Eine overte maternale Hypo- oder Hyperthyreose führt zu vermehrten Schwangerschaftskomplikationen und hat einen deutlich negativen Einfluss auf die kindliche Entwicklung. Diese klaren Schilddrüsendysfunktionen müssen behandelt werden – darüber gibt es breiten Konsens. Schwierig wird es bei der Frage, ob und wie sich schon eine leichte Unterfunktion auf die Gesundheit des Babys auswirkt.
Bis vor einigen Jahren gab es neben der subklinischen Hypothyreose noch ein weiteres Krankheitsbild der Schilddrüse: Schon ein TSH-Wert von > 2,5 mIU/l und unterhalb des oberen Referenzwerts bei einer Frau mit Kinderwunsch galt als behandlungsbedürftig, obwohl diese "Erkrankung" nicht in den Definitionen der Schilddrüsenfunktionsstörungen steht. Einige Leitlinien und unzählige Publikationen der letzten drei Jahre zeigen jedoch, dass dieses Denken zunehmend verlassen wird.
Definitionen
Subklinische Hypothyreose
TSH oberhalb des oberen Referenzbereichs (> 4,0 mIU/l); periphere Hormone normal
Overte Hypothyreose
TSH oberhalb und periphere Hormone unterhalb der Referenz. Die "American Thyroid Association" und die "Endo Society" klassifizieren bereits ein TSH ab 10 mIU/l bei noch normalen peripheren Hormonen als overte Hypothyreose.
Subklinische Hyperthyreose
TSH niedrig bei normalen peripheren Hormonen
Overte Hyperthyreose
Niedriges bis undetektierbares TSH und erhöhtes T3 und/oder f T4
Definition des "Nichts"
TSH > 2,5 und < 4,0 mIU/l mit allen anderen Schilddrüsenparametern (einschließlich Antikörper) im normalen Referenzbereich
Schilddrüsenhormone in der Schwangerschaft
Die physiologischen Veränderungen in der Schwangerschaft führen zu einer erhöhten Schilddrüsenhormonproduktion. Sie steigt ab der siebten Schwangerschaftswoche (SSW) um die Hälfte an und erreicht ihren Höhepunkt in der 16. SSW, um dann bis zum Ende der Schwangerschaft hoch zu bleiben [1].
Die renale Jodclearance ist erhöht, wodurch der Jodbedarf in der Schwangerschaft steigt.
Das humane Choriongonadotropin (HCG) hat eine Affinität zum TSH-Rezeptor. Das HCG hilft so dabei, den vermehrten Schilddrüsenhormonbedarf zu kompensieren. Ein hohes HCG mit seinem Maximum in der zehnten SSW – und noch mehr bei Mehrlingsgraviditäten – senkt das TSH und erhöht das freie Thyroxin (f T4). TSH und HCG verlaufen dabei zueinander invers [2]. Die TSH-Referenzbereiche in der Schwangerschaft sind wie folgt:
- 1. Trimenon: oberer Referenzwert 4,0 mIU/l
- 2. und 3. Trimenon: normaler Referenzbereich des Labors (ATA Guideline 2017) [3]
Schilddrüse und Reproduktion
In zahlreichen Tier- und Zellversuchen fand man heraus, dass die Schilddrüsenfunktion für die Reproduktion bedeutsam ist. TSH-Rezeptoren, Deiodinasen und SD-Transporterproteine wurden in der Plazenta, der Eizelle, im Spermium und beim Embryo gefunden. So sollen Schilddrüsenhormone die Fertilisation vor allem bei der künstlichen Befruchtung bei vielen für die Interaktion von Spermium und Eizelle relevanten Prozessen und letztlich den Embryo beeinflussen [4].
Die klinische Bedeutung dieser Befunde ist jedoch ungeklärt. Schon Carl von Basedow hat 1840 bei seinen Patientinnen, die unter Exophthalmus litten, Zyklusstörungen festgestellt. Die Inzidenz einer subklinischen Hypothyreose (SCH) ist bei unfruchtbaren Frauen – trotz etwas höherer TSH-Spiegel – allerdings gleich wie bei fertilen Frauen. Es existieren zudem nicht genügend Daten, um zu belegen, dass eine SCH mit Infertilität assoziiert ist. Frauen mit geringer oder guter ovarieller Reserve unterscheiden sich auch nicht in den f T4- und TSH-Werten [5]. Zudem verbessert die Behandlung einer SCH die Fertilität nicht (ATA Guideline 2017) [3].
Behandlung der SCH in der Schwangerschaft
In früheren Arbeiten führte die Behandlung einer SCH mit Schilddrüsenhormonen zur Senkung der Abortrate und damit zur Steigerung der Lebendgeburtrate (LBR) nach künstlicher Befruchtung mittels IVF/ICSI (ART) [6]. Aktuellere Studien mit deutlich mehr eingeschlossenen Frauen zeigten allerdings keinen Unterschied in der LBR [7].
Der Benefit der Behandlung einer SCH ist also nach ART umso größer, je höher das TSH liegt. Im TSH-Bereich von 2,5 bis 4,0 mIU/l bringt die Behandlung mit L-Thyroxin keine Verbesserung. Hier kann es sogar signifikant vermehrt zu schwangerschaftsinduzierten Hypertonien kommen [8]. Auch Schwangerschaftskomplikationen wie Diabetes, Präeklampsie und Fruchttod werden mit einer SCH in Zusammenhang gebracht [9, 10].
