Dicke Patienten gehören zum klassischen Bild jedes Wartezimmers – auch des Hausarztes. Durch Übergewicht und Adipositas bedingte Fettstoffwechselstörungen, die meist erhöhte Cholesterin- und Triglyceridwerte mit sich bringen, stellen bekanntermaßen kardiovaskuläre Risikofaktoren dar. Doch was genau passiert da im Körper? Welche Rolle spielt die Insulinresistenz? Und wie lassen sich die aus dem Gleichgewicht geratenen Blutfette wieder in Balance bringen?

Übergewicht beeinflusst nahezu alle Serumlipoproteine. Ab einem Body-Mass-Index von 26 kg/m2 nimmt die Insulinsensitivität mehr und mehr ab. Dies hat dramatische Folgen für den Fettstoffwechsel: Die Triglyceride steigen an, das High-Density-Lipoprotein (HDL)-Cholesterin sinkt und wird mit Triglyceriden angereichert. Es kommt zu einer abnormen Zusammensetzung der triglyceridreichen Very-Low-Density-Lipoproteine (VLDL). Zudem treten kleine, dichte Low-Density-Lipoproteine (LDL) auf [9 – 12].

Übergewicht führt nicht nur dazu, dass sich das LDL-Cholesterin erhöht. Wird also ein CSE-Hemmer gegeben, kann man zwar das kardiovaskuläre Risiko einer zusätzlichen LDL-Hypercholesterinämie senken, nicht aber das Risiko, das durch die hochatherogene Fettstoffwechselstörung des Übergewichts, der Adipositas oder des metabolischen Syndroms entsteht. Eine umfassende Primär- und Sekundärprävention der koronaren Herzkrankheit bei Insulinresistenz darf sich daher nicht allein auf die Verordnung von CSE-Hemmern beschränken.

Ein weiteres Problem ist, dass die Insulinresistenz den Triglyceridstoffwechsel stört [3, 6, 12, 11, 13]. Dabei werden vermehrt Fettsäuren aus dem Fettgewebe freigesetzt, anschließend an Albumin gebunden und zur Leber transportiert.

Für die Energiegewinnung bevorzugt die Leber jedoch Alkohol und Kohlenhydrate gegenüber den Fettsäuren. Dabei entstehende Stoffwechselprodukte hemmen die Aufnahme der Fettsäuren in die Mitochondrien für die ß-Oxidation [4]. Diese nicht benötigten Fettsäuren nutzt der Körper dann zur Triglyceridsynthese und gibt diese mit den VLDL ins Blut ab.

Dieser Prozess ist klinisch bedeutsam: 10 g Glukose haben z. B. einen Energiegehalt von 41 Kalorien. Da die Leber sie bevorzugt zur Energiegewinnung einsetzt, kommt es zu einer Minderverbrennung von 4,4 g Fett. Ähnlich fällt die Rechnung bei etwa 5,5 g Alkohol (100 ml Bier) aus. 4,4 g nicht verbrauchtes Fett würden im Extremfall die Triglyceridkonzentration im Blut um 160 mg/dl erhöhen. Wer also ein Viertelliter Wein trinkt, muss damit rechnen, dass die enthaltenen
34 g Alkohol ggf. zu einem Anstieg der Triglyceride um 1.100 mg/dl führen.

Ein stoffwechselgesunder Patient hat eine ausreichende Enzymausstattung und damit kein Problem. Bei der Verstoffwechselung der VLDL werden sogar funktionsfähige HDL gebildet. Beispiele dafür sind erhöhte HDL-Cholesterinwerte durch Alkohol oder körperliche Aktivität.

