Der ältere Patient kommt oft mit typischen Alterserscheinungen, wie einer nachlassenden geistigen Leistungsfähigkeit, zum Hausarzt. Wann aber ist Demenz im Spiel? Zunächst muss ein kognitives Defizit mit relevanter Alltagsbeeinträchtigung vorliegen, das seit mindestens sechs Monaten andauert. Zur Sicherung der Diagnose sollten dann eine Reihe von klinischen und erweiterten Untersuchungen erfolgen, um behandelbare Ursachen nicht zu übersehen. Erfahren Sie, was bereits in der Hausarztpraxis stattfinden kann und wie die weitere Behandlung aussieht.

Die "Demenz" beschreibt ein klinisches Syndrom, also einen Zustand des Menschen. Sie hat somit keine eigene Krankheitsentität. Nach ICD10 müssen folgende Faktoren für die Erkrankung vorliegen:

  • die fortschreitende Störung kortikaler Funktionen (am häufigsten sind Gedächtnis und Orientierung betroffen; wie eine Vielzahl weiterer Funktionen, u. a. Denken, Sprache, Urteilsvermögen)
  • eine Dauer der Beeinträchtigung von mindestens sechs Monate und
  • eine relevante Alltagsbeeinträchtigung, die durch die genannten Störungen erklärt ist, und vor deren Eintreten nicht bestand.

Die Demenzen werden in primäre und sekundäre Formen eingeteilt. Bei der primären Demenz kommt die verursachende Störung quasi aus dem Neuron selbst, bei sekundären Demenzen kann das Neuron, das funktionsunfähig wird oder abstirbt, "selbst nichts dafür".

Häufigste Demenzen

Die wichtigsten und häufigsten primären Demenzen sind die Alzheimer-Demenz, die fronto-temporalen Lobäratrophien (bekannteste Form: die fronto-temporale Demenz), die Demenz im Rahmen eines Parkinson-Syndroms (das Risiko von Parkinsonpatienten, dement zu werden, ist etwa um den Faktor 5 gegenüber der Normalbevölkerung erhöht) und die Lewy-Körper-Demenz. Sekundäre Demenzen treten aufgrund anderer Erkrankungen auf, wie z.B. vaskulärer Schädigungen, Stoffwechselerkrankungen oder Tumoren.

Die Diagnostik der Demenz

Bei der körperlichen Untersuchung und psychopathologischen Befunderhebung sollten neben neurologischen Begleitsymptomen – z.B. bei zusätzlich vorliegenden Parkinson-Symptomen – insbesondere kardiovaskuläre, metabolische und endokrinologische Befunde erhoben werden. Das ist relevant, weil Erkrankungen aus diesen Gebieten kausal behandelbare sekundäre Demenzen verursachen können. Bei der psychopathologischen Befunderhebung sollten Begleitsymptome (die auch konkurrierende Diagnosen darstellen können, z.B. eine Depression) mitbeurteilt werden. Gerade für die Abklärung einer akut vorliegenden Depression bieten sich Fragebögen zum Selbstausfüllen an, ggf. auch mit Hilfe des Angehörigen, z.B. Beck’s Depressions Inventar (BDI).

Obligate Diagnostik
  • Schichtbildgebung (vorzugsweise MRT)
  • Labor: Blutbild, Elektrolyte (Natrium, Kalium, Kalzium), Blutzucker, TSH, Entzündungswerte, Leber- und Nierenwerte, Vitamin B12 und Folsäure.
  • Kognitiver Kurztest
  • Anamnese und Fremdanamnese

Fakultative Diagnostik
  • Liquor, PET, EEG, Sonographie der hirnversorgenden Gefäße
  • Labor: Differenzialblutbild, Blutgasanalyse, Drogenscreening, Urinuntersuchungen, Lues-Serologie, HIV-Serologie, Konzentrationsmessungen von Phosphat, HBA1c, Homocystein, fT3, fT4, SD-Antikörper, Kortisol, Parathormon, Coeruloplasmin, Vitamin B6, Borrelien-Serologie, Blei, Quecksilber, Kupfer

Zur Quantifizierung der kognitiven Beeinträchtigung sollte bei jedem Patienten mit Verdacht auf Demenz ein kognitiver Kurztest erfolgen, um einen Ausgangswert zu erhalten und Defizite objektivieren und klassifizieren zu können. Folgende Tests kommen in der Ambulanz zur Anwendung und können von nicht-ärztlichen Mitarbeitern ausgeführt werden:

