Wenn Berufsanfänger in das Unternehmen Arztpraxis kommen, gilt es, wichtige Weichen zu stellen. Denn unter dem alltäglichen Termindruck kann es später äußerst schwierig werden, alles im Blick zu behalten – dabei ist gerade bei Berufsanfängern die erste Zeit so entscheidend für den weiteren Berufsweg.

Steht man am Anfang seiner beruflichen Laufbahn, sorgen alltägliche organisatorische Probleme schnell mal dafür, dass die Motivation und Arbeitsleistung nachlässt. Mancher Azubi bricht seine Ausbildung vielleicht sogar frustriert ab, was auch für die Praxis im laufenden Jahr schwierig werden kann: Ersatz ist nur schwer zu finden, Mehrarbeit für andere Mitarbeiter ist vorprogrammiert.

Zuständigkeiten klären

Im Mittelpunkt des Praxisalltags stehen die Patient:innen. Das kann es für Praxisinhaber:innen erschweren, die Bedürfnisse und Wissenslücken einzelner Teammitglieder im Fokus zu haben. Es macht daher Sinn, insbesondere Aufgaben aus dem Ausbildungsbereich an ausgewählte Mitarbeiter zu delegieren, die sich z. B. durch eigenes Weiterbildungs­interesse und eine hohe Sozialkompetenz besonders gut eignen. Wie beim Delegieren anderer Verantwortlichkeiten gilt aber auch hier: Die eigene Verantwortlichkeit bleibt bestehen, man sollte daher den tatsächlichen Fortschritt der Ausbildung immer im Blick behalten und frühzeitig eingreifen, wenn Probleme auftreten. Außerdem benötigen die dann stellvertretend handelnden Fachkräfte (z. B. angestellte Ärzt:innen) die notwendigen Freiheiten für eine erfolgreiche Umsetzung, v. a. ein festes Zeitkontingent und auch die entsprechende Entscheidungskompetenz.

Arbeit definiert nicht mehr, sondern bereichert

Spätestens mit dem Berufseinstieg der ersten Vertreter der „Generation Z“ (geboren zwischen 1995 und 2010) rückt das Thema Generationenmanagement in der Arztpraxis in den Fokus: Die jüngere Beschäftigten-Generation hat andere Erwartungen an ihren Berufsalltag – und fordert deswegen positive wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie strukturelle Veränderungen der Arbeitswelt aktiv ein. Sie will sich einbringen und die Unternehmenszukunft mitgestalten. Die Z-ler sind also nicht „einfach nur faul und bequem“, sondern haben – auch aufgrund der veränderten demografischen Gegebenheiten (mehr Angebot als Nachfrage) – schlichtweg eine andere Einstellung gegenüber ihrer beruflichen Zukunft. Man entscheidet sich heute nicht mehr für eine Laufbahn, die man ein Leben lang verfolgt. Vielmehr gilt es, flexibel zu bleiben und die eigene berufliche Entwicklung aktiv mitzugestalten.

Praxistipp: Den Z-lern, zu denen der Großteil der heutigen Azubis gehört, sind feste Verträge und ein nettes, kollegiales Umfeld wichtiger als das Gehalt. Dieser Wunsch nach Struktur und Sicherheit liegt auch darin begründet, dass die Generation Z in der schnelllebigen, digitalen Globalisierung groß geworden ist und dieser im Alltag entgegensteuern will. Betriebsklima und sozialer Rückhalt im Team werden daher attraktiver bewertet als z. B. Angebote der Gesundheitsförderung im Betrieb. Dabei scheint es keine Unterschiede nach Geschlecht oder Bildungsstand zu geben. Es macht also auch aus diesem Grund Sinn, aktiv in den Rückhalt im Praxisteam zu investieren und die Mitarbeiter zu motivieren, sich gegenseitig zu unterstützen.

Laut der Zenjob-Gen-Z-Studie scheint die Kombination aus Sicherheit und einem eher familiären Umfeld für die junge Generation besonders attraktiv zu sein – Werte, mit denen klein- und mittelständische Unternehmen punkten können. Die heutigen unter 25-Jährigen wollen die Arbeitswelt nach ihren Werten mitgestalten. Karriere ist ein wichtiger Teil des Lebens, aber nicht oberstes Arbeitsziel sagen 69 %. Diese Ansicht teilen übrigens auch Millennials (um die Jahrtausendwende geboren) mit 50 %.

Potenzial erkannt und gefördert

Neben der eigentlichen Ausbildung gibt es zahlreiche Möglichkeiten zur individuellen Qualifikation. Das erweitert nicht nur die Kompetenzen im Team, sondern trägt auch entscheidend zur Motivation des Einzelnen bei. Spannend sind in diesem Kontext z. B. Maßnahmen, mit denen die Teammitglieder ihre Methodenkompetenz (Lernen lernen) verbessern, wovon die Auszubildenden auch im Rahmen ihrer Berufsausbildung profitieren.

