Gicht erkennt der Hausarzt meist anhand der klassischen Anzeichen bei einem akuten Gichtanfall des Patienten, wie starke Schmerzen und Schwellungen am betroffenen Gelenk. Ein solcher Anfall tritt oft als extrem schmerzhafte Monarthritis auf, die zu 60 – 80 % das Großzehengrundgelenk (Podagra), seltener den gesamten Vorfuß (Tarsitis) oder auch die Kniegelenke (Gonagra) betrifft. Der Anfall ereignet sich meist akut in der Nacht – mit extremer Berührungs- und Druckempfindlichkeit am geschwollenen, geröteten Gelenk. Die Diagnose einer Gicht ist jedoch nicht immer so einfach.

Kasuistik
Ein 75-jähriger Patient hat schmerzhafte Schwellungen im linken Handgelenk und an mehreren Fingergelenken (Abb. 1) – eine ausgeprägte Entzündungskonstellation. Der Harnsäurewert ist jedoch mit 4,3 mg/dl (258 µmol/l) nicht erhöht. Der Patient berichtet über frühere und mehrfache Gichtanfälle im Großzehengrundgelenk.

Bei klinischem Verdacht auf eine Gichtarthritis sollte immer zwei bis vier Wochen nach dem Anfall erneut die Harnsäure bestimmt werden, da sie bei entzündlichen Zuständen stärker ausgeschieden wird. Der Serumharnsäurewert ist somit falsch niedrig. Sind schon früher hohe Harnsäurewerte dokumentiert worden, spricht dies typischerweise für eine Gichtarthritis. Hilfreich ist hier ein klinischer Diagnose-Score [4, 6] (Tabelle 1). Zudem sollten bei einer Monarthritis auch andere Differenzialdiagnosen bedacht werden (vgl. Tabelle 2). Durch den polarisationsmikroskopischen Nachweis negativ-doppelbrechender Harnsäurekristalle lässt sich die Diagnose sichern (Abb. 2). Bei einer infektiösen Komplikation können Erreger und Harnsäurekristalle auch gleichzeitig in einem Gelenk auftreten [16]. An eine Gelenkpunktion sollte der Arzt immer dann denken, wenn eine septische Arthritis differenzialdiagnostisch infrage kommt.

Was tun, wenn eine Gelenkpunktion nicht möglich ist?

Hier kann es sinnvoll sein, Colchicin als Diagnostikum probehalber zu geben. Denn bei Gicht (wie auch bei anderen Kristallarthritiden, wie der CPPD-Arthritis) lindert es rasch die Beschwerden. Mit der Gelenksonographie lassen sich für eine Gichtarthritis pathognomonische Befunde dokumentieren (Abb. 3). Diese Methode übernimmt aber meist der erfahrene Rheumatologe.

Nicht immer liegt nur eine Monarthritis vor

Die Prävalenz der Gicht nimmt mit dem Alter zu [7]. Bei älteren Patienten manifestiert sie sich oft als Polyarthritis, häufig der Hand- und auch der kleinen Fingergelenke. Eine aktivierte Fingerpolyarthrose oder auch eine Alters-RA (Rheumatoide Arthritis) sind vom Arzt differenzialdiagnostisch abzugrenzen.

Gicht und rheumatische Erkrankungen

Eine Gicht kann auch mit einer rheumatoiden Arthritis und anderen rheumatischen Erkrankungen einhergehen. So liegt bei Patienten mit einer Psoriasisarthritis das Gichtrisiko um den Faktor 4,95 höher [8]. Zudem manifestiert sich diese Stoffwechselerkrankung bevorzugt in arthrotischen Gelenken und fördert umgekehrt auch die Progression der Arthrose.

Tophi können vielfältige Symptome auslösen

Harnsäure kann sich in Form von Tophi fast überall im Körper ablagern. Dies ist auch schon subklinisch vor Manifestation des ersten Anfalls möglich ("subklinische Gicht"). Neben den typischen Prädilektionsstellen für Tophi am Ohr ("Gichtperlen"), an den Fingern oder an den Unterarmstreckseiten beschreibt die Literatur auch Harnsäureablagerungen bzw. Tophi in fast allen Organen und Strukturen, z. B. in Auge, Herz, Haut oder Rückenmark [13].

Harnsäurekristalle können sich auch in den kleinen Wirbelgelenken, in den ISG-Gelenken sowie in anderen muskuloskelettalen Strukturen (z. B. Sehnen) ablagern und rheumatische Beschwerden hervorrufen. Mit der sogenannten Dual-Energy-CT (DECT)-Untersuchung, die es bislang nur an Zentren gibt, lassen sich heute Harnsäureablagerungen in den unterschiedlichsten Organen nachweisen (Abb. 4).

Therapie des akuten Gichtanfalls

Die Therapie des akuten Gichtanfalls erfolgt mit Colchicin (heute niedrig-dosiert) [15], Glukokortikoiden oder nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). Bestehende Komorbiditäten und Kontraindikationen muss man dabei berücksichtigen (Tabelle 3). Die Therapie sollte so früh wie möglich einsetzen und bis zum Abklingen der klinischen Symptome fortgeführt werden [5].

Harnsäuresenkung als kausale Therapie der Gichtarthritis

Die Harnsäuresenkung gilt als die kausale Langzeit-Therapie der Gicht. Nicht-medikamentöse Maßnahmen, z. B. purinarme Kost, Gewichtsreduktion, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und eine ausführliche Aufklärung des Patienten über seine Erkrankung, bilden die Basis für eine erfolgreiche Therapie. Da eine dauerhafte Harnsäuresenkung mit nicht-medikamentösen Interventionen meist nicht gelingt, ist heute frühzeitig (bei gesicherter Gicht) eine konsequente medikamentöse Harnsäuresenkung empfohlen. Diese kann der Arzt schon im Anfall beginnen [14].