Mit der Insulinresistenz ändert sich alles

Eine Insulinresistenz führt zu einer verringerten Aktivität des Enzyms, das die VLDL abbaut: der Lipoproteinlipase. Das heißt: Die Very-Low-Density-Lipoproteine werden im Blut deutlich verzögert verstoffwechselt. Dann entstehen ß-VLDL, die man als hoch atherogen betrachten muss, weil sie mit Makrophagen in der Blutgefäßwand interagieren können. Sie bilden sich durch Austauschvorgänge mit HDL. Dabei werden – bedingt durch das CETP (Cholesterinestertransferprotein) – Triglyceride von VLDL auf HDL übertragen, im Gegenzug geht Cholesterin von HDL auf VLDL über. Dies hat eine Atherogenität der nun veränderten VLDL zur Folge. Die mit Triglyceriden überladenen HDL werden zerstört. Im Blut macht sich das als mäßig erhöhte Triglycerid- und niedrigere HDL-Cholesterinkonzentration bemerkbar. Zu Letzterer trägt auch die verminderte Bildung von "neuem" HDL bei – unter eingeschränkter Verstoffwechselung der VLDL.

Auch die Nahrungsfette, die aus dem Darm kommen, bleiben aufgrund der geringen Aktivität der Lipoproteinlipase länger im Blut. Zusätzlich liegt also ein gestörter postprandialer Stoffwechsel vor. Austauschvorgänge mit anderen Lipoproteinen können so zu einer geänderten Komposition führen.

Aus den abnorm zusammengesetzten VLDL entstehen kleine, dichte LDL, die für das kardiovaskuläre Risiko verantwortlich sind [1, 5, 14]: Sie schädigen das Endothel der Arterienwände und penetrieren leichter durch das Endothel in das subendotheliale Bindegewebe. Dort binden sie an Glycosaminoglycane in der Gefäßwand. Zudem werden sie leichter oxidiert und daher in größeren Mengen als andere LDL über den Scavenger-Rezeptor in Makrophagen der Arterienwand aufgenommen. Verbindet sich LDL mit Sauerstoff, ist auch die Bindungsfähigkeit an den LDL-Rezeptor massiv eingeschränkt. Da CSE-Hemmer über eine Vermehrung der LDL-Rezeptoren wirken, beeinflussen sie die Konzentration der kleinen, dichten LDL nicht wesentlich.

Die Faktoren, die an der atherogenen Fettstoffwechselstörung bei Insulinresistenz beteiligt sind, sorgen dafür, dass sich der Zustrom freier Fettsäuren zur Leber erhöht. Die Folge ist eine posttranslationale Stabilisierung des Apolipoprotein B (Haupt-Apolipoprotein der VLDL). Außerdem tritt eine verminderte Degradation von Apolipoprotein B in der Leber auf und die Aktivität der Lipoproteinlipase reduziert sich. ß-VLDL (VLDL-Remnants) entsteht und reichert sich an. Zu beobachten ist auch eine erhöhte Konzentration kleiner, dichter LDL. Darüber hinaus wird triglyceridreiches HDL vermehrt abgebaut.

Triglyceride entscheiden über Therapie

Der Hausarzt sollte sich bei der Therapie immer nach der Höhe der Triglyceride richten. Anzustreben ist eine Konzentration unter 150 mg/dl. Je niedriger die Triglyceride, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sich die atherogenen Veränderungen bei den Lipoproteinen normalisieren. Die Komposition der VLDL, die Zusammensetzung der HDL und die Konzentration der kleinen, dichten LDL kann in Speziallabors gemessen werden. Kontrolliert man allerdings nur einen dieser Parameter, erhält man auch keine adäquate Auskunft über das kardiovaskuläre Risiko des Patienten. Führt z. B. die Insulinresistenz zu einer deutlichen Hemmung der Lipoproteinlipase, folgt daraus eine niedrige Konzentration der kleinen, dichten LDL, die der ß-VLDL liegt dann jedoch höher.

Die Therapie einer Fettstoffwechselstörung muss demnach immer eine geringere Freisetzung von VLDL aus der Leber zum Ziel haben: Einerseits durch die Verminderung des Zustroms von freien Fettsäuren zur Leber, andererseits durch die vermehrte Verbrennung von Fettsäuren in den Leberzellen.

