Der Trend zur immer kleinteiligeren Subspezialisierung in der Medizin hält an. So wird derzeit über die Einführung einer Facharztweiterbildung für Palliativmedizin nachgedacht. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM) hält das für keine gute Idee. Denn damit wäre womöglich ein weiterer Kompetenzverlust für Hausärzte verbunden.

Obwohl es in der Palliativmedizin keine fachtypischen Prozeduren oder Techniken gebe, werde von der Gesellschaft für Palliativmedizin eine eigene Facharztweiterbildung gefordert, kritisiert die DEGAM. Vielmehr zeichne sich Palliativmedizin vor allem durch Kommunikation und Haltung aus und zeige damit eine große Nähe zur Allgemeinmedizin. Zudem würden die grundlegenden Inhalte der Palliativmedizin im Studium und der Weiterbildung Allgemeinmedizin vermittelt sowie in Fortbildungen regelmäßig vertieft.

Hausarztmedizin ist Palliativmedizin

Die häufigsten und wichtigsten Maßnahmen in der Palliativmedizin beträfen die Medikamentengabe, begleitende Pflege und Betreuung der Angehörigen, so die DEGAM weiter, und das entspräche einer patientennahen und selbstbestimmten Medizin, wie sie seit langem zu den Grundlagen der hausärztlichen Versorgung zähle, ebenso wie die Vermeidung von Überdiagnostik und Übertherapie.

Für schwer kranke und sterbende Menschen sei eine vertraute Umgebung und die Begleitung durch Menschen wichtig, die sie lange kennen und zu denen sie ein stabiles Vertrauensverhältnis aufgebaut haben. Dazu gehöre insbesondere das Team der Hausarztpraxis, argumentiert die DEGAM weiter. Und dies ermögliche auch, den Wunsch der Betroffenen nach einem Sterben im häuslichen Umfeld zu erfüllen.

Palliativ-Spezialisten bringen keine bessere Versorgung

In Deutschland haben derzeit etwa 10.000 Ärzte eine Zusatzbezeichnung "Palliativmedizin" erworben und ermöglichen damit – in Ergänzung der normalen Praxistätigkeit – eine nahezu flächendeckende Versorgung, stellt die allgemeinmedizinische Fachgesellschaft fest. Eine Evidenz für eine bessere Versorgung durch reine Fachspezialisten für Palliativmedizin gebe es jedenfalls nicht.

Eine flächendeckende Versorgung mit Palliativ-Spezialisten sei zudem – bei begrenzten ärztlichen Ressourcen – weder personell machbar noch bezahlbar und angesichts der dadurch weiteren Fragmentierung der Versorgungslandschaft auch nicht wünschenswert. Die Bundesärztekammer habe daher im Mai 2018 folgerichtig die Einführung eines Facharztes für Palliativmedizin abgelehnt. Doch die Diskussion scheint damit offenbar noch nicht zu Ende zu sein.



Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (9) Seite 38