Wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler, da ist die Allgemeinarztpraxis leider nicht ausgenommen. Wichtig ist, wie damit umgegangen wird. Was kann getan werden, um die Fehlerquote in der Praxis so gering wie möglich zu halten? Fehler müssen offengelegt werden, anstatt sie zu vertuschen, damit frühzeitig darauf reagiert werden kann. Denn schon Konfuzius hat uns gelehrt: "Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten." Für eine geringe Fehlerquote braucht es ein durchdachtes Fehlermanagement und eine lösungsorientierte Fehlerkultur.

Fehler – wer kennt sie nicht? Wenn uns ein Fehler unterlaufen ist, ist uns dies meist peinlich und der Wunsch, diesen ungeschehen zu machen, geht mit der Hoffnung einher, niemand möge unseren Fehler bemerken. Doch Fehler sind menschlich. Sie passieren in fast allen Arbeitsbereichen. Allerdings können wir sie nur bis zu einem gewissen Grad tolerieren. Je nach der Auswirkung, die Fehler auf die weitere Arbeit oder auf das Umfeld haben, können wir gelassen damit umgehen, oder geraten unter Druck. Je höher der Druck, desto schwieriger scheint die Fehlerbehebung. Fehler anzunehmen und daraus zu lernen, ist ein hehres Ziel. Doch dies gelingt nicht so leicht, wie mancher Ratgeber uns dies Glauben machen möchte.

Fehlermanagement ernst nehmen

Das Fehlermanagement ist Teil des Qualitätsmanagements und damit in der Regel im Praxisablauf verankert. Es bezieht sich auf eine reibungslose Organisation und festgelegte Prozesse, also Methoden zur Steuerung von Arbeitsabläufen. Im Fehlermanagement werden Handlungen und Aktivitäten verbindlich festgeschrieben.

Entsprechendes unterstützendes Material, beispielsweise der KV und QEP (Qualität und Entwicklung in Praxen) ist Ihnen sicherlich bekannt. Damit vereinbarte Prozesse reibungslos funktionieren, sollten folgende Punkte beachtet werden:

  • Prozesse sollten gemeinsam mit dem gesamten Team erarbeitet werden.

Dies mag für manchen langwierig erscheinen und Ressourcen verbrauchen. Doch die Zeitinvestition zahlt sich aus: Denn Abläufe, an deren Entwicklung man persönlich beteiligt ist, werden schneller verinnerlicht und wirken langfristig.

  • Beschlossene Prozesse sollten im Rahmen von Teambesprechungen regelmäßig wiederholt und überprüft werden.

Trotz des gemeinsamen Erarbeitens ist meistens nicht jedes Teammitglied in die Entwicklung der Abläufe eingebunden. Durch regelmäßige Überprüfung der Abläufe und eventuelle Modifizierungen werden die Kolleginnen "ins Boot" geholt, die z. B. später ins Team kamen. Auch Auszubildende profitieren von solchen Besprechungen. Besonders nachhaltig wirken diese, wenn sie an aktuellen Fällen durchgespielt werden. Auch ein langjährig konstantes Team sollte immer mal wieder die Prozesse kritisch unter die Lupe nehmen. Denn gerade in der Routine geraten Details aus dem Blick oder erleichternde Veränderungen bleiben unbeachtet, weil es so wie gewohnt ja funktioniert.

  • Jeder Änderung, und ist sie noch so klein, sollte besondere Aufmerksamkeit gelten.

Eine einfache Erwähnung der beschlossenen Veränderung genügt oft nicht. Auch kleine Änderungen müssen vertieft werden. Nur, was regelmäßig wiederholt wird, wird sich auch etablieren.

