Bei der Betreuung von Patientinnen mit gynäkologischen Malignomen wird das Thema Sexualität seitens der Ärzte, aber auch seitens der Patientinnen immer noch häufig ausgeblendet. Doch Nachfragen lohnt sich. Denn frühzeitige Information und Beratung beugt in vielen Fällen der Entstehung chronifizierter sexueller Störungen mit einer nur noch schwer zu unterbrechenden Eigendynamik wie Vermeidungsverhalten vor.
Als gynäkologische Malignome werden Karzinome der Vulva, der Ovarien, der Tuben, der Zervix und des Endometriums zusammengefasst. In den letzten Jahrzehnten haben sich innovative medizinische Behandlungskonzepte in der gynäkologischen Onkologie etabliert mit deutlich besseren Heilungschancen für die Patientinnen. Die Behandlung einer gynäkologischen Krebserkrankung umfasst oft eine Kombination aus chirurgischem Eingriff, Bestrahlung und Chemotherapie. Diese Maßnahmen gehen einher mit vielfältigen, mehr oder weniger einschneidenden Veränderungen, die Konsequenzen für die Lebensqualität und insbesondere die sexuelle Aktivität und Funktion einer Frau haben können [12]. Die Notwendigkeit der Anlage eines Anus praeter oder einer Neoblase kann die Patientin in ihrem Selbstwertgefühl und in ihrer weiblichen Identität stark beeinträchtigen. Aus Schamgefühl kann ein Rückzug nicht nur im sozialen Bereich, sondern auch in der Partnerschaft erfolgen.
Die operative Entfernung der Ovarien bei prämenopausalen Patientinnen führt zu frühzeitiger Menopause, begleitet von abnehmendem sexuellen Verlangen und vaginaler Trockenheit [4]. Eine Vulvektomie bei invasivem Vulvakarzinom verändert die Anatomie und die Funktion der äußeren Genitalien gravierend [6] und im Rahmen einer Bestrahlung des Beckens kann es unter anderem zu vaginaler Atrophie oder Stenose kommen [8] (Übersicht 1). Nicht nur operative Therapiemaßnahmen können sexuelle Probleme verursachen, sondern auch körperliche Veränderungen durch eine Chemotherapie, wie Alopezie, Blässe, Ödeme und häufig Gewichtszunahme [10]. Stark belastend kann der Haarausfall auf dem Kopf und/oder dem Körper (Wimpern, Schamhaare etc.) sein. Auch wenn diese Veränderungen reversibel sind, können diese bei Betroffenen nachhaltig das Gefühl erzeugen, weder attraktiv noch begehrenswert zu sein.
Die Wahrnehmung der eigenen Attraktivität ist durch die Krebserkrankung nicht selten zutiefst erschüttert. In dem Organverlust sehen viele Frauen – ob bewusst oder unbewusst – den Verlust ihrer Weiblichkeit.
Über Sexualität reden
Gynäkologische Malignome stellen Paarbeziehungen auf eine harte Probe. Sexuelle Bedürfnisse können oder wollen nicht mehr so ausgelebt werden wie vorher. In dieser schwierigen Lebensphase zieht sich die Krebspatientin häufig auch in der Partnerschaft zurück. Ein weiteres Problem ist die Angst des Partners, der bei einer Krebserkrankung nur passiv und mit dem Gefühl von Hilflosigkeit an der Seite seiner Frau steht. So kommt es häufig zu einer Einschränkung der Kommunikation [11].
Die Spontanität im Umgang geht verloren, stattdessen werden gedanklich Überlegungen angestellt, über welche Themen man spricht oder "besser" nicht spricht. Diese subtilen Isolierungen erschweren die Kommunikation und können bis hin zu Sprachlosigkeit führen [9].
Dies betrifft insbesondere den Bereich Sexualität. Angst vor Zurückweisung und vor der Auseinandersetzung mit Scham besetzten Themen lassen Frauen wie Männer voreinander flüchten. Der Wunsch der Partner, einander keinen Kummer zu bereiten, engt allmählich den Kreis der Dinge, die überhaupt zur Sprache gebracht werden können, immer mehr ein. Dieses Rückzugs- und Vermeidungsverhalten führt zu einem Teufelskreis von Erwartungsängsten und sich selbsterfüllenden Prophezeiungen (Selbstverstärkungsmechanismus).
Die Angst vor dem Misserfolg führt zum Misserfolg. Körperliche Entfremdung, Distanzierung, bis hin zur inneren und äußeren Trennung können die Folge sein. Der Mann hält sich oft zurück aus dem Gefühl heraus, seine Frau schonen zu wollen. Er weiß nicht, wie sie empfindet, traut sich nicht zu fragen und verlässt sich auf seine stillen Vermutungen. So warten beide ab und verharren in unbefriedigender Spannung. Die Frau sieht sich darin bestätigt, dass sie nicht mehr begehrenswert ist, und fühlt sich durch die Zurückhaltung des Mannes verletzt. Störungen der Kommunikation können dazu führen, dass viele Paare nach der Diagnosestellung einer gynäkologischen Krebserkrankung nicht nur auf jeden Versuch, den Geschlechtsverkehr zu vollziehen, sondern auch auf jede Form von Sexualität, Zärtlichkeit und Körperkontakt verzichten. Dieser Teufelskreis kann nur durchbrochen werden, wenn Offenheit und Vertrauen da sind und beide Partner den Mut haben, über ihre Gefühle zu sprechen [7].
