Die infektiöse Endokarditis (IE) ist eine schwere Erkrankung der Herzklappen, die trotz aller medizinischen Fortschritte auch heute noch eine hohe Morbidität und Letalität nach sich zieht. Es kommt zu einer meist bakteriellen Infektion kardialer oder herznaher Strukturen, strukturenprothetischen Materials oder intrakardialer Devices. Dem Hausarzt als Primärversorger kommt hier eine Schlüsselrolle in der Früherkennung zu. Auch muss er sich bei der Prävention mit der Frage der Antibiotikaprophylaxe beschäftigen: Welche Patienten brauchen sie wirklich?

Kasuistik
Ein 65-jähriger, bisher gesunder Patient stellt sich in der Praxis vor. Er klagt über Abgeschlagenheit und Müdigkeit seit vier Wochen. Auch bestehen wiederholt subfebrile Temperaturen bis 38°C. Die körperliche Untersuchung ergibt – bis auf ein diskretes Systolikum mit p.m. über Erb – keine Auffälligkeiten. Das Labor zeigt eine Leukozytose von 13/nl mit Linksverschiebung, C-reaktives Protein (CRP) von 50 mg/dL. Der Hb liegt bei 12 g/dL. Unter einer Antibiose mit Levofloxacin fühlt sich der Patient zunächst besser. Nach circa vier Wochen kommt er jedoch mit deutlich schlechterem Allgemeinbefinden und einem Gewichtsverlust von sechs Kilo wieder in die Sprechstunde. In der Untersuchung fallen sowohl ein systolisches als auch ein diastolisches Herzgeräusch auf. Über der Lunge sind feinblasige Rasselgeräusche auskultierbar.

Der Patient wird umgehend in die nächste Klinik der Maximalversorgung eingewiesen. Die Leukozyten sind bei 13/nl, das CRP bei 150 mg/dL, und es liegt eine normochrome normozytäre Anämie vor (Hb 8,5 g/dl). Die Echokardiographie zeigt endokarditistypische Auflagerungen auf Mitral- und Aortenklappe mit jeweils hochgradigen Insuffizienzen (Abb. 1).

Nach Abnahme von drei Blutkulturen wird eine kalkulierte antibiotische Therapie mit Amoxicillin, Flucloxacillin und Gentamicin eingeleitet. Aufgrund der zunehmenden hämodynamischen Verschlechterung erfolgt am nächsten Tag die Operation mittels biologischem Klappenersatz von Mitral- und Aortenklappe. In den Blutkulturen sowie im Op.-Präparat wird Streptococcus gallolyticus subspecies gallolyticus (ehemals bovis) nachgewiesen. Dieser ist hoch suspekt für das Vorliegen eines Kolonkarzinoms [1]. Im Anschluss an die Rehabilitation wird eine Koloskopie vorgenommen, die ein invasives Kolonkarzinom zeigt.

Die IE wird meist durch Bakterien, seltener durch Pilze verursacht. Es handelt sich um eine seltene Erkrankung mit allerdings steigender Inzidenz (in Deutschland 2006 9,5 Fälle/100.000 Einwohner, 2014 14,4/100.000) und unverändert hoher Mortalität (in Deutschland 17 %) [1]. Neben nativen Herzklappen betrifft sie zunehmend Fremdmaterial wie Klappen- und Gefäßprothesen sowie intrakardiale Sonden – aufgrund moderner, minimalinvasiver Verfahren, die z. B. Klappeneingriffe auch für ältere, multimorbide Patienten ermöglichen [4]. Damit hat sich auch das Erregerspektrum gewandelt: So ging die IE durch Streptokokken zurück, dafür legten die Staphylokokken (V. a. Staphylococcus aureus) mit besonders aggressivem Verlauf zu [5].

Diagnostik

Klinische Symptome

Allgemeinsymptome wie Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust oder Muskelschmerzen treten bei der IE oft auf. Bei wiederkehrendem Fieber sollte immer eine Herzauskultation erfolgen. Ein neues oder aggraviertes Herzgeräusch sollte an eine Endokarditis denken lassen. Dies ist, wie die Dyspnoe oder kardiale Stauungszeichen, bereits die Endstrecke, d. h. die Destruktion der Klappenstrukturen mit konsekutivem Vitium. Ein weiteres häufiges Erstsymptom sind septische Embolien, die prinzipiell in allen Organen auftreten können. Selten kommt es zu vaskulären oder immunologischen Phänomenen: Osler-Knoten (Immunkomplexvaskulitis mit subkutanen hämorrhagischen Knötchen), Splinter-Hämorrhagien (Einblutungen unter den Finger- und Fußnägeln, Abb. 2) sowie Janeway-Läsionen (Einblutungen in Handinnenflächen und Fußsohlen durch Immunkomplexe). Eine Verschlechterung der Nierenfunktion kann sowohl durch septische Embolien als auch immunologisch durch eine Glomerulonephritis bedingt sein.

