Patienten, die kardiovaskuläre Ereignisse wie zum Beispiel einen Myokardinfarkt überleben, haben ein hohes Risiko, weitere kardiovaskuläre Ereignisse zu erleiden und im schlimmsten Fall daran zu versterben. Daher sind sowohl Primär- als auch Sekundärprävention von entscheidender Bedeutung. Prävention lässt sich vor allem durch Modifikation von Risikofaktoren erreichen. Die Dyslipidämie ist ein solcher Risikofaktor, und er kann gut beeinflusst werden. Was empfehlen die Leitlinien hierzu?
Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen sollten immer auf Vorliegen einer Dyslipidämie untersucht werden. Aber auch Patienten mit Autoimmun- und chronischen Nierenerkrankungen weisen ein erhöhtes Risiko für Dyslipidämien auf [1]. Einfach zu diagnostizierende klinische Zeichen einer schweren Dyslipidämie sind Xanthelasmen, Xanthome sowie der präsenile Arcus cornealis. Häufig treten diese klinischen Zeichen im Rahmen einer familiären Hypercholesterinämie auf, welche die häufigste singuläre Genese einer sich früh manifestierenden kardiovaskulären Erkrankung darstellt [1]. Für alle Männer ≥40 und Frauen ≥50 Jahren und/oder postmenopausal ist ein Lipidscreening empfehlenswert, insbesondere wenn weitere Risikofaktoren vorliegen [1]. Die aktuelle ESC-Leitlinie empfiehlt zur Basisdia-
gnostik der Dyslipidämie die Bestimmung von Gesamt-, LDL-, HDL-Cholesterin sowie der Triglyceride. Weiterführende Analysen beinhalten Lipoprotein(a), apoB:apoA1 und das non-HDL/HDL-Verhältnis. Die Bestimmung von apoB kann als Äquivalent zu non-HDL-Cholesterin angesehen werden [1].
Zahlreiche Studien haben unzweifelhaft gezeigt, dass zumindest bei Hochrisikopatienten eine Senkung von Gesamt- sowie LDL-Cholesterin mit einer signifikanten Senkung von Mortalität und kardiovaskulären Ereignissen assoziiert ist. Trotz einer stets zunehmenden Anzahl an verfügbaren Lipoproteinsubfraktionen bleiben Gesamt- und LDL-Cholesterin in aktuellen Leitlinien die führenden Therapieziele [1]. Sowohl in den europäischen EAS/ESC- als auch in den amerikanischen AHA/ACC- Leitlinien wird die Senkung des LDL-Cholesterins zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse als vordringliches Ziel angesehen [2, 3] (siehe Kasten). Zahlreiche Studien zeigen, dass Lebensstilinterventionen die Atherogenese direkt oder über den Einfluss auf klassische Risikofaktoren wie Plasmalipide, Blutdruck oder Blutglukose beeinflussen und daher eine sehr wichtige Rolle in der Primär- sowie Sekundärprophylaxe spielen [1]. Wir beleuchten im Folgenden jedoch die aktuelle Datenlage zur Arzneimitteltherapie der Dyslipidämie.