  • Uhrentest: Schnell durchführbar, allerdings nur wenig differenzierte Einschätzung der Defizite möglich, daher in Kombination mit einem der anderen Tests empfohlen (etwa 2 – 3 min).
  • Mini-Mental-Status-Test (MMST): Schnell durchführbar, aufgeteilt in verschiedene Bereiche, die eine erste Differenzierung der Defizite erlauben, sehr verbreitet (5 – 7 min).
  • Montreal Cognitive Assessment (MoCA-Test): Etwas schwieriger und differenzierter als der MMST, braucht etwas mehr Zeit in der Durchführung, drei offizielle Versionen zur Verlaufskontrolle sind vorhanden, frei verfügbar unter www.mocatest.org (5 – 10 min).
  • DemTect: Ebenfalls schwerer als der MMST, bei leichten Defiziten sensitiver, keine Prüfung des visokonstruktiven Bereichs, braucht etwas mehr Zeit als der MMST (5 – 10 min).

Die Labordiagnostik ist zur Abklärung häufigerer Ursachen sekundärer Demenzen unerlässlich. Eine ganze Reihe von Blutuntersuchungen müssen erfolgen, die idealerweise auch schon im Rahmen der Erstabklärung durchgeführt werden: Blutbild, Elektrolyte (Natrium, Kalium, Kalzium), Blutzucker, TSH, Entzündungswerte, Leber- und Nierenwerte, Vitamin B12 und Folsäure (Kasten 1). Bei unauffälligen Werten und weiterhin bestehendem klinischen Verdacht auf eine sekundäre Ursache sollten weitere Tests, wie Differenzial-Blutbild, Blutgas-Analyse, Drogenscreening, Urinuntersuchungen, Lues-Serologie, HIV-Serologie, Phosphat, HBA1c, Homocystein, fT3, fT4, SD-Antikörper, Kortisol, Parathormon, Coeruloplasmin, Vitamin B6, Borrelien-Serologie, Blei, Quecksilber, und Kupferbestimmung erfolgen (Kasten 2). Diese weiterführenden Kontrollen werden aber meist ohnehin im Rahmen einer spezifischeren, eventuell sogar stationären, Diagnostik des Patienten erfolgen.

Obligat im Rahmen der Demenzabklärung ist einerseits die Bildgebung des Gehirns für die Detektion von gut behandelbaren Auffälligkeiten, z.B. Meningeom, chronisches Subduralhämatom, Normaldruckhydrocephalus (Abb. 1), andererseits zur genaueren Zuordnung der Demenz, z.B. anhand vaskulärer Läsionen (Abb. 2), einer regional begrenzten Hirnatrophie, der fronto-temporalen Demenz (Abb. 3), oder globalen Atrophiemustern wie einer fortgeschrittenen Alzheimer-Demenz (Abb. 4). Zum Vergleich zeigen die Abb. 5 und 6 Normalbefunde.

Aufgrund der besseren Bildqualität sollte die MRT-Bildgebung bei fehlenden Kontraindikationen gegenüber der Computertomografie bevorzugt werden und nach Auftreten der ersten Symptomatik erfolgen. Weiter zurückliegende Befunde können Sie zur Verlaufsbeurteilung ebenfalls hinzuziehen. Hier muss man betonen, dass die Dunkelziffer für den Normaldruckhydrocephalus vor allem in Pflegeheimen sehr hoch sein dürfte. Dabei zeigt sich die typische klinische Symptomtrias der Demenz: Auffallend ist meist ein sehr verlangsamtes Denken, eine Gangstörung – meist ein schlurfender Gang, als würden die Füße vom Boden "magnetisch" angezogen, das Gangbild ist eher breitbasig, mit nach außen rotierten Füßen – und eine Inkontinenz. Alle drei Symptome müssen nicht zwingend gleichzeitig vorliegen. Diese Diagnose kann mit einer hohen Sicherheit durch eine "einfache" native Computertomografie des Gehirns gestellt und zumindest bei einem Teil der Patienten relativ einfach und effektiv behandelt werden.

Weiterführende Kontrollen: Liquor, EEG, Sonografie

Falls Sie eine Demenz festgestellt und schon erste differenzialdiagnostische Überlegungen angestrebt haben, gibt es eine Reihe weiterführender Untersuchungen für eine definitive Zuordnung der Erkrankung. Diese können im niedergelassenen Bereich, in Memory Kliniken (oft als Tagesaufenthalte), Spezialambulanzen oder auch im stationären Rahmen angeboten werden.

Die Liquordiagnostik kann Hinweise auf entzündliche Erkrankungen liefern und vor allem das Vorliegen einer Alzheimer-Pathologie im Gehirn im frühen oder präklinischen Stadium – vermutlich bis 7 Jahre vor Auftreten von klinischen Symptomen – mit einer sehr hohen Sicherheit von über 90 % belegen. Dabei werden neben Routineparametern, wie Zellzahl, Protein, Laktat, Glukose, normalerweise auch neurodegenerative Marker (Proteine) im Liquor bestimmt: Amyloid-β1-42, Gesamt-Tau und Phospho-Tau.

