Die Melisse ist eine Heilpflanze mit langer Tradition. Ihre vor allem mild sedativen, virustatischen und karminativen Eigenschaften sind auch heute noch in der Therapie gefragt. Besonders bei der Volkskrankheit Reizmagen bzw. Reizdarm ist eine Behandlung mit hochkonzentriertem Melissen-Extrakt zu empfehlen.

Die Melisse (Melissa officinalis) – auch Zitronenmelisse genannt – stammt aus dem östlichen Mittelmeerraum. In Deutschland wird sie erst seit dem Mittelalter kultiviert. Sie gehört zur Familie der Lippenblütler (Labiatae) und ist eine bis 70 cm hohe nach Zitronen riechende Staude. Sie bildet weiße bis gelbliche Blüten und die gestielten, breit-eiförmigen Blätter mit gesägtem Rand werden geerntet, getrocknet und als Droge verwendet. Seit der Antike genießt die Melisse als Heilpflanze eine hohe Wertschätzung. So schreibt der griechische Arzt Serapion von Alexandria 200 Jahre vor Christus: "Sie erfreut das Gemüt, macht die Leitungen des Gehirns frei, fördert die Verdauung, stärkt das stockende oder geschwächte Herz, vertreibt alle unangenehmen Einbildungen aus dem Gehirn, in Sonderheit solche, die den Menschen melancholisch machen." Und Kaiser Karl der Große (gest. 814) befahl, die Melisse in jedem Klostergarten anzubauen. Von dort fand sie ihren Weg in die Bauerngärten.

Melisse positiv monografiert

Nach Prüfung des für diese Heilpflanze vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnismaterials verabschiedete die Kommission E beim damaligen Bundesgesundheitsamt für die Melisse eine Positiv-Monografie. In Deutschland werden pflanzliche Arzneimittel nur zugelassen, wenn für die entsprechende Heilpflanze eine Positiv-Monografie vorliegt und die Phytopharmaka den Forderungen der jeweiligen Monografie entsprechen. Die Positiv-Monografie von Melissae folium nennt als Wirkungen: beruhigend und karminativ. Später konnten noch spasmolytische, antibakterielle und virustatische Eigenschaften nachgewiesen werden. Und als Indikationen für die Heilpflanze legte die Kommission E funktionelle Magen-Darm-Beschwerden und nervös bedingte Einschlafstörungen fest.

Die Melissenblätter enthalten 0,05 bis 0,8 % ätherisches Öl. Seine Hauptbestandteile sind Citral, Citronellal und Linalool. Außerdem sind in den Blättern Phenylcarbonsäuren (bis 11 %, Chlorogen-, Ferula-, Kaffeesäure, frei, teilweise verestert oder in glykosidischer Bindung und ca. 4 % Rosmarinsäure), Triterpensäuren und Flavonoide nachweisbar. Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Gegenanzeigen sind bei dieser Heilpflanze nicht bekannt.

Mildes Sedativum

Der mild sedierende Effekt der Melisse basiert auf den Inhaltsstoffen des ätherischen Öls. Zur Beruhigung und bei nervösen Einschlafstörungen trinkt man ein- oder mehrmals täglich eine Tasse Tee (1 bis 3 Teelöffel Droge auf eine Tasse = 150 ml heißes Wasser als Aufguss). Dabei sollte die letzte Tasse Tee vor dem Schlafengehen getrunken werden. Zum Süßen ist Honig geeignet. Prof. Schilcher empfiehlt Melissentee bei unruhigen Säuglingen und Kleinkindern. Dabei sollen Säuglinge eine Tasse Tee über den Tag verteilt und Kleinkinder bis zu drei Tassen täglich trinken. Die häufig unbefriedigende Wirkung des Tees basiert auf dem schwankenden Gehalt an Inhaltsstoffen. Deshalb werden in pflanzlichen Sedativa häufig Melissenextrakte eingesetzt, die eine höhere Konzentration an wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffen aufweisen.

