Zweierlei kann man heute fast schon mit traumwandlerischer Sicherheit voraussagen. Beliebt ist Karl Lauterbach bei der Mehrheit der Mediziner nicht. Und: Wenn es in irgendeiner der unzähligen und unsäglichen TV- Talkshows um das Thema Medizin/Gesundheit geht, darf ein Karl Lauterbach nicht fehlen. Im Wahlkampf ist dies sicher auch legitim, gilt Karl Lauterbach doch im Falle eines Wahlsieges von Rot-Grün als aussichtsreichster Kandidat für den Posten des Gesundheitsministers.

Gegner der Pharmaindustrie

Wer den gesundheitspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion im Wahlkampf erlebt hat, erkennt bald, dass Lauterbach nur in Teilen seinem Image gerecht wird. Sein ideologisch gefärbtes Gesicht zeigt er etwa, wenn er der FDP vorwirft, das Arzneimittel-Neuordnungsgesetz (AMNOG) derart kastriert zu haben, dass es nicht mehr greift. Dabei vergisst Lauterbach, dass sich gerade die FDP-Gesundheitsminister mit dem AMNOG strukturell so weit vorgewagt haben, wie dies zuvor die SPD nicht mal ansatzweise geschafft hat. Der Pharmaindustrie wirft er zudem vor, mit ihren Unterstützungsleistungen die Selbsthilfe rigoros auszunutzen und zu Außendienstmitarbeitern der Industrie umzufunktionieren. Sicherlich gibt es auch dafür einzelne Belege, die Regel ist das aber in keiner Weise. Und auch die Forderung nach mehr Medizinstudienplätzen und mehr Ärzten bleibt plakativ, wenn hierfür nicht gleich ein Finanzierungskonzept mitgeliefert wird.

Freund der Hausärzte

Das andere Gesicht des Karl Lauterbach sieht aber – zumindest aus der Sicht der hausärztlich tätigen Ärzte – ganz anders aus. Wie kaum ein anderer führender Gesundheitspolitiker in Deutschland macht er den Kassen klar, dass sie mit ihm als Minister wieder Hausarztverträge abschließen müssen. Denn insbesondere von den Selektivverträgen profitierten Hausärzte und Patienten in gleicher Weise, sagt Lauterbach. Die Hausärzte würden strukturell und finanziell gestärkt und die Patienten könnten darauf vertrauen, dass ihr Arzt mehr Zeit für jeden einzelnen Patienten einbringen kann. Diese Win-Win-Situation möchte der SPD-Gesundheitsstratege stetig fortschreiben und die Verträge nicht weiter dem Wettbewerbsmarkt opfern, in dem ganz andere Spielregeln gelten.

Auch vor der Bürgerversicherung bräuchten sich gerade die Hausärzte, die durchschnittlich viele Privatpatienten betreuen, nicht zu fürchten. Meint zumindest Lauterbach. Denn in einem einheitlichen Honorierungssystem für alle Versicherten, das die Bürgerversicherung vorsieht, würden rund sechs Milliarden Euro mehr ins ärztliche Honorarsystem gepumpt werden. Damit könnten die Verluste ausgeglichen werden, die den Hausärzten mit einem durchschnittlichen Anteil an Privatpatienten durch die ausbleibenden Privatliquidierungen entgehen. Anders sieht das natürlich bei solchen Ärzten aus, die vorwiegend oder ausschließlich von Privatpatienten leben. Doch als Gesundheitsminister kann man es eben nicht allen recht machen, bügelt er hier die Kritiker ab.

Wird Lauterbach zum Zug kommen?

Natürlich darf man gespannt sein, wie Lauterbach alle diese Positionen gegen den Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen durchboxen kann. Immerhin haben die Grünen im Detail – etwa bei der Bürgerversicherung oder der Hausarztzentrierten Versorgung – andere Vorstellungen.

Man sollte die Durchsetzungskraft des Vollprofis Lauterbach als Gesundheitsminister nicht unterschätzen. Daran könnten sich auch die Grünen die Zähne ausbeißen. Andererseits müssen sich aber auch all diejenigen, die Lauterbach wie der Teufel das Weihwasser fürchten, derzeit keine allzu großen Gedanken machen. Die Chancen der SPD, nach dem 22. September an die Macht zu kommen, sind doch äußerst gering. Sein wahres Gesicht wird Lauterbach daher auch künftig wohl weiter primär in TV-Talkshows zeigen können und eher nicht als Gesundheitsminister, prognostiziert

Ihr

Raimund Schmid


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (14) Seite 72