Im Privatleben sind Messenger wie WhatsApp längst gang und gäbe. Sie können aber auch in Allgemeinarzt-Praxen wertvolle Dienste leisten, vorausgesetzt, sie erfüllen bestimmte Anforderungen. Dann ermöglichen sie eine zeitgemäße und effiziente Kommunikation, können die internen Abläufe optimieren, die Praxisorganisation entlasten und gleichzeitig Ärzte vor einem unerwünschten direkten Zugang der Patienten zu ihnen schützen.

Zu den zentralen Stärken eines Messengers zählt die im Gegensatz zum Telefon asynchrone Kommunikation. Am Montagmorgen beispielsweise ist das Telefon meist völlig überlastet, weil sehr viele Patienten, bevor sie zur Arbeit gehen, noch einen Termin vereinbaren oder ein Rezept bestellen möchten. Ein Messenger als asynchroner Kommunikationskanal behebt dieses Problem. Die Patienten können ihre Anliegen loswerden und beruhigt zur Arbeit gehen. Die MFA können die Nachrichten später beantworten, wenn sie Zeit dafür haben.

Auf dem umgekehrten Weg zahlt sich die Asynchronität ebenfalls aus. Möchte die MFA Patienten erreichen, etwa um ihnen einen Laborbefund mitzuteilen oder sie an eine große Untersuchung zu erinnern, sind sie dabei am Telefon ebenfalls oft erfolglos. Die Patienten sind nicht zu Hause und nehmen während der Arbeitszeit keine privaten Anrufe entgegen. Chat-Nachrichten dagegen werden von ihnen im Laufe des Tages gelesen, weil es allgemein akzeptiert ist, dass dieser private Kommunikationskanal auch während der Arbeit genutzt wird.

Nicht zuletzt bewährt sich die Asynchronität bei der internen Kommunikation und der Kommunikation mit Fachkollegen oder Apothekern. Die MFA hat eine Frage an den Arzt, der momentan mit einem Patienten beschäftigt ist; der Arzt möchte die MFA über einen Sachverhalt unterrichten, sie spricht aber gerade mit einem Patienten; oder der Arzt hat eine Rückfrage an einen Fachkollegen, die nicht akut ist: In solchen Fällen können sich die Kommunikationspartner gegenseitig informieren, ohne den anderen dadurch bei seiner aktuellen Tätigkeit zu stören.

Zu den zahlreichen weiteren Vorteilen eines Messengers im Praxisalltag zählen:
  • Höhere Produktivität: Dauert es am Telefon etwa 90 bis 120 Sekunden, einen Termin mit einem Patienten zu vereinbaren, nimmt das per Chat gerade einmal rund 10 Sekunden in Anspruch. Zudem sinkt durch Messenger die Anzahl der persönlichen Kontakte pro Quartal.
  • Weniger Fehler: Verschriftlichen Patienten ihre Anliegen im Chat, formulieren sie diese meist deutlich präziser als am Telefon. Die Erfahrung zeigt, dass Messenger zuallererst von älteren Patienten begeistert genutzt werden, weil sie wegen Schwerhörigkeit Telefonate vermeiden möchten.
  • Mehr Mobilität: VERAHs und NäPas haben die Möglichkeit, bei Hausbesuchen Wunden zu fotografieren und das Foto zur Beurteilung an den Arzt zu schicken oder ihm Rückfragen zu stellen.
  • Besserer Patientenservice: Die Menschen sind es inzwischen aus allen möglichen Bereichen ihres Lebens gewohnt, per Chat zu kommunizieren. Mit einem Messenger präsentieren sich Arztpraxen als moderne Gesundheitsdienstleister.
  • Größere Sicherheit: Da die E-Mail in der Regel ein unverschlüsselter Kommunikationskanal ist, verbietet die DSGVO ihren Einsatz in der Patientenkommunikation. Ein geeigneter Messenger dagegen darf dafür genutzt werden.

Bring your own Device
Als "Bring your own Device" bezeichnet die IT-Branche den Trend, dass immer mehr Menschen ihre privaten Handys auch für Arbeitszwecke nutzen. Bestimmte Messenger lassen sich so einrichten, dass sie keinerlei Daten mit den übrigen Apps der Smartphones austauschen und deshalb auch auf privaten Geräten DSGVO-konform eingesetzt werden können. Dennoch ist es für Allgemeinärzte eine Überlegung wert, ein Praxishandy anzuschaffen und den Messenger dort zu installieren. Geeignete Geräte sind schon für 80 bis 100 Euro erhältlich und ermöglichen eine saubere Trennung zwischen Privatem und Beruflichem.