Insulinsensitivität verbessern

Will man den Zustrom endogener Fettsäuren zur Leber verhindern, muss die Insulinsensitivität verbessert werden – durch vermehrte körperliche Aktivität, damit bedingten Gewichtsverlust, idealerweise auf einen BMI unter 26 kg/m2. Kurzfristig verbessert hypokalorische Kost sogar die Insulinsensitivität. Zudem sollte der Patient langsam abnehmen, sonst ist mit einem exzessiven Zustrom an Fettsäuren zur Leber zu rechnen, wodurch sich deren Fettgehalt erhöhen kann. Pro Woche sollte jeder Mensch nicht mehr als ein halbes Kilo verlieren. Eine Gewichtszunahme kann hingegen zu einer atherogenen Verschlechterung der Blutfette führen.

Grundsätzlich gilt: Wer sich mehr bewegt, verbrennt mehr Fettsäuren über die Muskulatur, die somit nicht mehr für den Fettstoffwechsel und die Leber verfügbar sind. Zudem verbessert sich die Insulinsensitivität. Die sportliche Intensität sollte jedoch nicht zu hoch, deren Dauer nicht zu lang sein. Werden vermehrt Fettsäuren aus dem Fettgewebe freigesetzt, kann es zu einer übergroßen Fettbelastung der Leber kommen, wodurch die Atherogenität der Fettstoffwechselstörung zunimmt. Diese Atherosklerose hervorrufenden Auswirkungen inadäquater körperlicher Aktivität können anhand der Triglyceridkonzentration im Serum (am einfachsten durch eine Messung vor und nach der körperlichen Belastung) erfasst werden. Auch das Splitting sportlicher Aktivitäten in mehrere kürzere Abschnitte pro Tag kann sinnvoll sein.

Um die Verbrennung von Fettsäuren in der Leber zu steigern, muss sich auch die Nahrungszusammensetzung ändern [7, 8] – durch einen angepassten Energiegehalt und die Aufteilung der Kost auf fünf Mahlzeiten pro Tag. Der Patient sollte auf üppiges Essen und auf Alkohol komplett verzichten. Die Kohlenhydratzufuhr wird auf etwa 40 % der täglichen Energie reduziert. Mehrere kleine Snacks pro Tag mindern die Substratbelastung der Leber pro Zeiteinheit. Denn durch drei oder weniger Mahlzeiten pro Tag verschlechtert sich der Fettstoffwechsel deutlich.

Beim metabolischen Syndrom erhöhen sich aufgrund der Insulinresistenz die Triglyceride auf bis zu etwa 300 mg/dl (3,40 mmol/l). Liegt die Triglyceridkonzentration darüber, ist von einem für die Situation ungünstigen Lebensstil des Patienten auszugehen. Spricht der Arzt ihn z. B. darauf an, dass eine Alkoholkarenz nötig ist, muss nicht zwingend von einem vorliegenden Alkoholabusus ausgegangen werden. Schon geringe Mengen an Alkohol erhöhen, wie erwähnt, die Triglyceride und senken dabei das HDL-Cholesterin. Wichtig ist jedoch, von alkoholischen Getränken nicht auf Fruchtsäfte, Limonaden und Colagetränke umzusteigen. Sie enthalten große Mengen rasch resorbierbarer Kohlenhydrate und sind nicht zu empfehlen. Das Gleiche gilt für Süßigkeiten. Oft müssen die Kohlenhydrate auch deutlich reduziert werden, bis die Triglyceride sinken. Bei schweren Formen sollte geprüft werden, wie viel Obst der Patient pro Tag isst.