Eine an Krebs erkrankte Patientin mag durch die Krankheit oder Therapiefolgen in ihren Fähigkeiten eingeschränkt sein, den Geschlechtsakt zu vollziehen; das heißt aber nicht, dass sie über keine Sexualität mehr verfügt. Es können neue Wege beschritten und neue Erfahrungen gemacht werden. Sexualität ist möglich auf individuelle Weise und immer legitim, wenn sie beiden Partnern guttut. Das erotische Erleben kann weiterhin bestehen bleiben. Andere Formen der Zuneigung schieben sich in den Vordergrund. Zärtlichkeiten werden wichtiger, ebenso das Gefühl, dass man sich von seinem Partner, so wie man ist, geliebt und angenommen fühlt.
Krankheitsbewältigung
Wie der Ehemann/Partner auf die Krankheit reagiert, insbesondere auch hinsichtlich seines Sexualverhaltens, spielt eine wesentliche Rolle für die Krankheitsverarbeitung. Die Qualität der Partnerschaft und die Zufriedenheit mit der Sexualität vor der Behandlung sind bedeutsam für die Vorhersage von sexuellen Funktionsstörungen nach der Diagnose und der Therapie [2]. Frauen, die ihren Ehemann/Partner sowohl emotional beteiligt als auch weiterhin an sich sexuell interessiert erleben, haben deutlich weniger Anpassungsstörungen infolge der Krebserkrankung als Betroffene, die emotionale Intimität vermissen und sich sexuell weniger oder gar nicht mehr begehrt fühlen.
Wer spricht wen an?
Im Rahmen der onkologischen Nachsorge werden die Bereiche Körperbild und Sexualität häufig nicht routinemäßig thematisiert. Studiendaten zeigen, dass 80 % der Krebspatienten mehr Informationen über die Beeinträchtigungen ihrer Sexualität durch eine Krebserkrankung wünschen [3].
Großangelegte epidemiologische Studien belegen, dass die Mehrzahl der Ärzte davon ausgeht, dass ihre Patientinnen von sich aus Sexualität ansprechen würden, wenn sie darüber reden wollten, während Patientinnen eher davon ausgehen, dass der Arzt sie danach fragen müsste. So kommt es immer wieder zu einer Nicht-Kommunikation über einen sowieso schon sensiblen Bereich [12]. Die Enttabuisierung von Sexualität entlastet die Patientin und führt zu einem Zuwachs ihrer persönlichen Bewältigungskompetenz.
Sexualberatung ja, aber wie?
Zu einer patientengerechten onkologischen Versorgung gehört das Angebot einer sexualmedizinischen Beratung, die gleichermaßen beiden Partnern angeboten werden sollte [5] (Übersicht 2). Schon das Sprechen über ein vielleicht lange währendes und manchmal schambesetztes Thema kann zu einer Veränderung z. B. der Paardynamik führen. Immer wieder berichten Patienten darüber, wie erleichternd es sei, konkret und offen zu sexuellen Problemen von (Frauen-)Ärzten befragt zu werden (Übersicht 2 und 3). Die Mitteilung an die Patientin, dass sie über ihr sexuelles Erleben sprechen kann, gilt als eine der wichtigsten Interventionen überhaupt [13].
Die krankheits- und therapiebedingten Störungen des Sexuallebens sind zu explorieren, wie jede andere Folgeerkrankung bzw. Nebenwirkung auch [1]. Vonseiten der Ärzte ist frühzeitig auf ein mögliches Auftreten von sexuellen Schwierigkeiten als eine mögliche Langzeitnebenwirkung nach Abschluss der Therapie hinzuweisen (Übersicht 4). Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Exploration hinsichtlich Körperbildstörungen, d. h. Fragen nach Schwierigkeiten bezüglich des weiblichen Rollenverständnisses und der sexuellen Attraktivität (Übersicht 5). Vorstellungen über das eigene Körperbild scheinen einen direkten Einfluss auf den Wunsch nach sexueller Aktivität und die Frequenz des Geschlechtsverkehrs zu haben.
Die Information über den passageren oder dauerhaften Zustand der Veränderung sowie über mögliche Maßnahmen zur Erleichterung entlasten und geben oftmals den Impuls, über die eigenen sexuellen Bedürfnisse zu sprechen.
Bei schmerzhaftem Geschlechtsverkehr und vaginaler Trockenheit können – sofern kein hormonsensibler Tumor vorliegt – eine Hormonersatztherapie (HRT) oder eine lokale Östrogenapplikation helfen. Der frühe und regelmäßige Einsatz von Bepanthen®-Tampons oder Vaginaldilatatoren in Kombination mit Östrogensalben und einem Gleitmittel kann Verklebungen nach Radiatio im Genitalbereich verhindern oder die Vagina wieder aufdehnen. Ansonsten ist eine operative Adhäsiolyse notwendig.

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (13) Seite 34-38