Bei mehr als einem Drittel der Patientinnen, deren Mammakarzinom inklusive der regionalen Lymphknoten operativ entfernt wurde, besteht das Risiko, ein sekundäres Lymphödem zu entwickeln. Da sich entfernte Lymphstationen nicht neu bilden, ist die regelmäßige, lebenslange Lymphdrainage die Basis der Therapie. Neben dieser etablierten Methode besteht die Möglichkeit eines operativen Eingriffs in Form einer Liposuktion.

Bevor die Technik der Sentinel-Node-­Biopsie eingeführt wurde, war es üblich, im Rahmen einer Mammakarzinom-Operation alle Lymphknoten der Achselhöhle zu entfernen. Als Konsequenz entwickelten über 36 % der Patientinnen ein sekundäres Lymphödem des Arms. Meist sind hierbei auch die Hand in ihrer Rückenpartie und alle Finger betroffen (Abb. 1). Sehr selten sieht man ein Lymph­ödem auf der volaren Seite der Hand, da dort keine Lymphgefäße in großer Zahl vorhanden sind.

Heute gehört die Abnahme der gesamten Brust nicht mehr zum Standardrepertoire der Brustzentren in Deutschland. Angestrebt wird immer eine brusterhaltende Operation, falls dies aus onkologischer Sicht möglich ist. Zudem wird angestrebt, das Desaster in der Lymphloge der Achselhöhle so gering wie möglich zu halten. Dies führte zum Modell des Wächterlymphknotens: Nur dieser wird entfernt und intraoperativ mikroskopisch beurteilt. Sind Metastasen vorhanden, werden auch alle anderen Lymphknoten der Achselhöhle entfernt.

Auch bei der Entfernung einer einzigen Lymphknotenstation kann sich ein Lymph­ödem entwickeln, aber nur in etwa 6 % der Fälle. Besteht jedoch aufgrund eines positiven Befunds die Notwendigkeit, alle Lymphknoten zu entfernen, ist das Risiko für ein Lymph­ödem genauso hoch wie vor der Sentinel-Node-Ära. Unter´m Strich hat sich die Ödemprognose für die Gesamtheit der operierten Frauen daher nur marginal verbessert.

Therapieoptionen

In der Lymphologie wird als Therapieoption bei einem sekundären Lymphödem nach wie vor zu Recht die Komplexe Entstauungstherapie mit den wesentlichen Elementen manuelle Lymphdrainage und Kompression eingesetzt. Es gibt keine nachweislich wirksamen Medikamente zur Verbesserung des Lymphflusses. Sekundäre Lymphödeme sind in der Regel einseitig und schmerzlos. Schmerzhaftigkeit ist allerdings immer wieder beschrieben worden und hängt wohl mit der Hautspannung, aber auch mit Gewichtsasymmetrien und der ebenfalls nicht seltenen muskulären Dysbalance zwischen den betroffenen Extremitäten zusammen.

Konservative Verfahren

Manuelle Lymphdrainage dient dazu, den gestauten Lymphfluss zentralwärts so zu bewegen, dass die Lymphe in den Einflusswinkeln subklavikulär beidseits wieder dem Blutsystem zugeführt werden kann. Lymphgefäße sind ein unidirektionales, durch Klappen unterbrochenes Gefäßsystem mit eigener Kontraktilität der einzelnen Abschnitte zwischen den Klappen. Diese durch die Klappen begrenzten Abschnitte werden auch als „Lymphherzen“ bezeichnet, die eine eigene Pulsation aufweisen und so den Lymphstrom zentralwärts treiben. Diese Aktion wird sowohl durch eine Füllung des Lymphgefäßes, aber auch durch einen zusätzlichen Reiz der umgebenden Muskulatur und über einen vegetativen Reiz durch Hautstreichungen unterstützt.

Aufgabe des Physiotherapeuten ist nun, das Ödem zentralwärts zu treiben, indem er zuerst mit einer zentralen Entstauung im Bereich der Schlüsselbeine beginnt und mit den Händen sanfte Streichungen der Haut durchführt. Die Drainage ist keine Massage und darf auch nicht als Massage durchgeführt werden. Der Therapeut wird sich nach Öffnen dieses zentralen Zugangs zum Blutgefäßsystem den peripheren Flächen des Körpers zuwenden und schlussendlich an der betroffenen Extremität die Lymphe zentralwärts drainieren. Diese therapeutische Einheit, die in der Regel eine Stunde dauern sollte, wird im akuten Zustand abgeschlossen mit einer Kompressionsbandagierung.

Unabhängig von der Stadieneinteilung (vgl. Tabelle 1) gilt: Ist der akute Zustand in die Erhaltungsbehandlung übergegangen, wird statt einer Kompressionsbandagierung eine Kompressionsbestrumpfung notwendig. Die Haut bedarf hierunter einer besonderen Pflege mit harnstoff- oder milchsäurehaltigen Externa.

Armumfang regelmäßig dokumentieren

Lymphödeme bleiben lebenslang, egal ob sekundären oder primären Ursprungs, da die einmal amputierten Lymphstationen und Lymphgefäße nicht regeneriert werden. Lymphödembehandlung bedeutet also, mit den betroffenen Patienten ein Management über viele Jahre zu organisieren. Das Ziel sollte sein, die Häufigkeit der Lymphdrainage auf ein Minimum zu reduzieren. Dieses Ziel ist nur erreichbar, wenn regelmäßige Umfangsmessungen vom Therapeuten vorgenommen und dem Arzt vorgelegt werden, was auch zur Dokumentationspflicht des Arztes gehört. Ich empfehle dringend, auch zur Vermeidung von Regressen, diese Dokumentation der durchgeführten Lymphdrainage und die Umfangsmessungen in der Patientenakte zu hinterlegen. So kann im Zweifelsfall nachgewiesen werden, dass der Einsatz der Lymphdrainage nicht sorglos vorgenommen wurde.

