Neben dem allumfassenden Problem der Bewältigung der Corona-Pandemie stand beim ersten virtuellen Verbandstag des Bayerischen Hausärzteverbands (BHÄV) das Thema Nachwuchsgewinnung im Vordergrund. Dass die Förderung des Hausarztberufs auch bei ihm Priorität besitzt, machte der neue Bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek in seinem Grußwort deutlich und verwies dabei auf den Masterplan Medizinstudium 2020. Doch dort hakt es weiterhin erheblich.

Hausärztetage sind im Allgemeinen nicht nur dazu da, dass Hausärzt:innen sich unter sich austauschen. Meist treffen sie auch auf die Politik, und nicht selten kommt es bei den Podiumsdiskussionen zu angeregtem Schlagabtausch. Im virtuellen Format fällt das deutlich schwerer, und so war der Bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek bei seiner ersten Teilnahme bei einem Hausärztetag auch nur als Videobotschaft zugeschaltet. Da wird es mit dem Streiten schwierig. Zumal Holetschek in seiner kurzen Rede auch kaum Angriffspunkte lieferte, wenn er selbst schon das Thema Nachwuchsgewinnung bei Hausärzt:innen als einen seiner Arbeitsschwerpunkte ins Spiel brachte und dabei zum einen auf die Landarztquote und zum anderen auf den Masterplan Medizinstudium 2020 verwies, die beide zur Lösung des Problems beitragen sollen.

Masterplan liegt auf Eis

Über Letzteren sprachen dann auch die Hausärztevertreter:innen ausführlicher. "2020" suggeriert ja, dass dieser Plan, der bereits im Jahr 2017 auf den Weg gebracht worden war und der die Allgemeinmedizin im Studium stärken und attraktiver machen soll, eigentlich schon umgesetzt sein müsste. Doch dem ist nicht so. Und Ulrich Weigeldt, der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands (DHÄV), weiß auch, woran das liegt. Zwar seien sich die Gesundheitsminister:innen der Länder recht schnell einig gewesen, doch seit Monaten stünden nun die Kultus- und Wissenschaftsministerien auf der Bremse, vor allem, weil sie damit verbundene Kosten scheuen. Es gebe einen regelrechten Aufstand bei den Universitäten, so Weigeldt, und den könne er sogar verstehen. Denn es müssten erhebliche Summen umgeschichtet werden aus Bereichen, die deutlich weniger relevant für die medizinische Versorgung seien als die Hausarztmedizin.

DEGAM sieht sich gut gerüstet

So hatte der Medizinische Fakultätentag (MFT) ausgerechnet, dass die Universitäten nach der Umstellung 400 bis 500 Millionen Euro pro Jahr benötigen würden. Für jeden einzelnen Medizinstudienplatz wären dies 40.000 Euro. Diese Zahlen hält der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) Prof. Dr. Martin Scherer allerdings für völlig aus der Luft gegriffen. Die DEGAM rechne eher mit rund 6.000 Euro pro Studierendem, die MFT-Schätzung sei völlig überzogen, so Scherer, und er räumte auch gleich mit einem weiteren Vorurteil auf, das die Gegner:innen des Masterplans immer wieder ins Spiel bringen: Die Hausärzt:innen seien sehr wohl in der Lage, ausreichend Lehrpraxen für die praktischer werdende Medizinerausbildung bereitzustellen. Bereits jetzt stünden dafür 6.500 akkreditierte Lehrpraxen zur Verfügung. Sollte die Ausbildungsreform den Bundesrat passieren, könnte deren Umsetzung in zwei bis fünf Jahren stehen, kündigte er an. Scherer geht davon aus, dass ein signifikanter Anteil der Studierenden ihr Praktisches Jahr dann in der hausärztlichen Versorgung ableisten wird. Folgerichtig forderten die Delegierten des BHÄV die Politik auf, nicht weiter auf Zeit zu spielen, sondern die neue Approbationsordnung endlich so umzusetzen, wie sie vom Bundesgesundheitsministerium vorgeschlagen worden war. Minister Holetschek sagte hier seine Unterstützung zu. "Die Hausärzte sind für unsere Gesellschaft unverzichtbar. In der Pandemie zeigt sich noch einmal umso mehr, wie wichtig es ist, sie an unserer Seite zu haben. Impfen ist ein Weg aus der Pandemie. Und beim Impfen sind die Hausärzte eine wichtige und zentrale Säule." Der Staatsminister forderte außerdem, die neue Approbationsordnung zeitnah zu verabschieden, und warnte seine Kolleg:innen aus dem Hochschulbereich davor, die Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020 aufgrund von Finanzierungsfragen zu blockieren.

Delegation ja, Substitution nein

Doch es gibt auch noch andere Sorgen, die die Hausärzt:innen – sicher nicht nur in Bayern – umtreiben. So hat der BHÄV-Chef Markus Beier beobachtet, dass immer mehr Physician Assistants (PA) angestellt würden. Das stoße bei Bayerns Hausärzt:innen auf klaren Widerstand. "Wir tragen Verantwortung für unsere Patienten. Und diese Verantwortung ist nicht teilbar", stellte Beier klar und machte deutlich, dass es dafür auch keine Notwendigkeit gebe. Der Grund: Im hausärztlichen Versorgungsbereich werde statt der Substitution bereits seit Jahren die Delegation erfolgreich praktiziert. So könnten sich Medizinische Fachangestellte (MFA) zur Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (VERAH) weiterqualifizieren und dann unter hausärztlicher Kontrolle vielfältige Aufgaben im Sinne des Case Managements oder auch Routine-Hausbesuche übernehmen. Geplant sei, diesen hochqualifizierten VERAHs auch eine akademisierte Weiterbildung zu ermöglichen, um die Attraktivität des Arbeitsplatzes Hausarztpraxis weiter zu steigern.

Hausärzt:innen müssen selbstständig bleiben können

Eine Gefahr sehen die Delegierten auch in Kapitalgesellschaften, die sich zunehmend in der Gesundheitsbranche breitmachen würden. Sie kauften Praxen und Arztsitze auf, stellen Ärzt:innen ein und hoffen auf möglichst gute Gewinnmargen. Dieser Trend betreffe zwar derzeit noch vor allem die spezialistischen Kolleg:innen, bei denen sich Kettenbildungen immer mehr durchsetzen würden, aber auch die Hausärzt:innen müssten diese unerfreuliche Entwicklung im Blick behalten, denn es habe Folgen für die Patientenversorgung, wenn die persönliche Beziehung zu den Menschen verloren geht. Um die Hausarztzentrierte Versorgung in Stadt und Land flächendeckend und nachhaltig zu sichern, sei es zwingend notwendig, dass sich Hausärzt:innen weiter in Einzel- oder Gemeinschaftspraxen niederlassen oder in ärztlich geführten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) tätig sein können. Die Versuche von Kapitalunternehmen, mit der Gesundheitsversorgung der Menschen hohe Renditen zu erwirtschaften, stoßen deshalb bei den Hausärzt:innen auf klare Gegenwehr. Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes fordern deshalb von der Politik, "dass den Gründern, Kapitalgebern und Betreibern von MVZ durch den Gesetzgeber sehr enge gesetzliche Grenzen gesetzt werden.

Auseinander ging man dann in der Hoffnung, dass der nächste Hausärztetag wieder unter normalen Umständen stattfinden kann, also mit mehr Gelegenheit zum persönlichen Austausch.



Autor
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (6) Seite 30-31