Fehlerkultur: Gemeinsam Lösungen erarbeiten

Die Fehlerkultur ist Teil der Praxiskultur, der Führung und der Teamstrukturen. Fehlerkultur bezeichnet die Art und Weise, wie mit Fehlern umgegangen wird. Sie bezieht sich auf das Verhalten der Mitarbeiter und auf die Werte und das Selbstverständnis der Praxisinhaber. Eine vertrauensvolle Fehlerkultur erleichtert es jedem aus dem Team Fehler offenzulegen, sich zu Fehlern zu bekennen und gemeinsam mit den Kolleginnen Lösungen zu erarbeiten. Wesentliche Faktoren dafür sind:
  • Vertrauen und Offenheit
  • Eine Trennung von Sache und Person
  • Eine transparente Kommunikation
  • Eine stärkenorientierte Teamzusammensetzung
  • Regelmäßiges Feedback
  • Die Bereitschaft zur kritischen (Selbst-) Reflexion

Wenn Personen gefragt werden, was Ihnen in der Zusammenarbeit besonders wichtig ist, werden von fast jedem, ob Vorgesetzter oder Mitarbeiter, spontan genannt: Vertrauen und Offenheit. Die Krux dabei: Vertrauen und Offenheit sind Werte und Werte können nicht verordnet werden. Vertrauen muss wachsen und entsteht mit der gelebten Praxiskultur. Wenn eine Mitarbeiterin erlebt, dass sie wegen eines Fehlers nicht persönlich angegriffen wird, sondern gemeinsam an einer Lösung der Situation gearbeitet wird, kann Vertrauen entstehen. Im Vordergrund steht deshalb die Frage, was falsch gelaufen ist, nicht, wer einen Fehler gemacht hat. Eine Trennung zwischen Sache und Person ist für eine vertrauensvolle und offene Atmosphäre unabdingbar. Leider fällt dies im ohnehin vollen Arbeitsalltag leicht unter den Tisch. Da wird schon mal gefragt: "Wer hat denn Patient Müller gesagt, er könne zur Impfung kommen, obwohl schon seit einer Woche kein Impfstoff mehr zu bekommen ist?" oder die Kollegin wird beschuldigt: "Du hast wieder dies oder jenes vergessen". Die angesprochene Mitarbeiterin wird so bloßgestellt. Kreative und positive Ideen, wie der Fehler behoben werden kann, sind dann kaum von ihr zu erwarten. Eine transparente und sachliche Ansprache ermöglicht es jedem und jeder, sich zu Fehlern zu bekennen. Statt, wie im oben genannten Beispiel "Wer war das?" zu fragen, formulieren Sie besser neutral: "Patient Müller ist heute zur Impfung einbestellt worden, obwohl wir zurzeit keinen Impfstoff geliefert bekommen. Wie konnte dies passieren? Und wie können wir derartige Fehler künftig vermeiden?"

Transparenz: Der Schlüssel zu gesunder Fehlerkultur

Als Zauberwort einer reibungs- und fehlerarmen Zusammenarbeit gilt die "transparente Kommunikation". Doch was bedeutet dies konkret? Was scheinbar offen gesagt wurde, wurde noch lange nicht von jedem gehört. Und was der gerade abwesenden Kollegin später weitererzählt wird, hat durch die Weitergabe schon eine Interpretation erfahren. Es ist, auch wenn es manchem als umständlich erscheint, durchaus sinnvoll, sich immer wieder zu vergewissern, was die Gesprächspartnerin verstanden hat. "Was genau ist bei Dir angekommen?" oder "Darf ich mit eigenen Worten zusammenfassen, was ich gerade verstanden habe?" sollten alltäglich werden. Denn nicht alles, was gesagt wird, wird gehört, verstanden oder gar erledigt. Und häufig denken wir Dinge, anstatt sie zu sagen. Wir sprechen sie nicht aus, weil sie uns so selbstverständlich erscheinen, dass uns nicht einfällt, dies zu erwähnen. Und schon nimmt das Missverständnis seinen Lauf, der zu kleinen oder größeren Fehlern führen kann. Konrad Lorenz hat es so formuliert: "Gesagt ist noch nicht gehört, gehört ist noch nicht verstanden, verstanden ist noch nicht einverstanden, einverstanden ist noch nicht umgesetzt, umgesetzt ist noch nicht beibehalten."