Statine
Die wohl bekannteste Arzneimittelgruppe zur Senkung des LDL-Cholesterins stellen die Statine dar. Das Ausmaß der Reduktion des LDL-Cholesterins hängt sowohl von der Dosierung als auch der Substanzgruppe ab [18]. Von Bedeutung sind auch interindividuelle Unterschiede in der Reduktion des LDL-Cholesterins bei selber Statindosis [19]. Häufig liegt der Grund für ein schwaches Ansprechen auf eine Statintherapie an mangelnder Compliance, jedoch müssen auch genetische Ursachen, die den Cholesterinmetabolismus oder die Statinaufnahme beeinflussen, berücksichtigt werden [20, 21]. Zahlreiche große Studien haben gezeigt, dass Statine sowohl die kardiovaskuläre Morbidität als auch die Mortalität senken. Dies gilt für Primär- und Sekundärprävention, beide Geschlechter sowie für alle Altersgruppen. Einzelne Studien in dieser Arbeit zu beleuchten, würde den Rahmen sprengen. In einer Metaanalyse mit über 170.000 Patienten aus 26 randomisierten, kontrollierten Studien führte eine Senkung des LDL-Cholesterins um 40 mg/dl zu einer 10 %igen Reduktion der Gesamtmortalität, zu einer 20 %igen Reduktion der kardiovaskulären Mortalität, zu einer 23 %igen Reduktion von koronaren Ereignissen sowie zu einer 17 %igen Reduktion von Schlaganfällen [23]. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der Nutzen der Statine schon im ersten Behandlungsjahr sichtbar ist, jedoch mit zunehmender Behandlungsdauer größer wird. Die aktuelle Datenlage zeigt, dass die positiven Effekte von Statinen zu einem großen Teil vom gewählten Präparat unabhängig sind, jedoch signifikant mit dem Ausmaß der Reduktion des LDL-Cholesterins zusammenhängen [2]. Andere Effekte, die die Wirksamkeit der Statine begründen, werden aktuell diskutiert. Zu diesen pleiotropen Effekten zählen Antiinflammation sowie Antioxidation [24, 25]. Die Datenlage hierzu ist jedoch kontrovers. Während in vitro signifikante Effekte entdeckt wurden, bleibt deren klinische Bedeutung vorerst unklar [26].
Statine senken das Gesamtcholesterin im Durchschnitt um 30–50 % und können das HDL-Cholesterin um 5–10 % erhöhen [1]. Die wohl bedeutsamste Nebenwirkung stellen muskuläre Schmerzen dar, die bei 5–15 % der Patienten unter Statintherapie auftreten [26–28]. Die Rhabdomyolyse, als Maximalform der statininduzierten Myopathie, stellt eine lebensbedrohliche Komplikation der Statintherapie dar. Die geschätzte Inzidenz beträgt 1–3 Fälle/100.000 Patientenjahre [30].
Statine und Ezetimib
Die Effektivität von Statinen lässt sich durch Hinzunahme eines Cholesterinaufnahmehemmers wie Ezetimib steigern. Eine Ezetimib-Monotherapie senkt das LDL-Cholesterin um 15–22 %, während die Hinzunahme von Ezetimib zur Statintherapie eine weitere Reduktion der LDL-Cholesterin-Levels um 15–20 % ermöglicht [1]. In der groß angelegten IMPROVE-IT-Studie wurden über 18.000 Patienten mit akutem Koronarsyndrom randomisiert und über 7 Jahre auf kardiovaskuläre Ereignisse nachverfolgt. Eine Patientengruppe erhielt Simvastatin 40 mg, während die andere Gruppe mit Simvastatin 40 mg + Ezetimib 10 mg behandelt wurde. Das LDL-Cholesterin konnte in der Gruppe mit Ezetimib signifikant gesenkt werden (ca. 15 mg/dl). Die absolute Zahl der kardiovaskulären Ereignisse war in der Behandlungsgruppe leicht (ca. 2 %), jedoch signifikant niedriger. Des Weiteren war die Anzahl der ischämischen Schlaganfälle in der Behandlungsgruppe deutlich reduziert [30]. Ezetimib sollte als Therapie der zweiten Wahl erwogen werden, falls die Ziel-LDL-Werte unter maximal tolerierter Statindosis nicht erreicht werden oder eine Unverträglichkeit bezüglich der Statintherapie vorliegt. Für Ezetimib liegen keine Berichte über schwerwiegende Nebenwirkungen vor [1].
