Etwa 10 % der Kleinkinder haben obstruktive Bronchitiden. Etwa 5 – 8 % der Schulkinder haben Asthma, und ähnlich viele Jugendliche. Trotz dieser Häufigkeit sind viele Kinder mit Asthma nicht diagnostiziert und/oder insuffizient behandelt. Umgekehrt gibt es nicht selten Kinder, die eine Asthmadiagnose haben und entsprechend behandelt werden, obwohl bei ihnen ein anderes Problem vorliegt.

Vom Kleinkindesalter bis zum Jugendlichen gibt es einen deutlichen Wandel in der Asthmasymptomatik, bei den typischen Auslösern, bei der Prognose und letztlich auch bei den therapeutischen Möglichkeiten. Einen akuten Asthmaanfall beim Schulkind oder Jugendlichen wird der Allgemeinarzt mit Sicherheit erkennen (Giemen mit verlängertem Exspirium, trockener Husten, Überblähung, Benutzung der Atemhilfsmuskulatur, bei schwerem Anfall Unruhe, Zyanose, Bewusstseinsstörung; Cave „stille Obstruktion“ mit leisem Atemgeräusch). Im Intervall oder bei chronischem Asthma sind die Kinder klinisch oft völlig unauffällig. In den meisten Situationen ist das Atemgeräusch normal, Einziehungen sieht man selten, eine Thoraxdeformierung kann auch andere Gründe haben. Indirekte Hinweise wie eine begleitende atopische Dermatitis haben nur vergleichsweise wenige ältere Kinder oder Jugendliche. Erst nach körperlicher Belastung oder Allergenkontakt zeigen sich Symptome. Die Sicherung der Asthmadiagnose erfolgt durch:

  • Anamnese (wann? wie oft? welche Symptome? welche Auslöser? nachts? vorhandene Umgebungsfaktoren wie Tiere, Schimmel, etc.? welche Therapie bisher? Effekt?)
  • Lungenfunktion mit Laufbelastung (oder unspezifischer Provokationstest) und ggf. Broncholyse-Test
  • evtl. FeNO
  • Allergietestung
  • weitere Diagnostik (Röntgen-Thorax, CO-Diffusion, invasive Diagnostik etc.) nur in Einzelfällen, z. B. wenn prinzipielle Zweifel an der Asthmadiagnose bestehen, oder bei atypischem Verlauf

Differenzialdiagnosen

Gegen die Asthma-Diagnose spricht [7, 8]:

  • kein Effekt einer Asthmatherapie
  • gute Lungenfunktion auch nach Belastung
  • keine nächtlichen Symptome
  • plötzliches Auftreten, oft sehr kurze Dauer der Beschwerden (Sekunden oder wenige Minuten)
  • unregelmäßiges Auftreten (z. B. nicht bei jedem Sport) bzw. keine typischen Triggerfaktoren
  • erstmaliges Auftreten im Jugendalter, als Kleinkind keine obstruktiven Bronchitiden

Husten, der kein Asthma ist:

  • Husten-Tic/psychosomatisch (nachts kein Problem)
  • Pertussis, vor allem bei Jugendlichen und Erwachsenen (oft atypische Anfälle, leicht mit Asthma zu verwechseln)
  • chronische purulente Bronchitis (eitriger Auswurf nicht immer)
  • Mukoviszidose (nicht immer dystroph, morgens verstärkter Husten mit Auswurf u. a. typische Zeichen)
  • Ziliendyskinesie (50 % Situs inversus; chron. atypische Sinusitis, Anpassungsstörung in den ersten Lebenstagen)
  • Tracheomalazie (z. B. nach Ösophagusatresie)

Giemen, das kein Asthma ist:

  • Vocal cord dysfunction (z. B. beim Sport, in Stress-Situationen, nicht nachts)
  • Laryngomalazie (eher bei sehr jungen Kindern)
  • partielle Obstruktion zentraler Atemwege (durch Sekret, Kompression, Fremdkörper u. a. -> Abklärung notwendig)

Dyspnoe, die kein Asthma ist:

  • Hyperventilation (Enge wird am Hals angegeben, "Luft geht nicht rein", Stress-Auslöser)
  • Angststörungen (Engegefühl, "Herzschmerzen")
  • interstitielle und andere Lungenerkrankungen (Abfall der Sauerstoffsättigung während Belastung; Tachypnoe)
  • pulmonale Hypertonie (Synkope unter Belastung, gespaltener bzw. betonter 2. Herzton)
  • nichtpulmonale Ursachen (orthopädisch, neurologisch, gastroenterologisch)