Eine Anfallsprophylaxe zum Start der harnsäuresenkenden Therapie mit niedrig-dosiertem Colchicin (0,5 – 1 mg/) ist wichtig, um die Therapieadhärenz zu verbessern. Therapieziel ist, den Harnsäurewert dauerhaft auf < 6 mg/dl (360 µmol/l), bei hoher Harnsäurelast (z. B. Tophi) auf < 5 mg/dl (300 µmol/l) zu senken. So werden weitere Gichtanfälle verhindert (Remission der Erkrankung) [11, 12]. Der mikroskopische Harnsäurenachweis in den Gelenken ist dann auch wieder negativ [10], Tophi bilden sich zurück.

Neben Allopurinol wird heute vor allem Febuxostat als Xanthinoxidasehemmer (Urikostatika) eingesetzt [1, 2, 3]. Febuxostat kann auch bei eingeschränkter Nierenfunktion (bis GFR 30 ml/min) ohne Dosisreduktion verordnet werden. Urikosurika sind Zweitlinienpräparate, man kann sie mit Urikostatika kombinieren. Die harnsäuresenkende Therapie sollte über mindestens fünf Jahre konsequent fortgesetzt werden [9]. Insbesondere zu Behandlungsbeginn sind regelmäßige Harnsäurekontrollen angezeigt, um eine suffiziente Harnsäuresenkung (Zielwerterreichung) und auch eine gute Therapieadhärenz des betroffenen Patienten sicherzustellen.


Literatur:
1. Becker MA, Schumacher HR Jr, Wortmann RL et al. (2005) Febuxostat compared with allopurinol in patients with hyperuricemia and gout. N Engl J Med 353(23): 2450-2461
2. Becker MA, Schumacher HR, Espinoza LR et al. (2010) The urate-lowering efficacy and safety of febuxostat in the treatment of the hyperuricemia of gout: the CONFIRMS trial. Arthritis Res Ther 12(2):R63
3. Hande KR, Noone RM, Stone WJ (1984) Severe allopurinol toxicity. Description and guidelines for prevention in patients with renal insufficiency. Am J Med 76(1): 47-56
4. Janssens HJ, Fransen J, van de Lisdonk EH et al. (2010) A diagnostic rule for acute gouty arthritis in primary care without joint fluid analysis. Arch Intern Med 170: 1120-1126
5. Khanna D, Fitzgerald JD, Khanna PP et al. (2012) American College of Rheumatology guidelines for management of gout. Part 1: systematic nonpharmacologic and pharmacologic therapeutic approaches to hyperuricemia. Arthritis Care Res (Hoboken) 64(10): 1431-1446
6. Kienhorst L.B., Janssens HJ, Fransen J et al. (2015) The validation of a diagnostic rule for gout without joint fluid analysis: a prospective study. Rheumatology 54: 609-614
7. Kuo CF, Grainge MJ, Mallen C et al. (2015) Rising burden of gout in the UK but continuing suboptimal management: a nationwide population study. Ann Rheum Dis 74(4): 661-667
8. Merola JF, Wu S, Han J et al. (2015) Psoriasis, psoriatic arthritis and the risk of gout in US men and women. Ann Rheum Dis 74(8):1495-1500
9. Pascual E, Sivera F (2007) Time required for disappearance of urate crystals from synovial fluid after successful hypouricaemic treatment relates to the duration of gout. Ann Rheum Dis 66(8): 1056-1058
10. Pascual E, Andres M, Vela P (2013) Gout treatment: should we aim for rapid crystal dissolution? Ann Rheum Dis 72: 635-637
11. Shoji A, Yamanaka H, Kamatani N (2004) A retrospective study of the relationship between serum urate level and recurrent attacks of gouty arthritis: evidence for the reduction of recurrent gouty arthritis with antihyperuricemic therapy. Arthritis Rheum 51(3): 321-32
12. Sing JA, Hodges JS, Asch SM (2009) Opportunities for improving medication use and monitoring gout; Ann Rheum Dis 68: 1265-1270
13. Tausche AK, Manger B, Müller-Ladner U et al. (2012) Die Gicht als Systemerkrankung. Manifestationen, Komplikationen und Komorbiditäten der Hyperurikämie. Z Rheumatol 71: 224-230
14. Taylor TH, Mecchella JN, Larson RJ et al. (2012), Kerin KD, Initiation of allopurinol at first medical contact for acute attacks of gout: a randomized clinical trial. Am J Med 125(11):1126-1134
15. Terkeltaub RA, Furst DE, Bennett K et al. (2010) High versus low dosing of oral colchicine for early acute gout flare: twenty-four-hour outcome of the first multicenter, randomized, double-blind, placebo-controlled, parallel-group, dose-comparison colchicine study. Arthritis Rheum 62: 1060-1068
16. Yu KH, Luo SF, Liou LB et al. (2003) Concomitant septic and gouty-arthritis –an analysis of 30 cases. Rheumatology 42(9): 1062-1066



Autorin:

Prof. Dr. med. Monika Reuss-Borst (Foto), Dr. med. Anna-Kathrin Tausche

Reuss-Borst: Fachärztin für Innere Medizin , 97708 Bad Bockelt
Tausche: Med. Klinik und Poliklinik III, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, 01307 Dresden

Interessenkonflikte: M. R.-B.: Vortragshonorare Berlin-Chemie Menarini, Novartis
A.-K. T.: Honorare für Vorträge und Beratertätigkeit Berlin-Chemie Menarini, Novartis, Astra Zeneca



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (8) Seite 72-76