Gicht erkennt der Hausarzt meist anhand der klassischen Anzeichen bei einem akuten Gichtanfall des Patienten, wie starke Schmerzen und Schwellungen am betroffenen Gelenk. Ein solcher Anfall tritt oft als extrem schmerzhafte Monarthritis auf, die zu 60 – 80 % das Großzehengrundgelenk (Podagra), seltener den gesamten Vorfuß (Tarsitis) oder auch die Kniegelenke (Gonagra) betrifft. Der Anfall ereignet sich meist akut in der Nacht – mit extremer Berührungs- und Druckempfindlichkeit am geschwollenen, geröteten Gelenk. Die Diagnose einer Gicht ist jedoch nicht immer so einfach.
Bei klinischem Verdacht auf eine Gichtarthritis sollte immer zwei bis vier Wochen nach dem Anfall erneut die Harnsäure bestimmt werden, da sie bei entzündlichen Zuständen stärker ausgeschieden wird. Der Serumharnsäurewert ist somit falsch niedrig. Sind schon früher hohe Harnsäurewerte dokumentiert worden, spricht dies typischerweise für eine Gichtarthritis. Hilfreich ist hier ein klinischer Diagnose-Score [4, 6] (Tabelle 1). Zudem sollten bei einer Monarthritis auch andere Differenzialdiagnosen bedacht werden (vgl. Tabelle 2). Durch den polarisationsmikroskopischen Nachweis negativ-doppelbrechender Harnsäurekristalle lässt sich die Diagnose sichern (Abb. 2). Bei einer infektiösen Komplikation können Erreger und Harnsäurekristalle auch gleichzeitig in einem Gelenk auftreten [16]. An eine Gelenkpunktion sollte der Arzt immer dann denken, wenn eine septische Arthritis differenzialdiagnostisch infrage kommt.
Was tun, wenn eine Gelenkpunktion nicht möglich ist?
Hier kann es sinnvoll sein, Colchicin als Diagnostikum probehalber zu geben. Denn bei Gicht (wie auch bei anderen Kristallarthritiden, wie der CPPD-Arthritis) lindert es rasch die Beschwerden. Mit der Gelenksonographie lassen sich für eine Gichtarthritis pathognomonische Befunde dokumentieren (Abb. 3). Diese Methode übernimmt aber meist der erfahrene Rheumatologe.
Nicht immer liegt nur eine Monarthritis vor
Die Prävalenz der Gicht nimmt mit dem Alter zu [7]. Bei älteren Patienten manifestiert sie sich oft als Polyarthritis, häufig der Hand- und auch der kleinen Fingergelenke. Eine aktivierte Fingerpolyarthrose oder auch eine Alters-RA (Rheumatoide Arthritis) sind vom Arzt differenzialdiagnostisch abzugrenzen.
Gicht und rheumatische Erkrankungen
Eine Gicht kann auch mit einer rheumatoiden Arthritis und anderen rheumatischen Erkrankungen einhergehen. So liegt bei Patienten mit einer Psoriasisarthritis das Gichtrisiko um den Faktor 4,95 höher [8]. Zudem manifestiert sich diese Stoffwechselerkrankung bevorzugt in arthrotischen Gelenken und fördert umgekehrt auch die Progression der Arthrose.
Tophi können vielfältige Symptome auslösen
Harnsäure kann sich in Form von Tophi fast überall im Körper ablagern. Dies ist auch schon subklinisch vor Manifestation des ersten Anfalls möglich ("subklinische Gicht"). Neben den typischen Prädilektionsstellen für Tophi am Ohr ("Gichtperlen"), an den Fingern oder an den Unterarmstreckseiten beschreibt die Literatur auch Harnsäureablagerungen bzw. Tophi in fast allen Organen und Strukturen, z. B. in Auge, Herz, Haut oder Rückenmark [13].
Harnsäurekristalle können sich auch in den kleinen Wirbelgelenken, in den ISG-Gelenken sowie in anderen muskuloskelettalen Strukturen (z. B. Sehnen) ablagern und rheumatische Beschwerden hervorrufen. Mit der sogenannten Dual-Energy-CT (DECT)-Untersuchung, die es bislang nur an Zentren gibt, lassen sich heute Harnsäureablagerungen in den unterschiedlichsten Organen nachweisen (Abb. 4).
Therapie des akuten Gichtanfalls
Die Therapie des akuten Gichtanfalls erfolgt mit Colchicin (heute niedrig-dosiert) [15], Glukokortikoiden oder nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). Bestehende Komorbiditäten und Kontraindikationen muss man dabei berücksichtigen (Tabelle 3). Die Therapie sollte so früh wie möglich einsetzen und bis zum Abklingen der klinischen Symptome fortgeführt werden [5].
Harnsäuresenkung als kausale Therapie der Gichtarthritis
Die Harnsäuresenkung gilt als die kausale Langzeit-Therapie der Gicht. Nicht-medikamentöse Maßnahmen, z. B. purinarme Kost, Gewichtsreduktion, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und eine ausführliche Aufklärung des Patienten über seine Erkrankung, bilden die Basis für eine erfolgreiche Therapie. Da eine dauerhafte Harnsäuresenkung mit nicht-medikamentösen Interventionen meist nicht gelingt, ist heute frühzeitig (bei gesicherter Gicht) eine konsequente medikamentöse Harnsäuresenkung empfohlen. Diese kann der Arzt schon im Anfall beginnen [14].
Eine Anfallsprophylaxe zum Start der harnsäuresenkenden Therapie mit niedrig-dosiertem Colchicin (0,5 – 1 mg/) ist wichtig, um die Therapieadhärenz zu verbessern. Therapieziel ist, den Harnsäurewert dauerhaft auf < 6 mg/dl (360 µmol/l), bei hoher Harnsäurelast (z. B. Tophi) auf < 5 mg/dl (300 µmol/l) zu senken. So werden weitere Gichtanfälle verhindert (Remission der Erkrankung) [11, 12]. Der mikroskopische Harnsäurenachweis in den Gelenken ist dann auch wieder negativ [10], Tophi bilden sich zurück.
Neben Allopurinol wird heute vor allem Febuxostat als Xanthinoxidasehemmer (Urikostatika) eingesetzt [1, 2, 3]. Febuxostat kann auch bei eingeschränkter Nierenfunktion (bis GFR 30 ml/min) ohne Dosisreduktion verordnet werden. Urikosurika sind Zweitlinienpräparate, man kann sie mit Urikostatika kombinieren. Die harnsäuresenkende Therapie sollte über mindestens fünf Jahre konsequent fortgesetzt werden [9]. Insbesondere zu Behandlungsbeginn sind regelmäßige Harnsäurekontrollen angezeigt, um eine suffiziente Harnsäuresenkung (Zielwerterreichung) und auch eine gute Therapieadhärenz des betroffenen Patienten sicherzustellen.
Interessenkonflikte: M. R.-B.: Vortragshonorare Berlin-Chemie Menarini, Novartis
A.-K. T.: Honorare für Vorträge und Beratertätigkeit Berlin-Chemie Menarini, Novartis, Astra Zeneca
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (8) Seite 72-76