Operative Optionen

1998 wurde von Brorson erstmals ein neuer therapeutischer Ansatz vorgestellt. Seine Frage war, ob eine Liposuktion in Kombination mit kontrollierter Kompressionstherapie das Armlymph­ödem signifikant verbessern kann im Gegensatz zur alleinigen Kompressionstherapie. Er nahm an den Armen 20 bis 30 drei Millimeter große Inzisionen vor und entfernte mit der Vakuum-Aspirationspumpe das von ihm als hypertrophes und ödematöses Fett beschriebene Gewebe bei 14 Patienten, denen eine ähnlich große Gruppe konservativ behandelter Patienten gegenüberstand. Das eindeutige Ergebnis, welches zeigte, dass die Kombination von Liposuktion und Kompression ein besseres Resultat hatte als die reine Kompressionsgruppe, verwundert nicht. Brorson stellte nicht die Frage, ob durch den chirurgischen Eingriff die anschließende Behandlungsnotwendigkeit durch Komplexe Entstauungstherapie gänzlich aufgehoben wäre. Sehr wohl unterstreicht er, dass auch die Lebensqualität eine Verbesserung erfährt, wenn das Volumen des Arms der Gegenseite wieder angeglichen ist.

Diese ersten Arbeiten von Brorson aus den Jahren 1997 und 1998 führten dazu, dass ich seit 2005, nach einer hinreichend großen Erfahrung der Methode der Lymphologischen Liposculptur bei Lipödem-Patienten, die Brorsonsche Methode modifizierte und hierfür zwei Fragestellungen aufwarf:

  1. Kann die operative Methode die Notwendigkeit für Komplexe Entstauungstherapie reduzieren und den Lymphfluss verbessern?
  2. Kann der Umfang des Arms wieder normalisiert werden?

Unter Anwendung der „Lymphologischen Liposculptur“ wurde das Verfahren, welches Brorson beschrieb, modifiziert und geändert. Zielsetzung der sanften Entfernung des zwischen Haut und Muskel liegenden Gewebes, das aus der proteoglykanartigen Struktur besteht und nur geringe Anteile von Fett enthält, ist die Wiederherstellung der Kontur der betroffenen Extremität und die Entfernung dieser schwammartigen Substanz, um einem lokalen Rezidiv des sekundären Lymphödems durch erneutes Anschwellen der Extremität über das Normalmaß hinaus vorzubeugen. Dies gelingt, wenn der Arm in klassischer Weise mit Tumeszenzanästhesie betäubt wird.

Die Lymphologische Liposculptur beim sekundären Lymphödem wird immer unter begleitender Schmerzausschaltung durchgeführt. Die Areale des Arms werden präoperativ angezeichnet (Abb. 2), eine Fotodokumentation erfolgt. Die eingebrachte lokale Betäubung ins Gewebe wird innerhalb weniger Minuten über eine Spraykanüle mittels einer Pumpe im subkutanen Gewebe verteilt. Anschließend wird eine mindestens zweistündige Einwirkzeit der Tumeszenzlösung auf das Gewebe abgewartet, bevor die nunmehr gelartige Masse in longitudinalen, lymphgefäßschonenden, suprafaszialen und subepidermalen Kanülenwegen abgesaugt wird (Abb. 3). Bis zu fünf Liter Gewebeflüssigkeit werden hierbei gelegentlich aus dem Arm und der Hand entfernt, entscheidend ist allerdings die Anpassung an die intakte gegenseitige Extremität. Nach der Operation ist eine postoperative Komplexe Entstauungstherapie zur Rehabilitation des Lymphstroms für eine Zeit von mindestens zwei bis vier Wochen intensiviert notwendig.

Ergebnisse

Die vorliegenden Langzeitergebnisse nach nun fünf Jahren an ca. 50 behandelten Patientinnen zeigen, dass bei sorgfältiger Anwendung der operativen und postoperativen Strategien keinerlei zusätzliche Schädigung am Lymphgefäßsystem zu beschreiben ist und die gewünschten Effekte, nämlich Reduktion der Komplexen Entstauungstherapie und Angleichung der Gliedmaße an die Gegenseite, erzielt werden. Die Komplexe Entstauungstherapie kann im Regelfall um 80 % reduziert werden, dies bedeutet für die Patientin eine ungewöhnliche Entlastung bezüglich ihrer ansonsten lebenslangen Besuche beim Physiotherapeuten und im Sanitätshaus. Darüber hinaus braucht die Kompressionsbestrumpfung an Arm und Hand in aller Regel nicht mehr getragen zu werden. Gerade dieses sichtbare Stigma der ansonsten verdeckten Operationsnarben nach Brustkrebs steht häufig im Weg, wenn eine Brustkrebspatientin wieder ein normales Leben führen möchte.

Die Nebenwirkungen der Liposuktion sind Blutergüsse und gelegentliche Faszienadhäsionen im Bereich des Unterarms, wenn die Saugungen nah zwischen Faszie und Haut durchgeführt werden müssen. Besonders anspruchsvoll ist hierbei die Besaugung des Handrückens.


Interessenkonflikte:
keine deklariert

Prof. Hon. (Univ. Puebla) Dr. med. Manuel Cornely


Kontakt:
Prof. Hon. (Univ. Puebla) Dr. med. Manuel Cornely
Hautpraxis Düsseldorf
40474 Düsseldorf

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2010; 32 (14) Seite 42-44