Mit einer guten Prävention kann die Rate von rezidivierenden Harnwegsinfekten bei Frauen deutlich gesenkt werden, und zusätzlich werden dabei gleichzeitig Antibiotika eingespart. Sechs Grundkonzepte können dabei zur Anwendung kommen.
Harnwegsinfekte sind sehr häufig, weltweit leiden etwa 150 Millionen Menschen daran, hauptsächlich Frauen. 50 bis 60 % von ihnen erkranken in ihrem Leben mehr als einmal daran, und 2 bis 5 % leiden unter rezidivierenden Harnwegsinfekten. Ein großer Anteil des Antibiotikaverbrauchs und der damit verbundenen Resistenzbildungen geht auf das Konto von Harnwegsinfektionen [1]. Eine gute Prävention ermöglicht eine Reduktion der Infektrate bei gleichzeitiger Einsparung im Antibiotikaverbrauch. Ursache für Harnwegsinfekte ist in den meisten Fällen eine Vaginalbesiedlung mit uropathogenen Keimen wie E. coli. Um eine Infektion mit E. coli zu verhindern, präsentierte PD Dr. Mayr, Universitätsspital Basel, anlässlich der medArt Basel sechs Präventionskonzepte:
- Schutz der Flora
- Rekolonisieren
- Milieu wiederherstellen
- Angreifer täuschen
- Immunsystem stärken
- Wegspülen
Die Vaginalflora schützen
Lactobazillen senken den pH-Wert des Urothels durch die Produktion von Milchsäure. Das saure Milieu schützt vor dem Befall mit Krankheitserregern. Lactobazillen produzieren außerdem Hydrogenperoxid als chemische Waffe gegen uropathogene Keime und besetzen Andockstellen von E. coli [1]. Die antibiotische Therapie einer asymptomatischen Harnwegsinfektion vernichtet nicht nur die eigene Flora, sondern führt innerhalb eines Jahres auch zu mehr symptomatischen Infektepisoden im Vergleich zum Verzicht auf Antibiose, wie eine Studie mit 673 prämenopausalen Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten zeigte [2]. Ein Schutz dieser Flora kann demnach durch Vermeiden von Antibiotika erreicht werden.
Rekolonisierung und Milieupflege
Nach Beendigung einer Antibiose ist es sinnvoll, die Flora wieder aufzubauen. Die Rekolonisierung mit peroral verabreichten Lactobazillen ist laut Mayr aber gar nicht so einfach. Die Studienlage sei heterogen, und es gebe keine klare Evidenz, das heiße aber nicht, dass es nichts nütze. Der Lactobazillenstamm scheint dabei aber entscheidend zu sein.
Lokale Östrogene wie beispielsweise Östriol führen bei postmenopausalen Frauen zu einer Rekolonisierung von Lactobazillen [3]. Mit der Anwendung von lokalen Östrogenen bei postmenopausalen Frauen könne letztlich die Rezidivrate von Harnwegsinfektionen gesenkt werden, so Mayr. Bei Frauen mit Endometrium- oder Mammakarzinom wie auch Thromboembolien in der Vorgeschichte kommt diese Therapie allerdings nicht infrage.
Den Angreifer täuschen
Polyphenole wie das Proanthocyanidin der Kranichbeere (Cranberry) erfüllen für die Pflanze antimikrobielle Aufgaben. In einem von E. coli kolonisierten Urothel besetzt Proanthocyanidin die Andockstellen der Bakterienfimbrien, sodass das Bakterium nicht an die Urothelzellen anhaften kann. Die Studienlage ist aber auch hier heterogen, eine klare Evidenz gibt es nicht. Von einem kommerziellen Saft benötige es vermutlich 300 – 600 ml/Tag, was einem Proanthocyanidingehalt von etwa 36 – 72 mg entspricht [1]. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert auch der oral eingenommene Einfachzucker D-Mannose. Dieser wird im Magen-Darm-Trakt kaum metabolisiert, deshalb gelangen große Mengen in die Blase. Gemäß einer randomisierten kontrollierten Studie senkt D-Mannose die Rezidivrate von 60 auf 20 % [1].
Immunsystem stärken
Eine weitere Präventionsmöglichkeit besteht in der Einnahme von abgetöteten Uropathogenen. Mit einem lyophilisierten Bakterienlysat aus 18 E.-coli-Stämmen (OM-89, Uro-Vaxom®) kann das Risiko für rezidivierende Harnwegsinfekte gemäß einem systematischen Review um etwa 40 % gesenkt werden [4]. Das Bakterienlysat stimuliert die T-Lymphozyten, induziert die Produktion von endogenem Interferon und erhöht die sekretorischen IgA-Werte im Urin [5].Die Strategie der immunaktiven Prophylaxe mit OM-89 wird bei Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten von der European Association of Urology empfohlen [6].
Einfach wegspülen?
Eine Studie untersuchte, ob die Erhöhung der Trinkmenge die Rate an rezidivierenden Harnwegsinfekten senkt. Dazu finanzierte ein Mineralwasserhersteller eine randomisierte, kontrollierte Studie mit 140 prämenopausalen Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten und einer täglichen Trinkmenge von weniger als 1,5 Liter Wasser. Die eine Gruppe (n = 70) der Frauen behielt ihre Trinkmenge bei, die andere Gruppe (n = 70) wurde angehalten, zusätzlich zu ihrer bisherigen Trinkmenge 1,5 Liter stilles Mineralwasser pro Tag zu trinken. Die Studie dauerte zwölf Monate. Die Urinmenge in der Gruppe der Vieltrinker lag bei 2,2 Liter (vs. 1 l) pro Tag und führte zu 8 Miktionen (vs. 6 Miktionen), die Zystitisrate lag bei 1,7 (vs. 3,2) und die Anzahl von Antibiotikatherapien während dieses Jahres bei 1,9 (vs. 3,6) [7]. Viel trinken reduziert demnach das Risiko für rezidivierende Harnwegsinfekte.
Mit den genannten Strategien lassen sich also Antibiotika sparen. Es ist jedoch wichtig, den Patientinnen zu vermitteln, dass damit das Risiko für rezidivierende Harnwegsinfektionen deutlich reduziert, nicht aber auf null gesenkt werden könne, betonte Mayr abschließend.
- Verzicht auf Antibiotika und Gabe von Lactobazillen nach Antibiose kann die eigene Vaginalflora stärken.
- Cranberrysaft, D-Mannose und Bakterienlysate senken möglicherweise die Rezidivrate von Harnwegsinfekten.
- Höhere Trinkmenge kann Harnwegsinfekten vorbeugen.
Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici Dossier I/2021
Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (4) Seite 20-21