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine SCH vermutlich mit einer höheren Rate an Schwangerschaftskomplikationen verbunden ist. Im TSH-Bereich von 2,5 bis 4,0 mIU/l gibt es sehr wahrscheinlich keine erhöhte Komplikationsrate.
Behandlung der SCH und kindliche Kognition
Maternale Schilddrüsenhormone sind für die neuronale Entwicklung des Embryos wichtig, da die fetale Schilddrüse erst in der Mitte der Schwangerschaft voll funktionsfähig ist.
Haddows aufsehenerregende Arbeit von 1999 [11 ]
beschrieb einen verminderten IQ bei Kindern von Frauen mit overter Hypothyreose (mittleres TSH: 13 mIU/l). Allein das zeigt, dass eine offensichtliche Schilddrüsenunterfunktion behandelt werden muss. Ob dies allerdings auch auf eine SCH zutrifft, wird kontrovers diskutiert. Jüngste Publikationen zum Thema lassen es jedenfalls immer weniger wahrscheinlich erscheinen, dass eine unbehandelte SCH zu einer kognitiven Beeinträchtigung bei Kindern führt.
Neue Studien
In einer großen europäischen, randomisierten, klinischen Studie, dem Controlled Antenatal Thyroid Screening (CATS), bestimmte man bei knapp 22.000 Schwangeren in der 13. SSW den TSH-Wert. Der einen Hälfte der Frauen wurden die Werte offengelegt. Deren Behandlung erfolgte mit 150 μg L-Thyroxin, wenn f T4 < 2,5 Perzentile und/oder TSH > 97,5 Perzentile lag. Die andere Hälfte blieb als Kontrollgruppe unbehandelt. Erst nach der Geburt erfuhren diese Frauen von ihren Werten [12].
Der IQ der Kinder unterschied sich auch im neuesten Follow-up im Alter von 9,5 Jahren nicht. Dieser Wert betrug bei den behandelten Patientinnen 101,7 und bei den unbehandelten 102,3 [13].
Das Problem dieser und ähnlicher Studien ist, dass die L-Thyroxin-Therapie recht spät, hier in der 13. SSW, gestartet wurde. Man weiß daher nicht, ob eine frühere Behandlung einen Benefit brächte.
Laut einer prospektiven Kohortenstudie aus England beeinflusst eine milde maternale Schilddrüsendysfunktion die Schulleistung der Kinder bis zum 15. Lebensjahr nicht negativ [14]. Eine dänische und eine niederländische Kohortenstudie fanden heraus, dass sowohl maternale Über- als auch Unterfunktionen mit um ein bis drei Punkte niedrigeren IQ-Werten im Alter von fünf und sechs Jahren einhergingen [15]. In der dänischen Studie war allerdings ein signifikanter Unterschied erst bei einem TSH von < 10 mIU/l und einem f T4 von unter 10 pmol/l erreicht [16]. Dies sind Hypothyreosen in ähnlichem Ausmaß wie in der ersten Studie von Haddow.
Zusammenfassend lassen sich folgende Aussagen ableiten:- Eine overte maternale Hypothyreose führt zu einer kognitiven Einschränkung beim Kind.
- Eine subklinische maternale Hypothyreose führt wahrscheinlich zu keiner signifikanten Einschränkung der Kognition beim Kind.
- Die Behandlung einer subklinischen Hy- pothyreose im späten ersten Trimenon der Schwangerschaft bringt keinen Benefit.
- Im TSH-Bereich von 2,5 bis 4,0 mIU/l gibt es keine Einschränkung der kindlichen Entwicklung.
Besonderheiten bei TPO-Positivität
Schilddrüsenantikörper sind die häufigste Ursache für eine Funktionsstörung des Organs im reproduktiven Alter. Thyreoidale Antikörper sind mit Infertilität assoziiert und treten häufiger bei Frauen mit Syndrom der polyzystischen Ovarien (PCOS) auf [17]. Bei erhöhten Antikörpern kommt es öfter zu subklinischen Hypothyreosen in der Schwangerschaft und häufiger zu Fehl- und Frühgeburten [18, 19].
Die physiologische positive Korrelation zwischen ansteigenden HCG-Werten in der Frühschwangerschaft und steigendem f T4 ist bei Patientinnen mit positiven TPO-Antikörpern häufiger gestört. Dies mag ein Grund für die beschriebenen Komplikationen sein. Wenn trotz positiver TPO-Antikörper der Einfluss des HCG auf die Schilddrüse intakt ist, kommt es auch nicht zu mehr Frühgeburten [20].
Schilddrüsenfunktionsstörungen und künstliche Befruchtung
Eine Metaanalyse von 2018 hat untersucht, ob bei positiven thyreoidalen Antikörpern eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) durchgeführt werden sollte. In die Untersuchung waren vier Studien mit insgesamt 1.855 Patientinnen eingeschlossen. Die im Allgemeinen höhere Fehlgeburtsrate bei positiven Antikörpern wurde immer dann nicht mehr beobachtet, wenn man eine ICSI veranlasst hatte [21].
Dieses Ergebnis ist eine interessante Beobachtung. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es allerdings noch zu früh, um generell bei positiven Schilddrüsenantikörpern eine ICSI vorzunehmen. Diese Methode ist momentan einer männlichen Fertilitätsstörung vorbehalten, da eine ICSI-Behandlung außerhalb dieser Indikation nicht zu höheren Schwangerschaftsraten führt [22].
Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Leading Opinions: Gynäkologie & Geburtshilfe, 2/2018

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert