Fehl- und Mangelernährung ist häufig bei älteren Menschen. Zudem wird die Zufuhr wichtiger Vitamine und Mineralstoffe von vielen Senioren erheblich unterschritten. Besonders problematisch ist bei Älteren eine unzureichende Versorgung mit Vitamin D und Magnesium, die Osteoporose fördert und das Risiko für Knochenbrüche erhöht, sowie ein Mangel an Vitamin B12. Er korreliert mit körperlichen, neurologischen und psychiatrischen Symptomen, u. a. auch mit einem erhöhten Demenzrisiko.

Laut Schätzungen ist mehr als jeder zehnte Pflegeheimbewohner in Deutschland ab 65 Jahren chronisch mangelernährt [1]. Damit einhergehend ist häufig ein Mangel an wichtigen Vitaminen und Mikronährstoffen, was das Risiko vieler chronischer Erkrankungen begünstigt [2, 3]. Der Energiebedarf im Alter sinkt zwar, aber die erforderliche Menge an Vitaminen und Mineralstoffen bleibt praktisch konstant. Daher benötigen Senioren eine Kost, die im Vergleich zu früher etwas energieärmer ist, aber eine höhere Nährstoffdichte aufweist [4]. Weitere Ursachen für eine Mangelernährung bei Senioren sind in Tabelle 1 dargestellt. Kritisch wird es vor allem bei Senioren mit stark reduzierter Energiezufuhr (unter 1.500 kcal/Tag) sowie bei sehr einseitiger Ernährung. Dann ist eine adäquate Nährstoffzufuhr kaum möglich [4]. Erste Anzeichen einer Mangelernährung können Schwäche, Müdigkeit oder Antriebslosigkeit sein. Im weiteren Verlauf kann eine Mangelernährung, insbesondere eine zu geringe Zufuhr essenzieller Vitamine, zu erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen und Einbußen in der Lebensqualität beitragen (Tabelle 2).

Vitamin-Zufuhr oft zu niedrig

Die weit verbreiteten Ernährungsprobleme verdeutlichen Daten der ErnSTES-Studie, einer Erhebung zur Ernährung in stationären Pflegeeinrichtungen in Deutschland [1]. Laut Beurteilung mit dem Mini Nutritional Assessment (http://www.mna-elderly.com/), einem etablierten Screeningverfahren, hatten etwa die Hälfte der untersuchten knapp 800 Senioren und Seniorinnen ab 65 Jahren ein Risiko für Mangelernährung und rund 11 % eine manifeste Mangelernährung. 28 % der Männer und 31 % der Frauen wurden durch geschultes Studienpersonal als unterernährt eingeschätzt, 8 % bzw. 6 % wiesen einen Body-Mass-Index (BMI) < 18,5 auf.

Zudem lag die Zufuhr von Energie und der meisten Mikronährstoffe im Median deutlich unterhalb der D-A-CH-Referenzwerte [5]. Deutlich zu niedrig war die Zufuhr von Vitamin E, Vitamin C und Folsäure, Kalzium und Magnesium, als besonders problematisch wurde die Versorgung mit Vitamin D bewertet. Es wird bekanntlich in der Regel nur zu einem kleinen Anteil über die Nahrung zugeführt und zu einem größeren Anteil in der Haut unter Sonnenexposition synthetisiert.

In vielen Studien wurde bei Senioren auch eine mangelhafte Versorgung mit Vitamin B12 (Cobalamin) dokumentiert. Bei über 65-Jährigen wird die Prävalenz eines Vitamin-B12-Mangels mit 10 – 30 % angegeben [6, 7], bei Pflegeheimbewohnern waren in einer Studie sogar bis zu 40 % betroffen [6]. Die Gründe für die hohe Prävalenz sind bei Senioren weit verbreitete Resorptionsstörungen wie Nahrungs-Cobalamin-Malabsorption, oft in Verbindung mit einem prädisponierenden Faktor wie atrophische Gastritis oder chronische Helicobacter-pylori-Infektion [6]. Generell haben Patienten mit intestinalen Erkrankungen wie atrophischer Gastritis, Pankreasinsuffizienz oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ein erhöhtes Risiko für Mangelerscheinungen [8, 9]. In einer Studie bei 180 Patienten mit Morbus Crohn wurde bei 16 % ein Vitamin-B12-Mangel und bei 22 % ein Folsäuremangel (< 3 ng/ml) nachgewiesen [10].

