Diagnostisch herausfordernde Verfärbungen oder Läsionen im Bereich der Mundhöhle werden am ehesten erstmals von Zahnmediziner:innen als Zufallsbefund bemerkt. Bis die Patient:innen aus eigenem Antrieb einen Arzt konsultieren, vergeht oft viel Zeit. Dabei kann eine frühe Diagnose lebensrettend sein.

Wenn die Patient:innen selbst eine Veränderung an ihrer Mundschleimhaut bemerken, konsultieren sie damit Ärzt:innen verschiedenster Fachgebiete wie der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, der Allgemeinmedizin, der Dermatologie und/oder der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Andere Patient:innen wiederum leben mit einer unerkannten Läsion und haben unter Umständen ein erhebliches Krebsrisiko. Es lohnt sich also, bei der körperlichen Untersuchung immer auch einen orientierenden Blick in die Mundhöhle zu werfen.

Genaue Anamnese ist der halbe Weg zur Diagnose!

Nicht immer lässt sich eine Läsion auf den ersten Blick eindeutig einordnen. Es ist wichtig, eine genaue allgemeinmedizinische Anamnese zu erheben. Denn viele Mundschleimhautveränderungen stehen in engem Zusammenhang mit anderen Erkrankungen oder werden von Medikamenten verursacht. Die "orale Medizin" verbindet die Zahnheilkunde mit der Medizin und wird international von Zahnmediziner:innen ausgeübt. Dieses Spezialgebiet wäre die ideale Anlaufstelle für Patienten mit oralen Läsionen.

Ist eine Biopsie immer notwendig und wo biopsiert man?

Es können oft mehrere Begutachtungen mit Fotodokumentation erforderlich sein, um die Dynamik einer Läsion zu erkennen. Suspekte Läsionen sollten allerdings zeitnah biopsiert werden, um ggf. rasch eine Therapie beginnen zu können. Die Entscheidung, wie lange man zuwarten kann, um eine Läsion zu biopsieren, ist oft Erfahrungssache. Als Faustregel in der Zahnheilkunde gilt: Wenn ein Ulkus zwei Wochen nach Entfernen der Ursache (Trauma, beispielsweise eine Prothesendruckstelle) nicht abheilt, gilt es als suspekt. Biopsien zur Diagnostik dürfen nicht ausschließlich aus dem Zentrum eines Ulkus gewonnen werden, sondern sollen auch die umgebende Schleimhaut beinhalten. Nur auf diese Weise kann die Patholog:in die veränderte Schleimhaut mit der gesunden vergleichen.

Auch zum Ausschluss einer autoimmunen blasenbildenden Mundschleimhauterkrankung wird empfohlen, eine Biopsie eines anscheinend gesunden Areals zu entnehmen und Serum zu gewinnen. Auf diese Weise kann eine direkte und indirekte Immunfluoreszenz mittels Antikörperbestimmung erfolgen.

Weiße Veränderungen: Soor, oraler Lichen planus, lichenoide Läsion?

Weiße, abwischbare Beläge auf meist rotem Grund sind typisch für einen Soor. Betroffen sind Patient:innen, die immunsupprimiert sind, Antibiotika eingenommen haben oder regelmäßig Kortison inhalieren.

Aber nicht immer finden sich bei Candidainfektionen weiße, abwischbare Beläge: Unter Prothesen zeigt sich gelegentlich ein rotes, zum Teil brennendes Prothesenlager – ein Zeichen einer kontinuierlich getragenen, oft schlecht sitzenden Prothese.

Lassen sich die weißen Flecken nicht abwischen und findet sich keine erkennbare Ursache und keine Erkrankung, die damit in Verbindung stehen könnte, spricht man von "Leukoplakien". Man unterscheidet klinisch zwischen der homogenen Leukoplakie, der rötlichen, oft unscharf begrenzten Erythroplakie, bei der ein erhöhtes Risiko für ein Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle besteht, und der Erythroleukoplakie, bei der sich rötliche und weißliche Areale abwechseln. Vorstufen eines Plattenepithelkarzinoms werden als sogenannte potenziell maligne Veränderungen bezeichnet. In diese Kategorie gehören beispielsweise der erosive Lichen planus, die seltene verruköse Leukoplakie und die orale submuköse Fibrose, die durch Kauen von Betelnüssen verursacht wird.

Bei weißen, nicht abwischbaren Läsionen in Höhe der Kauebene könnte es sich auch um harmlose chronische Einbisse wie "Morsicatio buccarum" im Planum buccale handeln. Außerdem gibt es lichenoide Kontaktläsionen, die von Füllmaterialien oder von Medikamenten verursacht werden können. Auch eine andere Erkrankung wie z. B. eine Graft-versus-Host-Reaktion kann dahinterstecken.

All diese lichenoiden Läsionen sind mitunter schwierig von einem retikulären Lichen planus mit farnkrautartiger weißer Zeichnung zu unterscheiden.