Liegen die Triglyceride dann immer noch zu hoch, ist die Aufnahme gesättigter Fettsäuren einzuschränken. Die Leber zieht sie nur wenig zur Energiegewinnung heran, was die Triglyceridsynthese und die Freisetzung der VLDL belastet. Auf Fett mit mittelkettigen Triglyceriden (MCT) verzichtet man am besten ganz, da diese stark die VLDL-Sekretion aus der Leber erhöhen [2]. Dauerhaft sollte der Fettgehalt der Nahrung keinesfalls unter 30 Energie-Prozent liegen, da sonst die Kohlenhydratzufuhr steigen muss. Dies empfiehlt sich allenfalls zur Gewichtsabnahme. Denn eine hypokalorische Kost (nur 200 – 300 Kalorien unter dem Energiebedarf), gleich welcher Zusammensetzung, senkt Triglyceride rasch unter 300 mg/dl.

Medikamentös kann Metformin diese Maßnahmen wirksam unterstützen. Bei einer Insulintherapie muss beachtet werden, dass länger wirksame Insuline nicht die Insulinsensitivität und damit die Fettbelastung der Leber verschlechtern. Bei Übergewicht oder Adipositas lässt sich das kardiovaskuläre Risiko nur effektiv mit einer entsprechenden Ernährungsumstellung senken. Der Arzt sollte dem Patienten ggf. einen erfahrenen Ernährungstherapeuten zur Seite stellen.


Literatur:
1. Ayyobi AF, McGladdery SH, McNeely MJ, et al (2003) Small, dense LDL and ele-vated apolipoprotein B are the common characteristics for the three major lipid phenotypes of familial combined hyperlipidemia. Arterioscler Thromb Vasc Biol 23: 1289 – 1294
2. Bach AC, Ingenbleek Y, Frey A (1997) The usefulness of dietary medium-chain triglycerides in body weight control: fact or fancy? J Lipid Res 37: 708 – 726
3. Brunzell JD (2007). Clinical practice. Hypertriglyceridemia. N Engl J Med 357: 1009 – 1017
4. Grunnet N, Kondrup J (1986) The effect of ethanol on the ß-oxidation of fatty ac-ids. Alcohol Clin Exp Res 10: 64S – 68S
5. Hopkins PH, Heiss G, Ellison RC et al (2003) Coronary artery disease in familial combined hyperlipidemia and familial hypertriglyceridemia: a case-control com-parison from the National Heart, Lung and Blood Institute Family Heart Study. Circulation 108: 519 – 523
6. Howard BV (1999) Insulin resistance and lipid metabolism. Am J Cardiol 84: 28J – 32J
7. Mensink RP, Zock PL, Kester ADM, Katan MB (2003) Effects of dietary fatty acids and carbohydrates on the ratio of serum total to HDL cholesterol and on serum li-pids and apolipoproteins: a meta-analysis of 60 controlled trials. Am J Clin Nutr 77:1146 – 1155
8. Mittendorfer B, Sidossis LS (2001): Mechanism for the increase in plasma triacyl-glycerol concentrations after consumption of short-term, high-carbohydrate diets. Am J Clin Nutr 73: 892 – 899
9. Nesto RW (2005) Beyond low-density lipoprotein: addressing the atherogenic lipid triad in type 2 diabetes mellitus and the metabolic syndrome. Am J Cardiovasc Drugs 5: 379 – 387
10. Richter WO (2008) Hypertriglyceridämie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart
11. Richter WO, Eckardstein Av (2006) Fettstoffwechsel. In: Klinische Pathophysiologie In: Siegenthaler W, Blum H (Hrsg), 9. Auflage, G. Thieme Verlag Stuttgart
12. Semenkovich CF (2006) Insulin resistance and atherosclerosis. J Clin Invest 116: 1813 – 1822
13. Soran H, Schofield JD, Adams S, Durrington PN (2016) Diabetic dyslipidaemia. Curr Opin Lipidol 27: 313 - 322
14. Zambon A, Brown BG, Deeb SS, Brunzell JD (2006) Genetics of apolipoprotein B and apolipoprotein A-I and premature coronary artery disease. J Intern Med 259: 473 – 480



Autor:

© Richter
Prof. Dr. med. Werner Richter

Institut für Fettstoffwechsel und Hämorheologie
91257 Pegnitz

Interessenskonflikte:Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (4) Seite 16-18