit der Einführung der E-Akte erhoffen sich die Experten vor allem, dass unnötige Doppeluntersuchungen wegfallen und zugleich wichtige Gesundheitsdaten schnell zur Verfügung stehen. Hausärzte werden weniger lange auf die Zustellung von Berichten der Facharztkollegen warten müssen, weil diese quasi in Echtzeit in der Patientenakte gespeichert werden. Gleichzeitig stehen auch dem Patienten selbst alle Untersuchungsergebnisse zur Verfügung. Beim Besuch eines anderen Arztes können vorangegangene Untersuchungsergebnisse wertvolle Unterstützung bei den richtigen Diagnosen leisten.

Herausforderung Digitalisierung

Kritiker warnen vor Problemen, insbesondere beim Datenschutz. Sicherlich gehört der Schutz der persönlichen Daten mit zu den größten Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Dennoch, der Wandel hat schon längst begonnen. Dabei wird eines deutlich: Digitalisierung umfasst all unsere Lebensbereiche. Sie ist nicht aufzuhalten. In diesem Sinne kann die Devise nur lauten: "Wer nicht mit dem Wandel der Zeit geht, geht mit der Zeit."



Autor:

Jonas Kock

Fachberater für Heilberufe, Geschäftsführer
Kock + Voeste Existenzsicherung für die Heilberufe GmbH, Berlin

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (11) Seite 65-68