Laborparameter, Risikopatienten und weiterführende Diagnostik

Die üblichen serologischen Endzündungsmarker können erhöht sein (Leukozytose mit gegebenenfalls Linksverschiebung, Erhöhung von C-reaktivem Protein und Procalcitonin). Eine begleitende Anämie ist vor allem bei prolongiertem Verlauf (Endokarditis lenta) häufig. Auch bei nur moderat erhöhten oder unauffälligen Werten (vor allem von Procalcitonin) kann man eine IE nicht ausschließen. Patienten mit intrakardialem Fremdmaterial (Klappen-/Gefäßprothesen, Sonden), intravenösem Drogenabusus (auch länger zurückliegend), Kathetermaterial (Port, Dialysekatheter, Shunt) und vor allem einer stattgehabten Endokarditis sind besonders gefährdet.

In den Leitlinien von 2015 [3] zählen die Echokardiographie und der mikrobiologische Erregernachweis weiter zu den diagnostischen Säulen. Daneben wurden moderne Schnittbildgebungsverfahren aufgenommen. Zunächst erfolgt die transthorakale Echokardiographie (TTE), oft ist jedoch eine transösophageale Echokardiographie (TEE) erforderlich [8], vor allem bei Kunstklappen oder eingeschränkten Untersuchungsbedingungen [9]. Patienten mit kompliziertem Verlauf (Zeichen der Herzinsuffizienz, hämodynamische Instabilität, Sepsis oder Embolien) sollten schon initial einem Zentrum der Maximalversorgung mit Endokarditis-Team (Kardiologie, Herzchirurgie, Infektiologie, Mikrobiologie, Radiologie und optimalerweise Neurologie) zugeführt werden. Diese multidisziplinäre Versorgung kann die Mortalität reduzieren [10].

Bei initial unauffälliger Echokardiographie, aber anhaltendem Verdacht auf eine IE sollte man die Untersuchung nach fünf bis sieben Tagen wiederholen. Auch der Nachweis der Bakteriämie ist ein substanzielles Diagnosekriterium. Vor einer antibiotischen Therapie sollte man – unabhängig von Fieber – Blutkulturen (BK) gewinnen (drei Pärchen aerob/anaerob durch dreimalige Punktion). In vielen Fällen gelingt kein Erregernachweis (bis zu 31 % [7]). Gründe können u. a. eine erfolgte antibiotische Therapie oder schwer anzüchtbare Erreger sein. Dies sind vor allem die gramnegativen Erreger der HACEK-Gruppe (Haemophilus species, Aggregatibacter species, Cardiobacterium hominis, Eikenella corrodens und Kingella species), Bartonella und Coxiella species, Rickettsien, Chlamydien und Pilze [11]. Der Arzt sollte unbedingt die Verdachtsdiagnose Endokarditis vermerken, damit im Labor weitere Tests (Langzeitkulturen, spezielle Nährböden oder PCR) erfolgen können.

Diagnose und Therapie

Auch die bekannten Duke-Kriterien [12] wurden 2015 modifiziert (Tabelle 1). Sie sind als primär diagnostische Kriterien zu verstehen. Besteht bei "möglicher" oder "ausgeschlossener" Endokarditis weiter ein hochgradiger Verdacht, wird empfohlen, erweiterte diagnostische Kriterien anzuwenden (18FDG-PET/CT oder SPECT/CT sowie das Kardio-CT), vor allem für Klappenprothesen und zur Detektion von Abszessen. Diese Verfahren bleiben derzeit jedoch speziellen Indikationen vorbehalten. Als Therapieziele gelten die möglichst spezifische Eradikation der Keime, die Behandlung der Komplikationen und gegebenenfalls die operative Sanierung. Bei dringendem IE-Verdacht sollte der Arzt nach Abnahme der erforderlichen Blutkulturen umgehend die Antibiotikatherapie einleiten. Die initiale kalkulierte Antibiose richtet sich nach dem Keimspektrum (Nativklappe oder Klappenersatz in der frühen postoperativen Phase). Eine späte Prothesen-
endokarditis (> 12 Monate postoperativ) wird wegen des modifizierten Keimspektrums wie eine Nativklappenendokarditis behandelt. Bei der frühen Prothesenendokarditis ist vermehrt mit gramnegativen sowie multiresistenten Erregern zu rechnen, vor allem mit MRSA.