Asthmaauslöser

Bei Kleinkindern sind die allermeisten Episoden von bronchialer Obstruktion durch Infekte ausgelöst, in erster Linie Virusinfekte. Auch später sind solche Virusinfektionen potente Asthmaauslöser. Die Infektfrequenz lässt ab dem Grundschulalter deutlich nach, so dass die infektbedingten Asthmaepisoden relativ an Bedeutung verlieren. Es gibt schon bei sehr kleinen Kindern Inhalationsallergien, doch sind das eher Ausnahmen. Im Prick-Test und RAST lassen sich zwar immer wieder schon Sensibilisierungen zeigen, die aber oft keine klinische Relevanz haben. Ab dem Schulalter nimmt die Bedeutung allergischer Asthmaauslöser dann sehr deutlich zu. In jeder Altersstufe muss man zwischen unspezifischen und allergischen Auslösern unterscheiden.

Unspezifische Asthmaauslöser:

  • Virusinfekte (vor allem bei Kleinkindern)
  • andere Infekte (Pertussis, Mykoplasmen)
  • körperliche Anstrengung
  • Temperaturwechsel (vor allem von der Wärme in die Kälte)
  • Rauch und Staub

Spezifische (allergische) Asthmaauslöser:

  • Pollen (Frühblüher, Gräser, Getreide, seltener andere)
  • Schimmelpilze (Alternaria, Cladosporium; Schwerpunkt Hochsommer bis Herbst, aber auch ganzjährig bei Belastung im Haus)
  • Staubmilben (werden eher überschätzt, meist „nur“ chronische Rhinitis)
  • Tierepithelien (Katze, Meerschweinchen, Kaninchen, evtl. auch Hunde, seltener andere Tiere)
  • weitere Allergene spielen bei Kindern als Asthmaauslöser eine Nebenrolle (Berufsallergene, Latex, organische Stäube etc.)

Sinnvolle Diagnostik für Auslöser

Allergietestung: nach Anamnese bzw. mit alterstypischer „Hitliste“: Pollenallergene, Tierepithelien und Staubmilben sind am häufigsten, aber auch Alternaria, weitere Schimmelpilze und alle anderen Inhalationsallergene können eine Rolle spielen. Nahrungsmittelreaktionen (z. B. auf Obst) kommen als Kreuzreaktion vor (z. B. bei Birkenpollenallergie) oder führen nicht nur zu Asthma, sondern auch zu Urtikaria und gastrointestinalen Symptomen.

Laufbelastung: Lungenfunktion in Ruhe, dann 8 min Laufen im Joggingtempo unter Beobachtung (Husten oder Giemen bereits während des Laufens?; Dyspnoe?; Atemtechnik?; keine „Schleichbelastung“), dann 5 min Pause unter Beobachtung, dann erneute Lungenfunktion: Wenn die FEV1 um 20 % zurückgeht oder der Atemwiderstand um 100 % steigt, liegt ein Anstrengungsasthma vor.

Stufenplan der Asthmatherapie

Es gibt verschiedene Stufenpläne, die sich allenfalls in Details unterscheiden. Die wichtigste Botschaft aller Stufenpläne ist das „step up/step down“-Prinzip [4], d. h. je nach Verlauf bekommt das Kind mehr oder weniger Therapie nach dem Prinzip „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Ziel ist die Asthmakontrolle, d. h. akute Asthmaanfälle sollen so gut wie möglich vermieden werden. Die regelmäßige bis häufige Anwendung der Notfallmedikation ist ein klarer Hinweis für die notwendige Intensivierung der Dauertherapie. Das Basistherapeutikum für die Notfallbehandlung ist das inhalative Betamimetikum, in erster Linie Salbutamol.

Das Basistherapeutikum der Dauertherapie ist das inhalative Steroid. Die verschiedenen Substanzen unterscheiden sich nicht grundsätzlich bezüglich der klinischen Wirksamkeit. Die systemische Resorption ist bei Beclometason mit Abstand am höchsten [2, 3].

