Schwellungen im Bereich der Beine können vielfältige Ursachen haben. Oft stecken Ödeme dahinter, wobei neben dem Phlebödem in erster Linie an Lymph- oder Lipödeme zu denken ist. Wie die verschiedenen Ödemarten gekennzeichnet sind und welche Untersuchungen zur Diagnose führen, wird im folgenden Beitrag dargestellt.
In der Hausarztpraxis stellen sich oft Patienten mit geschwollenen Beinen vor. Die Palette möglicher Differenzialdiagnosen ist breit (Abb. 1). Beim Verdacht auf eine tiefe Beinve-nenthrombose oder auf eine akute Infektion muss eine kurzfristige und genaue Abklärung erfolgen. Sollte der Arzt zu keinem konkreten Ergebnis kommen, ist die Vorstellung in einer spezialfachärztlichen Sprechstunde, z. B. bei einem Gefäßspezialisten, sinnvoll. Die weiteren Differenzialdiagnosen lassen sich meist schon durch die Anamneseerhebung und die klinische Untersuchung eingrenzen. Doch wie geht es weiter, wenn es sich um eine Lipohypertrophie, ein Lipödem, ein Lymphödem oder gar eine Mischform handelt?
Reiterhosenphänomen und negatives Stemmerzeichen
Das Lipödem ist häufig und betrifft mit einem Anteil von mindestens 10 % weltweit fast ausschließlich Frauen [9]. Männer zeigen derartige Veränderungen nur bei hormonellen Störungen (z. B. Hypogonadismus), einer Hormontherapie oder infolge einer Leberzirrhose [3]. Nach der Anamneseerhebung führt die Untersuchung wegen der typischen Charakteristika wie Disproportion der Fettverteilung von Ober- zu Unterkörper, Aussparung der Füße bzw. Hände und auffälliger Druckdolenz häufig schon zur Diagnose. Weitere Parameter wie Gewicht, Body-Mass-Index (BMI), "Waist-Hip-Ratio", "Waist-Height-Ratio" und Umfangsmessungen der Extremitäten [1] sind zudem zu erfassen. Sie dienen der Verlaufskontrolle, um die Umfangsreduktion dokumentieren zu können, die durch die Therapiemaßnahmen erreicht wurde. Zur Abgrenzung verschiedener Ödemtypen hat sich Tabelle 1 als sehr praktisch erwiesen.
Eine Diagnose zu stellen ist nicht immer einfach, denn oft liegen gemischte Ödeme vor. Um keine begleitende chronisch venöse Insuffizienz oder Lymphabflussstörung zu übersehen, ist die Vorstellung der Patientinnen bei einem Gefäßspezialisten (Angiologe, Phlebologe oder Gefäßchirurg) sinnvoll.
Das Lipödem – nur eine feminine Körperkonstitution?
Die chronische und progrediente Verteilungsstörung des Fettgewebes bedingt eine Disproportion von Stamm und Extremitäten [4]. Die Patientinnen klagen über ein Schwere- und Spannungsgefühl der Beine, eine feste Schwellung, Druckschmerzhaftigkeit und Hämatomneigung. Sie suchen häufig die Schuld bei sich selbst und sind durch ihre veränderte Körperkonstitution teilweise psychisch stark belastet. Das passende Gegenargument liefern die in der Literatur beschriebenen familiären Häufungen. Child berichtete 2010, dass sich in sechs Familien mit Lipödem ein autosomal-dominantes Vererbungsmuster mit inkompletter Penetranz über drei Generationen dokumentieren ließ [3].
Was steckt dahinter?
Beim Lipödem kommt es zu einer Hypertrophie und einer Hyperplasie der Fettzellen. Die umgebenden Lymphbahnen werden komprimiert, so dass der Lymphabfluss behindert wird (Abb. 2). Durch eine erhöhte Kapillarpermeabilität tritt zusätzlich Flüssigkeit in den interstitiellen Raum aus. Die Kapillarfragilität ist für die Hämatomneigung verantwortlich. Die begleitende Lymphkomponente führt beim Lipödem zwar meist nicht zu einem positiven Stemmerzeichen (Kasten), ist aber dennoch vorhanden. Mit zunehmendem Alter kann das an sich intakte Lymphsystem das erhöhte Flüssigkeitsangebot nicht mehr bewältigen und die Ödemneigung nimmt zu (Abb. 3). In der Orthostase begünstigt der gestörte veno-arterielle Reflex (VAR) das Ödem [7]. Im fortgeschrittenen Stadium sklerosiert dann die Dermis zunehmend. Die sichtbar werdende Papillomatose wird durch die Proliferation der Fibroblasten verursacht [8].