Über 80 % der Endokarditisfälle verursachen Streptokokken und Staphylokokken [6]. Die Nativklappenendokarditis wird deshalb kalkuliert mit einer Kombitherapie aus Ampicillin, Flucloxacillin und Gentamicin behandelt, bei Allergie gegen Betalaktam-Antibiotika mit Vancomycin plus Gentamicin. Bei früher Prothesenendokarditis erfolgt die Gabe von Gentamicin, Vancomycin und Rifampicin. Bei Keimnachweis sollte der Arzt die Antibiose anpassen – Therapieschemata finden sich in den aktuellen Leitlinien [2, 14 15]. Eine Prothesenendokarditis ist meist deutlich länger zu behandeln (Nativklappe zwei bis sechs Wochen, Prothesenendokarditis mindestens sechs Wochen ab negativen mikrobiologischen Kulturen aus Blut oder Op.-Material). Die enge Kooperation mit Mikrobiologen oder Infektiologen empfiehlt sich immer, besonders bei negativen Blutkulturen.

Fast die Hälfte der Patienten braucht im Verlauf zudem eine chirurgische Therapie – sie sollten daher frühzeitig in ein Zentrum mit Herzchirurgie verlegt werden [4]. Die Indikationen: Herzinsuffizienz bedingt durch Klappendestruktionen, unkontrollierte Infektionen und Prävention einer Embolisierung durch Vegetationen. Infektionen mit Staphylokokken, multiresistenten Erregern oder Pilzen sind besonders kritisch.

Prävention

Wegen ihrer schlechten Prognose ist bei der IE die Prävention entscheidend (Tabelle 2). Sie umfasst neben der Beseitigung multiresistenter Erreger, der Wundbehandlung und der Antibiose in erster Linie eine ausreichende, vor allem orale Hygiene. Bei hohem Endokarditisrisiko sollte der Arzt auf eine professionelle Zahnpflege des Patienten achten. Aufgrund der eingeschränkten Evidenz und aufgrund von Hinweisen auf negative Effekte [13] ist die antibiotische Prophylaxe auf einen engen Kreis von Hochrisikopatienten (Tabelle 3)
mit relevanter Bakteriämie (vor zahnärztlichen, nicht aber bei aseptischen Eingriffen am Respirations-, Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt) beschränkt. Auch Patienten mit minimalinvasivem, katheterbasiertem Herzklappenersatz gehören zur Hochrisikogruppe. Jeder Patient, der eine Endokarditisprophylaxe benötigt, sollte einen entsprechenden Pass erhalten. Im Zweifel ist mit dem betreuenden Kardiologen Rücksprache zu halten. Die Prophylaxe erfolgt mit Amoxicillin oder Ampicillin (Erwachsene: 2 g, Kinder 50 mg/kg KG p.o. oder i.v.), bei Allergie gegen Betalaktam-Antibiotika mit Clindamycin (Erwachsene 600 mg, Kinder 20 mg kg/KG p.o. oder i.v.) 30 – 60 Minuten vor dem Eingriff.

Fazit für die Praxis
  • Die IE ist eine seltene, aber lebensbedrohliche Erkrankung mit steigender Inzidenz. Zur Verbesserung der Prognose sind die rasche Diagnose und Therapie entscheidend.
  • Die Echokardiographie sowie die Gewinnung von Blutkulturen sind die Grundpfeiler der Diagnostik. Die Therapie sollte in einem Zentrum durch ein interdisziplinäres Endokarditis-Team begleitet werden.
  • Basis- und Mundhygiene sind die wichtigsten Präventionsmaßnahmen.
  • Die Antibiotikaprophylaxe ist auf Hochrisikopatienten i. R. von Hochrisikoeingriffen (in erster Linie beim Zahnarzt) beschränkt.