Asthmakontrolle

Ziel der Therapie ist ein stabiler Zustand, bei dem keine Notfälle vorkommen und Verschlechterungen rechtzeitig bemerkt und abgefangen werden (gute Asthmakontrolle). Kommen häufig oder regelmäßig Notfallsituationen vor oder hat der Patient laufend Beschwerden oder ist nicht gut belastbar, besteht eine schlechte Asthmakontrolle. Ist das Asthma schlecht kontrolliert trotz ausreichend rezeptierter Therapie, ist vor einer weiteren Therapieintensivierung zu klären [5]:

  • unregelmäßig oder gar nicht durchgeführte Therapie?
  • falsche Wahl des Inhalators (z. B. Patient ist zu jung, um Pulver richtig inhalieren zu können)?
  • mangelhafte Anwendungstechnik (z. B. unterlassene Schulung, Umstellung des Device ohne erneute Schulung)?
  • unbemerkte Therapieänderung durch Dritte (Apotheke, Praxisvertretung etc., z. B. Austausch Spray gegen Pulverinhalat, Präparatwechsel)?
  • unzureichende Diagnostik oder Fehldiagnose (wirklich Asthma?)
  • Rauchen (aktiv, passiv)
  • keine Kontrolle des Therapieeffekts (welchen Effekt hatte die bisherige Therapie? Hat sie anfangs gewirkt und ist jetzt eine Verschlechterung eingetreten, oder gab es nie eine Wirkung?)
  • Erkrankungskonzept des Patienten/unzureichende Information (in manchen Kulturen ist das Konzept der chronischen lebensbegleitenden Erkrankung unbekannt)?

Tipps zur Inhalation

Prinzipiell gibt es 3 Applikationsformen für inhalative Substanzen:

  • Dosieraerosol ("Spray") mit und ohne Inhalierhilfe
  • Pulverinhalatoren
  • elektrische Druckvernebler

Druckvernebler werden vor allem bei Kleinkindern verwendet, ansonsten nur bei der Notfalltherapie z. B. in der Praxis. Zur Dauertherapie bei Asthma bronchiale sind sie kaum geeignet.Dosieraerosole sind für die Dauertherapie bei Kindern und Jugendlichen am besten geeignet, vor allem, wenn Inhalierhilfen verwendet werden und die entsprechende Schulung erfolgt.Pulverinhalatoren sind für Kleinkinder ungeeignet, da sie schon aus theoretischen Gründen die notwendige inspiratorische Flussrate nicht aufbringen können, aber auch in den anderen Altersstufen ist die Fehlanwendungsrate trotz Schulung recht groß.

Inhalierhilfen ("Spacer") für Dosieraerosole dienen dazu, Sprühstoß und Inhalation zeitlich zu entkoppeln, denn nur bei sehr guter Koordination gelingt es, das mit ca. 50 km/h startende Inhalat im Rachenraum umzulenken und im Bronchialbaum zu deponieren. Lokale Nebenwirkungen topischer Steroide wie Heiserkeit und Mundsoor lassen sich durch die Verwendung einer Inhalierhilfe praktisch vollständig vermeiden.

Anforderungen an die Inhalierhilfe sind:

  • einfache Handhabung
  • einfach und gut zu reinigen
  • möglichst universelle Anwendbarkeit, d. h. Sprays verschiedener Hersteller können in gleicher Weise verwendet werden.

Geeignet sind u. a. Vortex® (Pari, Aluminiumgehäuse ohne statische Aufladung) oder Aerochamber®, weniger geeignet sind präparatspezifische Spacer ohne Ventil. Pulverinhalatoren benötigen zur Freisetzung des Medikamentes einen relativ hohen inspiratorischen Flow und vor allem eine andere Inhalationstechnik als Dosieraerosole, so dass eine neue Anwendungsschulung notwendig ist. Dies erklärt auch die hohe Fehlanwendungsrate.

Typische Anwendungsfehler sind [6]:

  • keine Ausatmung vor Aktivierung (12 – 77 %)
  • kein Anhalten des Atems (6 – 54 %)
  • keine kräftige und tiefe Einatmung (2 – 48 %)
  • falsche Dosis durch Fehlbedienung (2 – 46 %)
  • kein korrektes Halten des Gerätes (7 – 44 %)
  • falsche Reihenfolge der Anwendungsschritte (2 – 45 %)

Die Lungendeposition ist bei den einzelnen Applikationsformen unterschiedlich, aber in allen Fällen relativ gering, d. h. ein erheblicher Teil der Dosis geht verloren bzw. landet im Gastrointestinaltrakt. Lungendeposition Dosier-
aerosole (HFA-Sprays):

  • 20 – 60 % je nach Technik/ Inhalierhilfe/ Altersstufe
  • Kleinkinder mit Inhalierhilfe und Maske maximal 25 %
  • Lungendeposition Pulverinhalatoren (1)
  • Turbohaler® bis 30 %
  • Diskus® 8–15 %

Pulverinhalatoren werden wegen der schlechteren Bioverfügbarkeit höher dosiert, in der Regel um 100 % im Vergleich zu Sprays. Dies schlägt sich teils auch in den Therapiekosten nieder. Daher sollte im Einzelfall genau überprüft werden, welche Therapieform sowohl von der Effektivität als auch von den Kosten günstiger ist.