PCSK9-Inhibitoren
PCSK9-Inhibitoren sind eine relativ neue Substanzklasse zur Senkung des LDL-Cholesterins. Sie reduzieren die Plasmakonzentration von PCSK9 und die damit verbundene erhöhte Expression des LDL-Rezeptors an der Zelloberfläche [31]. PCSK9-Inhibitoren sind in der Lage, LDL-Cholesterin unabhängig von der Begleitmedikation (z. B. Statintherapie) um bis zu 60 % zu senken. Studien zeigen zudem eine signifikant niedrigere Rate an kardiovaskulären Ereignissen im Vergleich zur Kontrollgruppe [32, 33]. Effekte auf HDL-Cholesterin oder Triglyceride werden nicht beschrieben. PCSK9-Inhibitoren können aufgrund ihres Funktionsmechanismus bei einer Vielzahl von Patienten mit Hypercholesterinämie, insbesondere familiärer Hypercholesterinämie, eingesetzt werden. Die aktuellen europäischen Richtlinien erwägen einen Einsatz von PCSK9-Inhibitoren bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskulären Risiko, die bereits maximal tolerierte Erst- sowie Zweitlinientherapie und/oder Apherese erhalten oder Statine nachweislich nicht tolerieren [1]. PCSK9-Inhibitoren werden subkutan 2- oder 4-wöchentlich injiziert. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Irritationen an der Einstichstelle sowie grippeähnliche Symptome. Vereinzelt wurde eine Zunahme neurologischer Symptome beschrieben [34]. PCSK9-Inhibitoren stellen somit eine vielversprechende Ergänzung/Alternative zur Statintherapie dar, sind aktuell aber noch ausgewählten Patientenkollektiven vorbehalten (Abb. 1).
Ionenaustauscherharze wie Cholestyramin senken das LDL-Cholesterin um 18–25 % und reduzieren kardiovaskuläre Ereignisse [35–37]. Aufgrund der zahlreichen Nebenwirkungen auch bei niedrigen Dosierungen sowie Interaktionen mit anderen Arzneimitteln stellen Ionenaustauscherharze lediglich Reservemedikamente im klinischen Alltag dar [1]. Obwohl Nikotinsäure die Konzentrationen von HDL-Cholesterin um bis zu 25 % erhöht und diejenigen von LDL-Cholesterin, Triglyceriden und LP(a) um 15–18 %, 20–40 % bzw. 30 % senkt, konnte in klinischen Studien nicht nur kein Nutzen, sondern eher ein schädlicher Effekt nachgewiesen werden [38, 39]. Derzeit sind in Europa keine Arzneimittel zugelassen, welche Nikotinsäure beinhalten [1].
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Dyslipidämie einen Hauptrisikofaktor für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen darstellt. LDL-Cholesterin ist das aktuell wichtigste Therapieziel. Je nach Risikoprofil sind die LDL-Zielwerte unterschiedlich streng gehalten. Statine stellen nach wie vor eine wichtige- und etablierte Säule für die Therapie der Dyslipidämie dar. Ezetimib kann die Effektivität von Statinen zusätzlich steigern. PCSK9-Inhibitoren stellen eine vielversprechende Ergänzung/Alternative zur Statintherapie dar, sind aktuell aber noch ausgewählten Patientenkollektiven vorbehalten.
- LDL-Cholesterin stellt das primäre Therapieziel dar [4, 5]
- Gesamtcholesterin kann als primäres Therapieziel erwogen werden, wenn andere Analysen nicht verfügbar sind [4, 6] Non-HDL-Cholesterin sollte als sekundäres Therapieziel erwogen werden [7]
- ApoB sollte als sekundäres Therapieziel erwogen werden [7, 8]
- HDL-Cholesterin stellt kein Behandlungsziel dar [9, 10]
- ApoB/apoA1- sowie Non-HDL/HDL-Ratio stellen kein Behandlungsziel dar [7]
- Patienten mit sehr hohem kardiovaskulären Risiko [1]: Ziel LDL-Cholesterin <70 mg/dl oder Reduktion um >50 %, wenn Ausgangswert zwischen 70 und 135 mg/dl [11–16]
- Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko: Ziel LDL-Cholesterin <100mg/dl oder Reduktion um >50 %, wenn Ausgangswert zwischen 100 und 200mg/dl [13, 17]
- Patienten mit moderatem und niedrigem kardiovaskulären Risiko: Ziel LDL-Cholesterin <115 mg/dl Behandlungsziele für non-HDL-Cholesterin lauten <100/130/145 mg/dl entsprechend sehr hohem, hohem und moderatem Risiko [1]
- Für HDL-Cholesterin bestehen keine Behandlungsziele, jedoch sind Werte >40 mg/dl bei Männern und >48 mg/dl bei Frauen wahrscheinlich mit einem niedrigeren Risiko assoziiert [1]
- Für Gesamt-Cholesterin bestehen keine Behandlungsziele, jedoch sind Werte <150mg/dl wahrscheinlich mit einem niedrigeren Risiko assoziiert [1]
Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (7) Seite 58-60