Auch ein Magenbypass, chronischer Alkoholkonsum oder Arzneimittel können die Resorption von Cobalamin beeinträchtigen. Relevant ist zum Beispiel die Einnahme von Säure-hemmenden Arzneimitteln wie Protonenpumpenhemmern, H2-Rezeptor-Antagonisten und Antazida sowie die Langzeiteinnahme des Antidiabetikums Metformin [6, 11, 12] (vgl. auch Tabelle 3).

Vor allem in Risikogruppen – ältere, übergewichtige, komorbide und bettlägerige Patienten – sollte frühzeitig an die Abklärung eines Vitaminmangels gedacht werden. Eine Avitaminose bleibt häufig lange Zeit unerkannt, weil die Symptome unspezifisch sind.

Vitamin B12 (Cobalamin)

Anzeichen für einen Vitamin-B12-Mangel können beispielsweise allgemeine Schwäche, Müdigkeit, Gleichgewichts- und Hirnleistungsstörungen sein. Die klassische Vitamin-B12-Mangelerscheinung ist die perniziöse (megaloblastäre) Anämie, die in der Regel mit unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit und Herzklopfen beginnt [13]. Haut und Schleimhäute werden blass, häufig tritt auch ein Ikterus hinzu. Im weiteren Verlauf kann es zu Verwirrung, nachlassendem Erinnerungsvermögen und Sehstörungen kommen.

Während bei Senioren ein Mangel insbesondere durch Resorptionsstörungen verursacht wird, liegt ihm in jüngeren Jahren meist eine zu geringe Zufuhr über die Nahrung zugrunde. 8 % der Männer und 26 % der Frauen unterschreiten laut Daten der Nationalen Verzehrsstudie (NVS) II [3] die empfohlene tägliche Zufuhr von Vitamin B12 (3 µg pro Tag bei Erwachsenen [5]). Hauptquelle für Vitamin B12 sind Fleisch und Wurstwaren, Fisch, Krustentiere, Milchprodukte und Käse [4]. Gefährdet für einen Vitamin-B12-Mangel sind daher vor allem Vegetarier und insbesondere Veganer.

Vitamin D

Vitamin D regelt den Stoffwechsel von Kalzium und Phosphat und fördert den Aufbau und Erhalt der Knochen [4]. Klassisches klinisches Zeichen einer schweren Vitamin-D-Unterversorgung ist neben einer Mineralisationsstörung der Knochen (erhöhtes Frakturrisiko!) auch eine Myopathie [13]. Der Tagesbedarf liegt geschätzt bei 20 µg [5]. Nur 20 % der Männer und 10 % der Frauen erreichen eine Zufuhr in dieser Größenordnung alleine über die Nahrung, bei über 65-Jährigen waren es sogar nur 6 bzw. 3 % [3]. In der Regel entscheidend für eine adäquate Versorgung ist die endogene Synthese in der Haut unter Sonnenexposition.

Magnesium

Magnesium dient als Kofaktor bei über 600 enzymatischen Reaktionen und ist für das Herz-Kreislauf-System, den Glukose-, Energie-, aber vor allem auch für den Knochenstoffwechsel von Bedeutung. Über die Hälfte des dem Körper zur Verfügung stehenden Magnesiums ist im Knochen gespeichert und sorgt so zusammen mit Vitamin D für die notwendige Knochenfestigkeit.

Der Tagesbedarf ist für junge Männer (15 bis 25 Jahre) mit 400 mg am höchsten. Ab 25 Jahren beträgt er 350 mg für Männer und 300 mg für Frauen. 26 % der Männer und 29 % der Frauen erreichen die empfohlene tägliche Zufuhr von Magnesium nicht. Der Mineralstoff ist vor allem in Vollkornprodukten, Nüssen und Hülsenfrüchten enthalten.

Vitamin D hat Sonderstellung

Das "Sonnenvitamin" hat eine Sonderstellung unter den Vitaminen, denn die Zufuhr von Vitamin D ist nicht essenziell, weil es vom Körper produziert werden kann. Vitamin D3 (Colecalciferol) wird in der Haut unter UV-Licht-Exposition (280 – 320 nm) aus 7-Dehydrocholesterol (Provitamin D3) synthetisiert [16, 17] (Abb. 1). Die Vitamin-D-Zufuhr über die bei uns übliche Ernährung – rund 2 bis 4 µg Vitamin D3 pro Tag, enthalten z. B. in fettem Seefisch (Hering, Lachs, Sardinen), in Leber und Eigelb, und Vitamin D2 (Ergocalciferol) in pflanzlichen Lebensmitteln wie einigen Pilzen [18] – reicht für ausreichend hohe 25-Hydroxy-Vitamin-D-Serumspiegel [25(OH)D] nicht aus.