Therapieansätze - konservativ oder invasiv?
Das Therapieziel besteht zum einen darin, die Beschwerden zu lindern, zum anderen darin, Komplikationen zu verhindern. So können z. B. Infektionen, aber auch die strukturellen Veränderungen des Beins (Wulstbildungen im Bereich der Oberschenkelinnen- oder auch Knieinnenseiten) zu einer langfristigen Einschränkung der Lebensqualität und sogar der Berufsfähigkeit führen.
Im Fokus der Therapie steht die Begleitung der Patientin. Dabei sollte der Arzt eine hohe Akzeptanz für die wichtigen Grundpfeiler der konservativen Therapie wie Kompression, komplexe manuelle Entstauung sowie regelmäßige körperliche Aktivität erreichen.
Mit einem "einfachen" Konfektionsstrumpf der Klasse 2 ist es meist nicht getan, vielmehr muss eine Maßanfertigung durch einen flachgestrickten Strumpf erfolgen. Warum ist das so wichtig? Der Verlauf der Elastanfaser und die konstante Maschenanzahl beim rundgestrickten Strumpf können zu Abschnürungen auf verschiedenen Höhen des Beins führen. Der Vorteil des flachgestrickten Strumpfs ist die maßgenaue Anfertigung für die Patienten – unter Berücksichtigung der Beinanatomie – und der Faserverlauf. Durch die bessere Druckverteilung nimmt der Tragekomfort zu – allerdings auf Kosten der Optik. Hier ist ein Heranführen der Patientin an die Therapie wichtig, damit sie deren Vorteile erkennt. Nur so lässt sich die notwendige Compliance erreichen. Die Zusammenarbeit der beteiligten Lymphtherapeuten, Orthopädisten, aber auch Gefäßmediziner, ist zudem sehr wichtig.
Zum Therapiekonzept gehört auch die Überprüfung der Essgewohnheiten, der Begleitmedikation und der Bewegung. Insbesondere körperliche Aktivitäten, die im Wasser erfolgen, entlasten die Gelenke. Der Wasserdruck wirkt dabei wie eine Lymphdrainage [2].
Durch ein invasives Vorgehen mit Fettabsaugung, plastischer Chirurgie oder neuen Methoden wie der Kryolipolyse (Kasten) lässt sich vermehrtes Fettgewebe abbauen [6]. Die Kosten müssen die Patientinnen aber selbst tragen. Chirurgisch hat sich die Liposuktion in Tumeszenzanästhesie durchgesetzt [9]. Sie führt meist langfristig zu einem deutlichen Rückgang der Beschwerden. Kompressionstherapie und manuelle Entstauung können dann oft pausiert werden.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gab in einer Pressemitteilung vom Juli 2017 bekannt, dass aufgrund der derzeitigen Studienlage keine Kostenübernahme für die Liposuktion durch die gesetzlichen Kassen empfohlen werden kann. Um die noch offenen Fragen zu klären und neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen, nutzt der G-BA deshalb eine Erprobungsstudie. Richtlinien dazu werden für 2018 erwartet [10].
Eine Metaanalyse von 2015 zeigt, dass mit einmaliger Anwendung der Kryolipolyse eine Volumenreduktion lokal um durchschnittlich 20 % bei sehr geringen Nebenwirkungen von 0,8 % (Missempfindungen) erzielt werden kann. Leider liegen für diese Behandlung noch keine gesicherten Langzeitergebnisse vor. Die Nachbeobachtungszeit betrug im Schnitt nur vier bis sechs Monate [5].
Die Kombination der einzelnen konservativen und ggf. der invasiven Therapieoptionen macht das Ziel – die Verbesserung der Beschwerden und der Lebensqualität der Patientinnen – erreichbar.
Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (1) Seite 39-43