Pflanzliche Hilfe bei Reizmagen bzw. -darm

Die pharmakologischen Eigenschaften dieser Heilpflanze ergänzen sich ideal beim Krankheitsbild "funktionelle Magen- und Darmbeschwerden", d. h. bei Reizmagen und Reizdarm. Der sedierende Effekt entsteht dadurch, dass das Melissenöl mit seinen Bestandteilen dämpfend auf das Limbische System wirkt, das für die Steuerung vegetativer Funktionen verantwortlich ist. Gleichzeitig wird das Großhirn gegen störende Reize aus der Peripherie abgeschirmt. So belasten Reizüberflutung und emotionaler Stress (Ärger, Konflikte usw.) nicht so stark den Verdauungstrakt. Hinzu kommt die karminative Wirkung. Sie resultiert aus den spasmolytischen (Citral und Linalool) und bakteriostatischen Eigenschaften (Melissenöl) der Melisse und verringert wirksam die somatischen Beschwerden der Patienten. Insgesamt kommt es zu einer Normalisierung der gestörten Peristaltik der Magen- und Darmmuskulatur und die funktionellen Magen-Darm-Beschwerden klingen ab. Wichtig ist, dass hier konzentrierter Melissen-Trockenextrakt zur Anwendung kommt, da der Tee nicht den gewünschten Effekt bringt.

Tipps zur Melisse

Balneologie: Im Handel erhältliche Melissenbäder entspannen und beruhigen in einem warmen Vollbad nach einem anstrengenden Tag Körper und Geist.

Erfrischungsgetränk: Ein Tee aus frischen Melissenblättern ist ein geschmackliches Erlebnis. Er eignet sich gekühlt gut als erfrischendes Getränk bei sommerlichen Temperaturen.

Aromatherapie: Melissenöl in der Duftlampe desinfiziert die Raumluft, wirkt beruhigend und ausgleichend. Es wird hier vor allem bei älteren, nervösen Menschen und hypermotorischen Kindern eingesetzt.

Küche: Die frisch gehackten Melissenblätter verleihen Salaten, vor allem Obstsalaten, Kartoffelsalat und auch Saucen, eine aromatische Note.

Studie mit Melissenblätter-Trockenextrakt

In einer prospektiven Kohortenstudie wurden 446 Patienten, die unter lang andauernden bzw. wiederkehrenden funktionellen Magen-Darm-Beschwerden litten, mit hochdosiertem Trockenextrakt aus Melissenblättern (Gastrovegetalin® 225 mg Kapseln) behandelt. Das Phytopharmakon enthält in jeder Kapsel 225 mg Melissenblätter-Trockenextrakt (5,0 bis 6,2:1). Das Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Melissenblätter-Trockenextrakts im Praxisalltag zu untersuchen. Die Prüfärzte erfassten folgende Symptome: Druck bzw. Schmerz im Oberbauch, Aufstoßen, Sodbrennen, Übelkeit/Brechreiz, Spannungs-/Völlegefühl, Meteorismus, Flatulenz und Stuhlunregelmäßigkeiten. Dabei wurde die Intensität der Symptome vor und nach der Behandlung in einer dreistufigen Skala erfasst: keine Beschwerden = 0, mäßige Beschwerden = 1, starke Beschwerden = 2. Die Patienten nahmen dreimal täglich eine Kapsel des Phytopharmakons über einen Zeitraum von insgesamt vier Wochen ein.

Überzeugende Ergebnisse

Die AWB ergab eine signifikante Abnahme der Intensität – besonders bei den starken Beschwerden – unter der Therapie mit Gastrovegetalin® 225 mg (Tabelle 1). Dabei zeigte sich bei 68 % der Patienten eine deutliche Besserung der Symptome bereits nach sieben Einnahmetagen. 94,2 % der behandelnden Ärzte beurteilten die Wirksamkeit des Phytopharmakons mit sehr gut/gut. Dabei zeigte sich, dass eine regelmäßige Einnahme des Präparates zu einem deutlich besseren Therapieerfolg führt, als es bei einer unregelmäßigen Anwendung der Fall ist, d. h. die Abnahme der Beschwerden ist deutlich dosisabhängig. Die Verträglichkeit des pflanzlichen Arzneimittels wurde von 86,1 % der Ärzte mit sehr gut und von 13,7 % mit gut benotet.

Fazit
Hochdosierter Melissenblätter-Trockenextrakt normalisiert bei Reizmagen bzw. Reizdarm Motilität, Tonus, Sekretion und Durchblutung im Gastrointestinaltrakt. So kommt es zur signifikanten Abnahme belastender Beschwerden wie Schmerzen, Völlegefühl, Aufstoßen, Meteorismus, Sodbrennen und Übelkeit. Damit ergibt sich – wie die AWB belegt – eine deutliche Verminderung des Leidensdrucks der Patienten und eine Verbesserung ihres Wohlbefindens.



Autor:

Ernst-Albert Meyer

Fachapotheker für Offizin-Pharmazie und Medizin-Journalist
31840 Hessisch Oldendorf

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (5) Seite 60-63