Weitere Untersuchungen, wie EEG und kardiovaskuläre Diagnostik mit einer Sonografie der hirnversorgenden Gefäße sollten entsprechend der Vorerkrankungen des Patienten sowie der Befunde der Labor-Diagnostik – inklusive Bildgebung – individuell vom Arzt angepasst werden.

Eine Gendiagnostik sollten Sie dem Patienten bei Verdacht auf eine monogenetisch vererbte Demenz im Rahmen einer genetischen Beratung anbieten. Sie kann Informationen zur genaueren Einordnung des Typs der Demenzerkrankung liefern. Da eine genetische Ursache aber nur in weniger als 5 % der Fälle gefunden wird, sollte dies erst im Anschluss an die vorbeschriebene klinisch-diagnostische Abklärung und Einordnung der Demenzerkrankung erfolgen. Und auch nur, wenn bestimmte Konstellationen vorliegen, z. B. besonders viele erkrankte Personen in der Familie, ein frühes Manifestationsalter und ein Verwandtschaftsverhältnis der Eltern.

Wie geht es weiter nach der Diagnose?

Die Demenz-Therapie erfordert – neben der pharmakologischen Behandlung, sofern sie verfügbar ist – vor allem eine Intervention im psychosozialen Bereich für Patienten und Angehörige. Hier spielt der Hausarzt oft eine zentrale und koordinierende Rolle. Zur Therapie zählen Maßnahmen wie kognitives Training, Ergotherapie, körperliche Aktivität, das Wahrnehmen sozialer Kontakte wie die Teilnahme an Selbsthilfegruppen. Aber auch die möglichst frühe Auseinandersetzung mit der Inanspruchnahme weiterer Versorgungsangebote – Sozialstation, Tagespflege und Unterbringung in stationären Einrichtungen – gehört dazu. Die Erstellung von Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen und ggf. die Einleitung eines Betreuungsverfahrens müssen zudem bedacht werden. An Medikamenten ist für die Behandlung der Alzheimer-Demenz und der Mischdemenz im leichten bis mittelschweren Stadium der Einsatz von Cholinesteraseinhibitoren (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin) und im mittleren bis schweren Stadium von Memantin zugelassen.

Wann soll zwingend und rasch zu einer weiterführenden Abklärung überwiesen werden?
  • Bei neu aufgetretener Demenz mit rascher Verschlechterung
  • Bei ungewöhnlichen Symptomen, wie früh im Verlauf auftretende Aphasie, Apraxie
  • Bei zusätzlich vorhandenen motorischen Symptomen, wie Gangstörung, Stürzen

Für die Behandlung der fronto-temporalen, der vaskulären und der Lewy-Körper-Demenz ist keine zugelassene medikamentöse antidementive Therapie verfügbar. Liegt Demenz bei Parkinson vor, ist die Behandlung mit Rivastigmin in Deutschland zugelassen. Ergänzend sollte bei Mischdemenz und vaskulärer Demenz auch an das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gedacht werden. Heute liegt eine gute Evidenz dafür vor, dass auch bei neurodegenerativen Demenzen die Optimierung jeglicher kardiovaskulärer Risikofaktoren die Progression der Demenz positiv beeinflusst, diese also verlangsamen kann.

Vorgeschädigtes Gehirn reagiert sensitiver

Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann eine symptomorientierte, z. B. neuroleptische, Behandlung notwendig werden (Cave: bei Parkinsondemenz und Lewy-Körper-Demenz nur mit Clozapin oder Quetiapin). Hier ist prinzipiell anzumerken, dass ein vorgeschädigtes Gehirn, wie es bei einer Demenz der Fall ist, sehr oft wesentlich sensitiver auf eine Medikamentengabe reagiert als ohne Schädigung. Es sollte also sehr vorsichtig eindosiert, und auch damit gerechnet werden, dass (untypisch) kleine Erhaltungsdosen ausreichen können. Auch sollten Sie immer wieder Absetzversuche von Medikamenten anstreben, weil die Multimedikation bei diesen Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu unerwünschten Problemen führt. Hinzu kommt, dass Symptome, die im Rahmen einer Demenz auftreten, nicht zwingend über den gesamten weiteren Verlauf fortbestehen müssen.


Literatur:
DGN/DGPPN-Leitlinie "Diagnostik der Demenz"


Autor:

Markus Hobert

Zentrum für Neurologie und Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
Abteilung für Neurodegeneration
Arbeitsgruppe Funktionelle Neurogeriatrie
72076 Tübingen

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (15) Seite 54-59