Die Serumspiegel sollten bei ≥ 50 nmol/l bzw. ≥ 20 ng/ml liegen, Werte zwischen 40 und 60 ng/ml gelten als ideal [14, 15, 18]. Hierfür werden laut Schätzung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) 20 µg/Tag (800 IE) benötigt, aus Ernährung und endogener Synthese [14]. Unter unseren Lebensbedingungen stammen bei regelmäßigem Aufenthalt im Freien schätzungsweise 80 bis 90 % des Vitamin D im Körper aus der endogenen Synthese in der Haut, etwa 10 bis 20 % des Vitamin D werden mit der Nahrung aufgenommen [15]. Allerdings: Je geringer die endogene Syntheseleistung ist, desto bedeutsamer wird die alimentäre Zufuhr.

Ältere sind für eine Vitamin-D-Unterversorgung besonders gefährdet, weil die Vitamin-D-Synthese in der Haut mit zunehmendem Alter abnimmt [15]. Zudem halten sich ältere Menschen in der Regel weniger im Freien auf als jüngere. Als fettlösliches Vitamin ist zur Resorption von Vitamin D aus dem Darm das Vorhandensein von Nahrungsfetten erforderlich. Deshalb können chronische Magen-Darm-Erkrankungen, die mit einer Fett-Malabsorption einhergehen, wie Zöliakie oder Morbus Crohn oder auch chirurgische (Teil-) Resektionen des Darms, zu einem Vitamin-D-Defizit beitragen [19]. Auch bei Übergewichtigen ist das Risiko für eine Vitamin-D-Unterversorgung erhöht, da in der Haut synthetisiertes Vitamin D in geringerem Maße als bei Normalgewichtigen in den Kreislauf freigesetzt wird [15]. Zudem liegt in Deutschland in den Wintermonaten der UV-Index bei < 3 (mittlere Bestrahlungsstärke), so dass eine ausreichende Vitamin-D3-Synthese nicht mehr gewährleistet ist [20]. Laut repräsentativen Untersuchungen in Deutschland im Zeitraum 2005 bis 2008 haben im Jahresdurchschnitt rund 60 % aller Männer und Frauen im Alter von 65 bis 75 Jahren, im Winterhalbjahr fast 70 %, 25(OH)D-Serumspiegel < 20 ng/ml. Mehr als jeder Fünfte hatte einen schweren Mangel mit Serumspiegeln ≤ 10 ng/ml [21].

Nutzen der Supplementation

Wird eine Vitamin-D-Unterversorgung festgestellt, ist es der erste Schritt, auf eine ausgewogene gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse zu achten. Bei vielen Älteren reicht dies aber nicht aus und es ist eine Supplementation erforderlich. Generell empfohlen wird bei Älteren ab 65 Jahren von der DGE eine Vitamin-D-Supplementation von mindestens 800 IE (20 µg) täglich [14]. Einige Experten sprechen sich für eine Zufuhr von mindestens 1.000 IE (25 µg) für alle Erwachsenen aus. Bei Übergewichtigen sowie Patienten unter Medikamenten, die den Vitamin-D-Stoffwechsel beeinträchtigen (Tabelle 3), sind nach Empfehlung der American Endocrine Society (AES) mindestens 2- bis 3-fach höhere Dosierungen erforderlich [15].

Durch eine Vitamin-D-Supplementation von 800 – 1.000 IE täglich werden nach Angaben der DGE bei über 90 % der Behandelten 25(OH)D-Serumspiegel ≥ 20 ng/ml (50 nmol/l) erreicht [14]. Solche Serumwerte sind bei älteren Männern und Frauen zur Prävention von Stürzen und Frakturen von Bedeutung. Vitamin D ist aber nicht nur essenziell für die Knochengesundheit, sondern beugt vermutlich auch kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes und Hypertonie vor. Dokumentiert ist ein Zusammenhang zwischen den 25(OH)D-Serumspiegeln und der Mortalität [14], insbesondere bei Personen mit niedriger Magnesiumzufuhr [22, 23] (Abb. 2).