Die Zeitspanne von der Transformation einer potenziell malignen Veränderung bis zur Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms (Abb. 1) wird in verschiedenen Studien sehr unterschiedlich angegeben. Beispielsweise liegt beim oralen Lichen planus und der lichenoiden Veränderung die Transformationsrate in verschiedenen Studien zwischen 0 und 3,5 % [1].

Lichenoide Kontaktläsion oder oraler Lichen planus (OLP)?

Histologisch ist eine Unterscheidung nicht möglich. Wenn kein örtlicher Zusammenhang zu einer dentalen Irritation besteht, keine Medikamente ursächlich sind, keine entsprechende Grunderkrankung vorliegt, die Läsion symmetrisch ist und an mehreren Stellen im Mund vorkommt und die Beschwerden, falls solche vorhanden sind, schubweise auftreten, ist ein oraler Lichen planus sehr wahrscheinlich. Treten hierbei auch noch typische Haut- und Genitalschleimhautveränderungen auf, ist die Diagnose so gut wie sicher.

Am Gaumen kommen gehäuft Veränderungen der kleinen Speicheldrüsen vor. Häufig fällt bei starken Raucher:innen eine typische Veränderung im Bereich der Ausführungsgänge der Speicheldrüsen auf, was oft als "Rauchergaumen" bezeichnet wird. Bösartige Speicheldrüsenveränderungen kommen hier häufiger vor als in den großen Speicheldrüsen.

Dunkle Veränderungen: Amalgam, Medikamente oder Melanom?

Dunkle Veränderungen können sich in der gesamten Mundhöhle manifestieren. Wenn ein Zusammenhang zu Amalgamfüllungen hergestellt werden kann, handelt es sich meist um eine "Amalgamtätowierung". Dazu kann es beim Bearbeiten von Amalgamfüllungen durch rotierende Instrumente kommen. Diese Metallpartikel werden eingelagert und es entstehen dunkel gefärbte Narben. Bei eindeutiger Anamnese und Klinik ist eine Entfernung nicht erforderlich. Die Diagnose kann schwierig sein, wenn der verursachende Zahn fehlt oder die Patient:in komplett zahnlos ist (Abb. 2).

Bei pigmentierten Veränderungen der Mundschleimhaut muss immer ein malignes Melanom ausgeschlossen werden.

Sind Läsionen multipel und annähernd gleichförmig, so können genetische (ethnische) oder hormonelle (Morbus Addison) Ursachen vorliegen. Echte melanozytäre Veränderungen sind selten (Makula, Nävus, Melanom). Besonders das maligne Melanom, das bevorzugt am harten Gaumen oder am Oberkiefer auftritt, ist typischerweise unscharf begrenzt, unregelmäßig pigmentiert und wird leider erst spät diagnostiziert [2].

Eine besondere Herausforderung stellt das Erkennen eines amelanotischen Melanoms dar, das sich als sehr blasse rötliche Veränderung zeigt (Abb. 3).

Die chronische Einnahme von bestimmten Medikamenten wie beispielsweise Tetrazyklinen kann ein dunkles Band am Zahnfleischrand hervorrufen. Antimalariamittel, Kontrazeptiva, Zytostatika und Antimykotika können zu diffusen Pigmentierungen an Gingiva und Wange führen.

Das Thema ist umfassend und beinhaltet sicherlich noch viele hier nicht erwähnte Veränderungen, die sowohl Zahnärzt:innen als auch Dermatolog:innen beschäftigen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es für die Diagnose und Therapie einer oralen Schleimhautveränderung einer guten interdisziplinären Zusammenarbeit bedarf. Bei Verdacht auf eine dentale Ursache kann eine Vorstellung bei der Zahnärzt:in sehr hilfreich sein!

Essentials - Wichtig für die Sprechstunde
  • Leukoplakie (griechisch "der weiße Fleck"): nicht abwischbare Läsionen, die keiner bestimmten Erkrankung zuzuordnen sind
  • Potenziell prämaligne Läsion: als Vorstufen zum Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle
  • Amalgamtätowierung: dunkle narbige Veränderung, die durch rotierende Instrumente beim Bearbeiten von Amalgam verursacht wird


Literatur:
1. Sarah G Fitzpatrick, Stanley A Hirsch, Sara C Gordon; The malignant transformation of oral lichen planus and oral lichenoid lesions: a systematic review, Dent Assoc. 2014 Jan; 145 (1): 45 – 56.
2. Beck-Mannagetta J, Hutarew G; Pigmentierte Veränderungen der Mundschleimhaut, Hautarzt 2012; 63: 704 – 709


Autorin

© privat
Dr. Dr. Monika Schwaninger

Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Klinikum Wels-Grieskirchen
4600 Wels, Österreich
Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert



Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (3) Seite 19-21