Neben Offenheit ist Transparenz ein Schlüssel zu gesunder Fehlerkultur. Transparenz nicht nur in Bezug auf die Strukturen, sondern insbesondere bezüglich der Stärken und Schwächen jedes einzelnen im Team. Wer kann was besonders gut? Wer braucht wobei Unterstützung? Wessen Tätigkeiten benötigen eine gewisse Kontrolle? Regelmäßige Mitarbeitergespräche sind hierzu ebenso notwendig, wie monatliche Teambesprechungen, in denen nicht ausschließlich Fachliches besprochen wird, sondern auch die Soft Skills der Kolleginnen Thema sind: Wer ist in welchem Bereich besonders stark? Wie ergänzen und unterstützen wir uns optimal? Solche persönlichen Fragen sollten zunächst von jeder Mitarbeiterin selbst beantwortet werden. Selbstreflexion einzuüben stärkt das Selbstvertrauen und ermöglicht einen Abgleich zwischen Selbstbild und Fremdbild. Dazu gehört das Einüben eines sachlichen Feedbacks. Denn nur wer regelmäßiges, konstruktives Feedback bekommt, kann emotional damit umgehen. Und um (sich) Fehler eingestehen zu können, bedarf es einer stabilen Selbsteinschätzung und eines gesunden Selbstvertrauens.

Eine emotionale Stabilität ist Voraussetzung dafür, dass kritische Besprechungen sachlich angegangen werden können. Eine Checkliste von Fragen erleichtert einen lösungsorientierten Blick:
  • Was genau ist passiert?
  • Welche Auswirkungen hat dies auf
  • den Behandler
  • das Team
  • den Patienten
  • den Praxisablauf – und damit auf weitere Patienten
  • materielle/finanzielle Aspekte
  • den Ruf der Praxis
  • Beziehungen zu Außenkontakten (Kooperationspartner, KV, Kassen usw.)?

Stellen Sie bei Fehlern immer wieder diese Fragen. Ihre Mitarbeiterinnen werden sich diese Fragen dann selbst stellen, wenn Ihnen ein Fehler unterlaufen ist, und bereits mit einer Analyse zu Ihnen kommen. Dies erleichtert eine konsequente und rasche Lösung.

Wenn sie anhand dieser Fragen das Ausmaß des Fehlers erfasst haben, geht es an die Bearbeitung. Auch hier ist eine Reihe von standardisierten Fragestellungen nützlich:
  • Was ist fehlgelaufen?
  • Was unternehmen wir konkret?
  • Woran stellen wir fest, dass es gelungen ist?
  • Woran erkennen wir, dass es nicht gelingt?
  • Was tun wir, wenn unsere geplanten Maßnahmen nicht funktionieren?
  • Welche Kontrollen bauen wir ein?

Das gesamte Team einzubinden, um Lösungen für Fehlgelaufenes zu entwickeln, stärkt eine konstruktive und reibungsarme Zusammenarbeit, die dabei jeder Mitarbeiterin ein Lernfeld für analytisches und strukturiertes Vorgehen eröffnet. Und nicht zuletzt ist an der These, dass wir mehr aus den Fehlern anderer lernen, als aus unseren eigenen, ohne Zweifel auch ein Körnchen Wahres: Wer den Fehler einer Kollegin bemerkt und analysiert wird selbst einen anderen Weg gehen, um diesen Fehler nicht selbst zu begehen. Bei eigenen Fehlern geschieht häufig eine gegenteilige Reaktion: Die Person versucht es das nächste Mal nicht anders, sondern auf die gleiche Weise eben besser zu machen. Sie steckt viel Energie in den Versuch, es dieses Mal wirklich gut zu machen, ohne dabei die Herangehensweise zu ändern. Das ist verpuffte Energie statt konstruktiver Lösung.

Wenn Sie schließlich sowohl ein konsequentes Fehlermanagement als auch eine positive Fehlerkultur etabliert haben und dennoch feststellen, dass einer Mitarbeiterin zu häufig Fehler unterlaufen, dann sollten Sie überlegen, ob sie am richtigen Platz eingesetzt ist und welche Möglichkeiten einer personellen Änderung bestehen. Dies ist eindeutig Führungsaufgabe.



Autorin:

Dipl.-Päd. Ingrid Belser-Schweigler

Zertifizierter Business- und Privatcoach, Wirtschaftsmediatorin
79117 Freiburg
www.belser-loose.de

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (15) Seite 68-72