Bei meinem von meinem Vorgänger übernommenen 42-jährigen, völlig beschwerdefreien Patienten war im Rahmen des Check-ups bei dem Kollegen ein erhöhtes Ferritin aufgefallen: 927 µg/l (normal: bis 400), bei Kontrolle nach 1/2 Jahr: 1.320, GOT: 0,95, GPT: 1,15, BB, Krea, Elektrophorese, BSG, LDH, CRP, Diff.BB, Transferrinsättigung, Fe, Gesamt-Eiweiß unauffällig. Welche Konsequenzen sollte dieser Befund haben?

Antwort: Ein Ferritinwert von > 1.000 µg/l sollte bei der Häufigkeit der hereditären Hämochromatose Typ 1 immer Anlass sein, über eine erbliche Eisenspeicherkrankheit nachzudenken und dann ggf. eine Analyse auf die C282Y- und H63D-Mutation im HFE-Gen zu veranlassen. Jeder 200. Bundesbürger ist homozygot für die sogenannte C282Y-Mutation und damit genetisch betroffen. Dazu würde allerdings ein normales Fe und Transferrin nicht passen, was bei einer systemischen Eisenspeicherkrankheit praktisch immer verändert wäre (Fe immer hoch, Transferrin meist erniedrigt). Anders ausgedrückt: Eine Konstellation mit wiederholt erhöhten Werten für Serum-Fe und Serum-Ferritin bei erniedrigtem Transferrin ist immer verdächtig auf hereditäre Hämochromatose. Die anderen genetischen Formen der Hämochromatose (Typ 2 – 5) sind bei uns extrem selten, können im Einzelfall aber durch einen speziellen, aber teuren Gentest abgeklärt werden.

Ein selektiv erhöhtes Ferritin, wie in diesem Fall, könnte vorliegen bei einer sogenannten "Compound-Heterozygotie" (C282Y/H63D) oder auch einer homozygoten H63D-Mutation, was beides zu einer leichten Lebersiderose führen kann. In solchen Fällen könnte man eine begrenzte Aderlasstherapie durchführen, eine Dauertherapie ist sicher nicht notwendig. Genträger, auch "Compound-Heterozygote", bilden nur sehr selten eine klinisch relevante Eisenüberladung aus.

Unabhängig von einer primären Eisenspeicherkrankheit gibt es eine Reihe von Ursachen, bei denen das Ferritin quasi sekundär erhöht sein kann. Dabei gibt es eher seltene Ursachen mit meist stark erhöhten Werten (bis deutlich > 1000) und relativ häufige Fälle mit moderat erhöhten Ferritinwerten (> 300 – 1.000).

Als Akut-Phase-Protein kann Ferritin stark erhöht sein bei Morbus Still im Erwachsenenalter mit hohen Fieberschüben oder bei hämatologisch-onkologischen Erkrankungen, bei denen freigesetzte Zytokine als Nebeneffekt auch die Ferritinsynthese hochfahren lassen. Stark erhöhte Werte finden sich auch bei Patienten mit schweren Leberschäden, bei denen Ferritin aus nekrotisierenden Leberzellen freigesetzt wird.

Bei dem vorliegenden Patienten scheinen diese seltenen Ursachen eher auszuschließen zu sein, obwohl die Leberindikatorenzyme GOT und GPT leicht erhöht sind. Es fehlen hier Angaben über Körpergewicht, Ess- und Trinkgewohnheiten des Patienten. Ein moderat erhöhtes Ferritin (> 300 – 1.000 µg/l) wird sehr häufig bei Patienten mit metabolischem Syndrom oder auch nur bei einer Fettleber gesehen. Übergewicht bedeutet auch immer erhöhtes Nahrungsangebot, bei dem dann auch vermehrt Eisen absorbiert wird. Männer essen nicht selten auch gerne viel Fleisch, was besonders gut bioverfügbar ist. Der Unterschied zu einer Hämochromatose ist, dass der Transport und die Regulation von Eisen im Körper normal sind, sodass das Serum-Eisen meist im Normalbereich liegt. Wenn dazu auch viel Alkohol getrunken wird, erhöht das noch mal die Nahrungseisenaufnahme. Weintrinker können über bestimmte eisenreiche Weinsorten noch eine Extramenge Eisen zuführen. In solchen Fällen zeigt damit das Ferritin meistens korrekt eine erhöhte Eisenspeicherung in der Leber an. Man kann dann eine moderate Aderlasstherapie durchführen (5 – 10 Aderlässe à 500 ml Blut). Danach normalisiert sich das Ferritin und oft bessern sich damit auch erhöhte Leberwerte.

In Zweifelsfällen kann man den Eisengehalt in der Leber auch direkt bestimmen und damit den Zusammenhang mit erhöhtem Ferritin verifizieren. Dafür gibt es heute nichtinvasive Methoden wie die biomagnetometrische Bestimmung im UKE (SQUID) in Hamburg oder eine Kernspintomographie der Leber mit quantitativer Eisenmessung, wie sie in einigen Zentren in Deutschland angeboten wird.



Autor:

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PD Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Nielsen

Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie
"Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Eisenstoffwechsel"
Zentrum für Experimentelle Medizin/Zentrum für Frauen-, Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf
20246 Hamburg

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (2) Seite 57-58