Die American Endocrine Society (AES) geht in ihren Empfehlungen zur diätetischen Vitamin-D-Zufuhr außer auf die Prävention auch auf die Therapie bei Patienten mit nachgewiesenem Defizit ein [15]:

  • Alle Erwachsenen mit Vitamin-D-Unterversorgung sollten über acht Wochen 6.000 IE täglich oder 50.000 IE einmal pro Woche erhalten, gefolgt von 1.500 – 2.000 IE täglich.
  • Bei übergewichtigen Personen, Patienten mit Malabsorptionssyndrom oder unter Medikamenten mit ungünstigem Einfluss auf den Vitamin-D-Metabolismus werden initial Tagesdosen von mindestens 6.000 – 10.000 IE Vitamin D täglich empfohlen, gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit 3.000 – 6.000 IE täglich.
  • Bei Patienten mit primärem Hyperparathyreoidismus und Vitamin-D-Unterversorgung wird eine Supplementation nach Bedarf unter Kontrolle der Serumkalziumspiegel empfohlen.

In Interventionsstudien zur Frakturprävention wurden erst bei Vitamin-D-Dosierungen im Bereich von ca. 500 – 800 IE (12,5 – 20 μg) pro Tag Effekte nachgewiesen. Zur Sturzprävention war nach den Ergebnissen einer Metaanalyse eine Dosierung von > 700 IE (17,5 μg) pro Tag effektiv [24]. Ähnliches galt auch für die meisten Studien zur Verbesserung der Funktionalität des Bewegungsapparates bei älteren Personen. In den Mortalitätsstudien lag die Dosierung von Vitamin D meistens zwischen 400 und 833 IE (10 – 20 μg) pro Tag. Bei den Studien mit guter statistischer Power wurde die Gesamt-Mortalität im Verlauf von im Mittel 5,7 Jahren relativ um 8 % verringert (25). In einer weiteren Metaanalyse von 50 randomisierten Interventionsstudien mit fast 95.000 Teilnehmern, meist Frauen im Alter > 70 Jahre, wurde ebenfalls eine signifikant verringerte Mortalität durch Vitamin-D3-Supplementation ermittelt [26].

Zur Erhaltungstherapie ist die tägliche Vitamin-D-Gabe am besten geeignet, weil so gleichmäßigere Blutspiegel von intaktem Vitamin D resultieren. Dies scheint für die optimale Funktion der Vitamin-D-Systeme relevant zu sein [27]. Die tolerierbaren Obergrenzen für die tägliche Vitamin-D-Zufuhr, unter der keine unerwünschten Wirkungen zu erwarten sind, liegen laut dem US-amerikanischen Institute of Medicine (IOM) bei 4.000 IE täglich bei Erwachsenen [28]. Die AES weist allerdings darauf hin, dass zum Ausgleich eines schweren Vitamin-D-Defizits höhere Dosierungen von bis zu 10.000 IE täglich erforderlich sein können [15]. Der toxische Bereich, der nur durch unkritische langfristige Überdosierung einer Vitamin-D-Supplementation erreicht werden kann, liegt bei > 150 ng/ml [9, 15] (Abb. 3).

Für die Substitutionstherapie stehen sowohl Präparate mit Vitamin D2 als auch D3 in verschiedenen Darreichungsformen (Tropfen, Kapseln, Tabletten) zur Verfügung. Beide Vitamin-D-Formen durchlaufen in unserem Körper die gleichen Aktivierungsschritte und sind vermutlich ebenbürtig. Es gibt allerdings auch Hinweise, dass die biologische Wirksamkeit von Vitamin D2 geringer als die von Vitamin D3 sein könnte [14].

Vitamin D und Magnesium wirken synergistisch

Sinnvoll können Kombinationspräparate von Vitamin D mit Magnesium sein. Zwischen dem Spurenelement Magnesium und Vitamin D gibt es zahlreiche Wechselwirkungen. Da die Verstoffwechslung von den Vorstufen in den aktiven Vitamin-D-Metabolit magnesiumabhängig ist, prädestiniert ein niedriger Magnesium-Status für ein Vitamin-D-Defizit [22] und eine insuffiziente Versorgung mit Vitamin D fördert auch eine Hypomagnesiämie.