Welche Anforderungen muss ein Praxismessenger erfüllen?

Damit eine Praxis von diesen Vorteilen profitieren kann, muss der Messenger allerdings einige Schlüsselanforderungen erfüllen. Dazu zählen aus fachlicher Sicht:
  • Desktop-Anwendung: Der Messenger darf nicht nur in Form einer mobilen App für Smartphones zur Verfügung stehen. Er muss auch eine parallele Anwendung für die ganz normalen PCs der Mitarbeiter zur Verfügung stellen. Die MFA möchten an ihrem Computer am Empfang Nachrichten schreiben und beantworten können. Außerdem benötigen sie die Möglichkeit, Befunde aus dem Praxisverwaltungsprogramm per Messenger zu versenden – und das geht nur am PC.
  • Virtueller Tresen: Um zu verhindern, dass die Patienten den Arzt gegen seinen Willen direkt erreichen können, muss der Messenger einen digitalen Empfang bieten. Das ist ein zentraler Kontakt, der von den MFA betreut wird und an dem sämtliche Patientennachrichten eingehen. Der Arzt sollte dabei aber die Möglichkeit haben, wenn er das möchte, einen Patienten direkt betreuen zu können. Deshalb sollte er mit dem Messenger einen temporären Chatkanal zu Patienten eröffnen können, die beispielsweise schwerstkrank sind oder sich in einer Palliativ-Situation befinden – und mit denen der Arzt bei Bedarf auch am Wochenende in Kontakt stehen kann.

Zudem muss der Messenger hohe Sicherheitsanforderungen erfüllen. In vielen Praxen wird heute WhatsApp genutzt, was in puncto Datenschutz äußerst bedenklich ist. WhatsApp ist nicht DSGVO-konform und darf wegen seiner gravierenden Datenschutzmängel nicht in einer Gesundheitseinrichtung verwendet werden. Um das erforderliche Sicherheitsniveau zu gewährleisten und der DSGVO zu entsprechen, benötigt ein Messenger folgende Eigenschaften:

  • Er muss eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufweisen, bei der niemals Daten während ihrer Übertragung entschlüsselt werden. Nur dann können ausschließlich Absender und Empfänger die Nachrichten und die verschickten Dokumente lesen.
  • Es darf keine zentrale Datenspeicherung auf Servern geben. Die Daten dürfen nur auf den Endgeräten, also den Handys und Computern, gespeichert sein.
  • Um dafür zu sorgen, dass die Handys und Computer immer denselben aktuellen Stand haben, sind Vermittlungsserver nötig. Diese sollten innerhalb der EU stehen, am besten direkt in Deutschland.
  • Der Messenger sollte eine Identitätsprüfung der Kommunikationspartner durchführen. Dann ist sichergestellt, dass nur die richtigen Personen Nachrichten und Daten austauschen.
  • Der Messenger sollte keine Web-Oberfläche aufweisen, die im Internet-Browser bedient werden muss. Das Einloggen mit Benutzername und Kennwort sowie die zentrale Datenspeicherung stellen inakzeptable Sicherheitslücken dar.

Nur keine Angst vorm Messaging!

Die Befürchtung, dass mit einem Messenger automatisch ständige Verfügbarkeit einhergeht, ist unbegründet. Im Privatleben mag es vielleicht inzwischen Usus sein, auf Nachrichten möglichst immer sofort zu antworten; im Praxisbetrieb ist das aber nicht erforderlich. Die Patienten sind einfach froh, wenn sie auch außerhalb der Praxiszeiten oder bei besetzten Telefonleitungen ihre Anliegen loswerden können und damit in die Wege geleitet wissen. Die Kontakte von Ärzten mit Patienten über einen Messenger können dabei zumindest bei privat versicherten Patienten nach GOÄ-Ziffern 1 und 3 auch abgerechnet werden.



Autor:

Dr. Ralph Jäger

Allgemeinarzt, Mitgründer und Geschäftsführer von MediOne
78733 Aichhalden



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (12) Seite 52-54