Praxistipp: Interne Schulungen zu digitalen Konzepten wie der Videosprechstunde sind eine gute Möglichkeit, jüngere Mitarbeiter bei der Fortbildung erfahrener Teammitglieder mit ins Boot zu holen. Auch bei kommunikationslastigen Themen wie Neupatientengewinnung via Social Media haben die „Jungen“ einen guten Zugang, den man aktiv nutzen kann. Die Chance, das eigene Wissen an andere (Kollegen) weitergeben zu können, fördert die persönliche Entwicklung und festigt die Beziehung zu Team und Ausbildungsbetrieb. Gleichzeitig ist man genötigt, das, was man gelernt hat, auf andere Bereiche zu transferieren, und schult so die eigenen Kommunikationsfähigkeiten – je nach Umsetzung auch seine digitalen Skills (Präsentation, Workshop etc.).

Praxisbeispiel: Das kann z. B. beim Thema Gesundheits-Apps bzw. DiGA hilfreich werden, denn fast die Hälfte der 18- bis 24-Jährigen (44 %) verfügt über eine App auf ihrem Smartphone bzw. Tablet, um die eigene Gesundheit oder Fitness zu tracken. Sie nutzen die digitalen Helfer u. a., um ihren Schlaf zu analysieren oder ihr Essverhalten. Diese Kompetenzen könnten in der dermatologischen Praxis z. B. aktiv genutzt werden, um Patienten mit Neurodermitis an die passende App heranzuführen bzw. Kollegen im Gebrauch von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) zu trainieren.

Und wenn es nicht klappt?

Während der Probezeit können beide Seiten das Ausbildungsverhältnis fristlos kündigen. Danach ist das im laufenden Arbeitsverhältnis so nicht mehr ohne Weiteres möglich. Vielmehr müsste aufseiten des Auszubildenden ein schwerwiegender Kündigungsgrund gegeben sein (schwere Pflichtverletzung).

Praxistipp: Wenn sich Azubis problematisch verhalten und z. B. vermehrt zu spät kommen oder patzig zu Kolleg:innen sind, gilt es also, dringend herauszufinden, welche Ursachen dieses Verhalten tatsächlich hat. Der Ausbilder sucht das Gespräch, im besten Fall erzählt der bzw. die Betroffene selbst, wo das eigentliche Problem liegt: Vielleicht überlagern private Schwierigkeiten den Arbeitsalltag und es gibt Möglichkeiten, individuell zu helfen?

Oder die Anforderungen an den Auszubildenden sind in diesem speziellen Falle einfach zu hoch und dieser traut sich nicht, das anzusprechen. Er kann das Arbeitspensum nicht bewältigen und resigniert. Aber auch stetige Unterforderung kann problematisch werden (Wer möchte schon sein Azubi-Leben lang Kaffee kochen?) und so zu Langeweile und Frustration führen. Unter Umständen belasten auch bereits seit Längerem schwelende Konflikte unter den Kollegen das Wirgefühl im Team oder es gibt Antipathien gegenüber den Vorgesetzten. Werden gemeinsame Lösungen erarbeitet – die Betonung liegt auf gemeinsam –, gilt es, das Vereinbarte schriftlich und möglichst detailliert festzuhalten.

Achtung: Ein respektvoller Umgang mit anderen (Kollegen und Patienten) gehört in der Arztpraxis für alle zum guten Umgangston. Wenn sich also herausstellt, dass das eigentliche Problem mangelnder Respekt gegenüber anderen Menschen ist, heißt es zeitnah eingreifen. Scheitern alle Lösungsversuche, stehen verschiedene arbeitsrechtliche Möglichkeiten zur Verfügung (von der Abmahnung bis zur Kündigung nach § 22 Berufsbildungsgesetz). Wenn beide Seiten, Arbeitgeber und Azubi, zum Ergebnis kommen, dass das Fortführen der Ausbildung keinen Sinn macht, wäre eine einvernehmliche Auflösung des Ausbildungsvertrags zu bevorzugen.

An die eigene Nase gefasst

Gerade Berufsanfängern fällt es oft schwer zu verstehen, dass bei entsprechenden Unachtsamkeiten nicht nur die eigene berufliche Zukunft auf dem Spiel steht, sondern der Ruf der Praxis. Gleichzeitig werden Faktoren wie Unpünktlichkeit, mangelnde Achtsamkeit und fehlendes Konzentrationsvermögen von vielen Ausbildern beklagt, in einigen Fällen sicher berechtigt. Aber so mancher Ausbilder möge sich immer mal wieder selbst daran erinnern, wie er bzw. sie – oder die eigenen Kinder – im Alter von 16 oder 17 Jahren den Ernst des Lebens wahrgenommen und verstanden hat. Wer das einmal verinnerlicht hat, legt eine entscheidende Grundlage für mehr Verständnis im ganzen Praxisteam!


Literatur
Literatur auf Anfrage beim Autor


Autorin:
Sabine Mack

Erschienen in: DERMAforum, 2022; 26 (9) Seite 8