Von Patienten bzw. Eltern werden die Nebenwirkungen der Steroidtherapie oft stark überbewertet bzw. hinterfragt. Die Bereitschaft zu einer wirksamen Dauertherapie hängt ganz entscheidend von der Gesprächsführung ab. Den meisten Menschen ist nicht klar, dass Kortison ein lebensnotwendiges Hormon ist, und dass die vorgeschlagene inhalative Dosis im Vergleich zur selbst produzierten Menge sehr klein ist. Relevante Wachstumsstörungen, ungewollte Gewichtszunahme, verminderte Knochendichte, Beeinflussung des Glukosestoffwechsels etc. kommen bei Standarddosierung eines inhalativen Steroids nicht vor. Bei fehlerhafter sehr hoher Dosierung können inhalative Steroide substanzabhängig durchaus solche systemische Nebenwirkungen haben.

Die „Nebenwirkungen“ der unterlassenen Steroidtherapie sind wesentlich gravierender:

  • die längerfristige Monotherapie mit einem (langwirksamen) Betamimetikum ist ein Kunstfehler. Die Asthmamortalität ist um ein Vielfaches höher
  • eine langfristig unterlassene Asthmatherapie kann zur Zunahme der peripheren Ob- struktion führen
  • bei einigen Patienten kommt es zur fixierten Obstruktion. Diese Gruppe hat meist keine akuten Asthmaanfälle, sondern unterschwellige Beschwerden und kann relativ früh ein Cor pulmonale entwickeln.

Ein unbehandeltes Asthma hat verschiedene Folgen [9]:

  • häufigste Ursache von krankheitsbedingten Schulausfällen
  • Hospitalisierungsrate ist durch leitliniengerechte Therapie mindestens zu halbieren
  • Todesfallrisiko durch Dauertherapie um 50 – 90 % reduziert (je nach Studie und Art der Therapie)
  • schweres unzureichend behandeltes Asthma hat negative Auswirkung auf Wachstum
Zusammenfassung

Asthma ist bei Kindern und Jugendlichen häufig. Die Sicherung der Diagnose beinhaltet die Abgrenzung von anderen Erkrankungen und die Vermeidung von Fehldiagnosen. Das Spektrum reicht von psychosomatisch bedingten Atemstörungen bis zu schwerwiegenden chronischen bzw. genetisch bedingten pulmonalen Grunderkrankungen.

Ziel der Asthmatherapie ist eine gute Erkrankungskontrolle und die Vermeidung von Notfallsituationen. Wichtigstes Basistherapeutikum bei der Dauertherapie ist ein inhalatives Steroid. Bei Kindern sollten primär Dosieraerosole mit Inhalierhilfe verwendet werden. Bei guter Schulung ist die Asthmatherapie fast nebenwirkungsfrei und sehr wirksam.


Literatur
1 Agertoft L, Lunge deposition and systematic availability of fluticsone Diskus and budesonide Turbuhaler in children, Am J. Respir Crit Care Med 168 (7)/2003, 779-82
2 Allen D, Effects of inhaled steroids in growth, bone metabolism, and adrenal function, Advances in pediatrics 53/2006, 101-10
3 Allen D, Inhaled corticosteroids: past lessons and future issues (Review), J Allergy Clin Immunol 112 (3.Suppl./2003, S1-40
4 Cope S, International differences in asthma guidelines for children, Int Arch Allergy Immunol 148(4)/2009, 265-78
5 Haughney J, Achieving asthma control in practice: understanding the reasons for poor control, Respiratory Medicine 102(12)/2008, 1681-93
6 Lavorini F, Effect of incorrect use of dry powder inhalers on management of patients with asthma and COPD, Respiratory Medicine 102(4)/2008, 593-604
7 Niggemann B, Functional symptoms confused with allergic disorders in children and adolescents, Pediatr Allergy Immunol 13(5)/2002, 312-8
8 Seear M, How accurate is the diagnosis of exercise induced asthma among Vancouver schoolchildren, Arch Dis Child 90(9)/2005, 898-902
9 Spahn J, Weighing the risks of treatment versus nontreatment in pediatric asthma, Pediatr clin N Am 50(3)/2003, 677-695



Autor:

Dr. med. Stephan Illing

Kinderarzt, Kinderpneumologie und Allergologie
Olgahospital/Klinikum Stuttgart
70174 Stuttgart

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (20) Seite 54-58