Literatur
1. Abdulamir AS, Hafidh RR, Abu Bakar F. 2011. The association of Streptococcus bovis/gallolyticus with colorectal tumors: the nature and the underlying mechanisms of its etiological role. J Exp Clin Cancer Res 30:11. doi:10.1186/1756-9966-30-11.
2. K Keller et al.: Temporal Trends in the Prevalence of Infective Endocarditis in Germany Between 2005 and 2014. Am J Cardiol. 2017 Jan 15;119(2):317-322
3. Habib G, Lancellotti P, Antunes MJ, Bongiorni MG, Casalta J-P, Del Zotti F, Dulgheru R, El Khoury G, Erba PA, Iung B, Miro JM, Mulder BJ, Plonska-Gosciniak E, Price S, Roos-Hesselink J, Snygg-Martin U, Thuny F, Tornos Mas P, Vilacosta I, Zamorano JL. 2015. 2015 ESC Guidelines for the management of infective endocarditis: The Task Force for the Management of Infective Endocarditis of the European Society of Cardiology (ESC). Endorsed by: European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS), the European Association of Nuclear Medicine (EANM). Eur Heart J 36:3075–3128. doi:10.1093/eurheartj/ehv319.
4. Murdoch DR, Corey GR, Hoen B, Miró JM, Fowler VG, Bayer AS, Karchmer AW, Olaison L, Pappas PA, Moreillon P, Chambers ST, Chu VH, Falcó V, Holland DJ, Jones P, Klein JL, Raymond NJ, Read KM, Tripodi MF, Utili R, Wang A, Woods CW, Cabell CH. 2009. Clinical presentation, etiology, and outcome of infective endocarditis in the 21st century: the International Collaboration on Endocarditis-Prospective Cohort Study. Arch Intern Med 169:463–473. doi:10.1001/archinternmed.2008.603.
5. Fowler VG, Miro JM, Hoen B, Cabell CH, Abrutyn E, Rubinstein E, Corey GR, Spelman D, Bradley SF, Barsic B, Pappas PA, Anstrom KJ, Wray D, Fortes CQ, Anguera I, Athan E, Jones P, van der Meer JTM, Elliott TSJ, Levine DP, Bayer AS. 2005. Staphylococcus aureus endocarditis: a consequence of medical progress. JAMA 293:3012–3021. doi:10.1001/jama.293.24.3012.
6. Hoen B, Duval X. 2013. Clinical practice. Infective endocarditis. N Engl J Med 368:1425–1433. doi:10.1056/NEJMcp1206782.
7. Bin Abdulhak AA, Baddour LM, Erwin PJ, Hoen B, Chu VH, Mensah GA, Tleyjeh IM. 2014. Global and regional burden of infective endocarditis, 1990-2010: a systematic review of the literature. Glob Heart 9:131–143. doi:10.1016/j.gheart.2014.01.002.
8. Erbel R, Rohmann S, Drexler M, Mohr-Kahaly S, Gerharz CD, Iversen S, Oelert H, Meyer J. 1988. Improved diagnostic value of echocardiography in patients with infective endocarditis by transoesophageal approach. A prospective study. Eur Heart J 9:43–53.
9. Habib G, Badano L, Tribouilloy C, Vilacosta I, Zamorano JL, Galderisi M, Voigt J-U, Sicari R, Cosyns B, Fox K, Aakhus S. 2010. Recommendations for the practice of echocardiography in infective endocarditis. Eur J Echocardiogr 11:202–219. doi:10.1093/ejechocard/jeq004.
10. Botelho-Nevers E, Thuny F, Casalta JP, Richet H, Gouriet F, Collart F, Riberi A, Habib G, Raoult D. 2009. Dramatic reduction in infective endocarditis-related mortality with a management-based approach. Arch Intern Med 169:1290–1298. doi:10.1001/archinternmed.2009.192.
11. Raoult D, Casalta JP, Richet H, Khan M, Bernit E, Rovery C, Branger S, Gouriet F, Imbert G, Bothello E, Collart F, Habib G. 2005. Contribution of systematic serological testing in diagnosis of infective endocarditis. J Clin Microbiol 43:5238–5242. doi:10.1128/JCM.43.10.5238-5242.2005.
12. Durack DT, Lukes AS, Bright DK. 1994. New criteria for diagnosis of infective endocarditis: utilization of specific echocardiographic findings. Duke Endocarditis Service. Am J Med 96:200–209.
13. Glenny A-M, Oliver R, Roberts GJ, Hooper L, Worthington HV. 2013. Antibiotics for the prophylaxis of bacterial endocarditis in dentistry. Cochrane Database Syst Rev:CD003813. doi:10.1002/14651858.CD003813.pub4.
14. Leitlinie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft: Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen - Update 2018: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/082-006.html
15. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz-und Kreislaufforschung e.V. (2016) ESC Pocket Guidelines. Infektiöse Endokarditis, Version 2015. Börm Bruckmeier Verlag GmbH, Grünwald. Kurzfassung der "ESC Guidelines for the management of infective endocarditis"(European Heart Journal, doi/10.1093/eurheartj/ehv319)


Autorin:

Dr. med. Anne Funke-Kaiser

UNI-Klinikum Hamburg Eppendorf, Universitäres Herzzentrum Klinik f. Kardiologie
20251 Hamburg

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (5) Seite 26-30