Insbesondere in puncto kardiovaskulärer Gesundheit wirken Vitamin D und Magnesium vermutlich synergistisch. So kann bei Patienten mit Hypertonie und Herzinsuffizienz ebenso wie bei Patienten mit Metabolischem Syndrom und Diabetes gehäuft ein Magnesium- und ein Vitamin-D-Defizit nachgewiesen werden [29]. Auch im Hinblick auf den Knochenstoffwechsel und das Osteoporose-Risiko ist neben dem Vitamin-D- auch der Magnesium-Status zu berücksichtigen. Ein Vergleich zwischen der höchsten und der niedrigsten Quintile der Magnesiumeinnahme hat signifikante Zusammenhänge zwischen der Knochendichte an der Hüfte, am Schenkelhals und am Radius gezeigt [30]. Das gilt ebenso für das relative Risiko für Unterarm- und Radiusfrakturen und die Inzidenz von Stürzen.

Empfohlen wird bei Patienten mit Magnesium- und Vitamin-D-Defizit die kombinierte Gabe von Vitamin D und Magnesium. Als Referenzwerte für einen ausreichend hohen Magnesiumstatus gelten Serumwerte ≥ 0,90 mmol/l [29].

Screening auf Vitamin-B12-Mangel

Diskutiert wird bei älteren Patienten in schlechtem Ernährungszustand und Bewohnern von Pflegeheimen ein regelmäßiges Screening auf Vitaminmangel. Bei Typ-2-Diabetikern unter Langzeittherapie mit Metformin wird aufgrund des erhöhten Risikos für einen Vitamin-B12-Mangel ein spezifisches Vitamin-B-Screening erwogen [11]. Früherkennung und rechtzeitiges Gegensteuern sind bei einigen Mangelerkrankungen von großer Bedeutung. Während sich der Mangel anfangs meist durch unspezifische Symptome wie Erschöpfung und Müdigkeit bemerkbar macht, können sich bei lange anhaltendem Vitamin-B12-Mangel neurologische Symptome wie Parästhesien, Sensibilitätsstörungen und sogar Lähmungen entwickeln [8, 9], die im fortgeschrittenen Stadium auch irreversibel sein können.

Auch psychische Symptome wie Verwirrtheit, Gedächtnisstörungen, Apathie, Depressionen, psychotische Zustände und Demenz wurden mit einem Vitamin-B12-Mangel in Verbindung gebracht, die – genauso wie die neurologischen Symptome – den charakteristischen Blutbildveränderungen (megaloblastäre Anämie) um Monate oder Jahre vorausgehen können [8, 9]. Bei Typ-2-Diabetikern wurde ein B12-Mangel mit einem erhöhten Risiko für eine kardiovaskuläre autonome Neuropathie assoziiert, einem unabhängigen Prädiktor der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität [31]. Eine neurologische Folgeerkrankung eines langjährigen B12-Mangels ist die funikuläre Spinalerkrankung (Myelose), die durch die Entmarkung von Hintersträngen und Störung der Pyramidenseitenbahnen des Rückenmarks ausgelöst wird [8, 32].

Zusammenhang zwischen Vitamin- B12-Mangel und Morbus Alzheimer

Zunehmend mehr Daten belegen den Zusammenhang zwischen einem Vitamin-B12-Mangel und einer Alzheimer-Demenz (AD). In einer chinesischen Fall-Kontroll-Studie bei 230 älteren Patienten, darunter 115 mit Alzheimer-Demenz und 115 Kontrollpersonen, wurden Assoziationen zwischen niedrigen Vitamin-B12-Spiegeln und erhöhten Homocysteinwerten im Serum mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko nachgewiesen [33]. Waren sowohl die Vitamin-B12-Werte auffällig (< 400 pg/ml) als auch die Homocysteinwerte erhöht (≥ 15 µmol/l), war das AD-Risiko rund 30-fach höher als bei Studienteilnehmern mit Normwerten. Ein niedriger Vitamin-B12-Spiegel korrelierte aber auch bei Personen mit normalen Homocysteinkonzentrationen im Blut mit einem um mehr als vierfach erhöhten Alzheimer-Risiko.

Behandelbare Ursachen bzw. Einflussfaktoren sind bei Demenzpatienten vermutlich häufiger als gedacht. In einer deutschen Untersuchung bei 160 geriatrischen Patienten mit Demenz oder Demenzverdacht wurden bei mehr als 30 % der Patienten mit neu diagnostizierter Demenz und bei 18 % der Patienten mit bekannter Demenz behandelbare Ursachen der Erkrankung nachgewiesen [34]. Am häufigsten waren dies bei Patienten mit neu diagnostizierter Demenz neben depressiver Pseudodemenz (13 %) und Normaldruck-Hydrocephalus (NPH) (8 %) ein Vitamin-B12-Mangel (knapp 10 %). Bei den 99 Patienten mit bekannter Demenz war ein Vitamin-B12-Mangel mit einer Prävalenz von 9,1 % sogar die häufigste behandelbare Ursache (Abb. 4).

In der deutschen S3-Leitlinie Demenz wird empfohlen, bei Patienten mit Verdacht auf eine Demenz durch bildgebende Verfahren und Laboruntersuchungen behandelbare Ursachen der Erkrankung aufzuspüren, unter anderem einen Vitamin-B12-Mangel [35].

Wo beginnt der Mangel?

Serumspiegel des Gesamt-Vitamin-B12 von 200 – 1.000 ng/l gelten als Normalwerte, Werte darunter weisen auf einen Mangel hin. Allerdings ist das Gesamt-Vitamin-B12 ein später, relativ unsensitiver und unspezifischer Biomarker des B12-Mangels, weil dabei vorwiegend die inaktive Speicherform gemessen wird [32]. Empfehlenswert ist deshalb auch die Messung des Homocysteins und/oder der Methylmalonsäure (MMA), beides funktionelle Indikatoren eines Vitamin-B12-Mangels (Infokasten Definition Vitamin-B12-Mangel). Noch zuverlässiger ist die Messung von Holotranscobalamin (Holo-TC), das den Status des tatsächlich aktiven Vitamin B12 wiedergibt. Erniedrigte Werte (< 35 pmol/l) sind der früheste Marker eines B12-Mangels. In diesem Stadium werden klinische oder hämatologische Symptome noch nicht beobachtet [32]. Sind zusätzlich die MMA- (> 300 nmol/l) und Homocysteinspiegel erhöht (> 10 µmol/l), liegt ein metabolisch manifester Vitamin-B12-Mangel vor. Auch in diesem Stadium können klinische Symptome noch fehlen. Differenzialdiagnostisch zu beachten ist, dass die MMA-Werte auch bei eingeschränkter Nierenfunktion erhöht sein können und auch ein Mangel an Folsäure und Vitamin B6 zur Hyperhomocysteinämie führen kann.

Bei Patienten mit Vitamin-B12-Mangel sollte die Ernährung umgestellt und eine Substitutionstherapie durchgeführt werden, um der Entwicklung von Symptomen vorzubeugen. Die Empfehlungen hinsichtlich Dosierung und Anwendung der B12-Substitution sind bisher nicht einheitlich. Infrage kommt eine intramuskuläre oder orale Substitutionstherapie, für die unterschiedliche Cobalamine zur Verfügung stehen. Inzwischen belegen zunehmend mehr Studiendaten, dass selbst bei Patienten mit Resorptionsstörungen durch eine hochdosierte orale Substitutionstherapie ein Vitamin-B12-Mangel rasch ausgeglichen werden kann. Denn bei hoher oraler Dosierung kann das Vitamin auch unabhängig vom Intrinsic-Faktor durch passive Diffusion über die Darmschleimhaut aufgenommen werden. Bei Patienten mit schweren neurologischen Störungen oder mit perniziöser Anämie ist initial eine parenterale Substitutionstherapie notwendig, die oral fortgesetzt werden kann.

Definition Vitamin- B12-Mangel bei Älteren
  • Holotranscobalamin (Holo-TC) < 35 pmol/l
  • Serum-Cobalamin < 150 pmol/l bei zwei separaten Messungen oder
  • Serum-Cobalamin-Spiegel < 200 ng/l und Gesamtserum-Homocystein > 10 µmol/l oder
  • Methylmalonsäurespiegel > 300 nmol/l bzw. > 0,4 µmol/l (nach Ausschluss von Niereninsuffizienz, Folat- und Vitamin-B6-Mangel)

Cobalaminspiegel steigen dosisabhängig

Als niedrigste notwendige Tagesdosen von oralem Cyanocobalamin zum Ausgleich eines milden Vitamin-B12-Mangels bei älteren Personen (Gesamt-Vitamin-B12 135 – 406 pg/ml, MMA ≥ 0,26 µmol/l) erwiesen sich in einer Dosisfindungsstudie Konzentrationen oberhalb von 600 µg – mehr als das 200-Fache der empfohlenen Nahrungszufuhr von 3 µg täglich [36]. Bei einer Substitutionstherapie steigen die Cobalaminspiegel im Serum dosisabhängig (Abb. 5) [35].

In einer Vergleichsstudie über vier Monate bei 38 Patienten mit neu diagnostiziertem Vitamin-B12-Mangel, im Mittel 71 Jahre alt, war eine Substitutionstherapie mit oralem Cyanocobalamin (2 mg täglich) einer Injektionstherapie (1 mg i.m. an den Tagen 1, 3, 7, 10, 14, 21, 30, 60, 90) mindestens ebenbürtig. Bei vier von 18 Patienten unter oraler Substitutionstherapie und bei vier von 15 Patienten aus der i.m.-Gruppe wurden deutliche Verbesserungen neurologischer Symptome wie Parästhesien, Ataxie oder Gedächtnisverlust festgestellt. Alle Serummarker für einen Vitamin-B12-Mangel wurden bei allen Behandelten deutlich verbessert. Die Cobalamin- und MMA-Werte wurden bei Patienten der oralen Substitutionsgruppe sogar signifikant stärker gebessert als in der i.m.-Gruppe [37].

Auch ein Cochrane-Review von zwei randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt 108 Patienten mit Vitamin-B12-Mangel, darunter die gerade beschriebene Studie, bestätigt die Gleichwertigkeit einer oralen Cobalamin-Therapie (1 mg bzw. 2 mg täglich) mit einer intramuskulären Substitutionstherapie (1 mg) [38]. In der zweiten Vergleichsstudie bei 70 Patienten mit megaloblastärer Anämie aufgrund eines Vitamin-B12-Mangels, im Mittel 60 bzw. 64 Jahre alt, wurde Cobalamin sowohl bei oraler als auch i.m.-Therapie in der Dosis von 1 mg verabreicht. 60 Patienten schlossen die dreimonatige Studie ab. Beide Therapieformen waren zur Verbesserung hämatologischer Parameter wie Hb-Werte und Leukozytenzahl ähnlich effektiv. Auch die mittleren Serum-Cobalamin-Spiegel erhöhten sich in beiden Gruppen deutlich. Bei 21 Patienten wurden bei Studienbeginn neurologische Auffälligkeiten wie kognitive Defizite (n=7), periphere Neuropathien (n=9) und Verlust des Vibrationsempfindens (n=5) festgestellt. Bei rund drei Viertel der Behandelten, sowohl in der peroralen als auch der i.m.-Gruppe, wurden bereits nach einmonatiger Therapie deutliche Verbesserungen dieser Symptome festgestellt. Die orale Therapie erwies sich nach Angaben der Autoren als besser verträglich als die intramuskuläre und dürfte bei den meisten Patienten mit Vitamin-B12-Mangel der parenteralen Applikation gleichwertig sein.

Fazit

Ein Vitaminmangel ist bei älteren Menschen weit verbreitet, sollte möglichst frühzeitig erkannt und durch Umstellung der Ernährung bzw. eine Substitution ausgeglichen werden. Durch eine Substitution kann chronischen Erkrankungen vorgebeugt werden.

Der Ausgleich eines Vitamin-B12-Mangels trägt zur Sturz- und Frakturprophylaxe bei sowie zur Vorbeugung neurologischer und psychiatrischer Symptome wie Sensibilitätsstörungen und kognitive Symptome, die im fortgeschrittenen Stadium irreversibel sind. Dabei hat sich die hochdosierte orale Gabe der parenteralen als ebenbürtig erwiesen.

Auch eine Vitamin-D-Unterversorgung tritt im Alter häufig auf und erhöht unter anderem das Risiko für Osteoporose und kardiovaskuläre Erkrankungen. Oftmals ist das Vitamin-D-Defizit mit einem Magnesiummangel vergesellschaftet, der ebenfalls einen negativen Einfluss auf den Knochenstoffwechsel und das kardiovaskuläre Risiko hat. In diesen Fällen empfiehlt sich eine kombinierte Substitution.


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Autor:

Prof. Dr. med. Klaus Kisters

Medizinische Klinik 1
St. Anna Hospital
44649 Herne

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (10) Seite 34-41