In unserer dreiteiligen Serie "Der Arzt als Chef" beleuchten wir die Personalangelegenheiten eines niedergelassenen Hausarztes. Nachdem wir uns in den letzten beiden Ausgaben mit den Themen Personalsuche und Personalführung beschäftigt haben, geht es im vorliegenden Teil nun darum, wie man mit Konfliktsituationen im Team souverän umgeht.

Wo Menschen zusammen arbeiten gibt es Konflikte, das ist ganz normal. Somit sollten sie nicht geleugnet oder vermieden werden. Achten Sie darauf, Konfliktpotenzial frühzeitig zu erkennen und als Chance zu nutzen. Je früher Sie sich den Konflikten stellen, desto schneller sind diese geklärt, ohne bleibende Verletzungen zu hinterlassen.

In Ihrer Praxis haben Sie es mit drei Arten von Konflikten zu tun:
  • Konflikte zwischen Ihnen und einer Mitarbeiterin oder einem Kollegen,
  • Konflikte zwischen Mitarbeiterin und Patienten oder
  • Konflikte im Praxisteam

Mit der Kommunikation und der Zusammenarbeit verhält es sich ähnlich wie mit der Gesundheit: Wir machen uns keine Gedanken darüber, solange alles gut läuft. Sobald eine Störung auftritt, soll alles ganz schnell gelöst werden. Doch das Ausräumen interner Missverständnisse zwischen Arzt und Mitarbeiterinnen oder unter den Kolleginnen kostet mehr Zeit und Energie als präventive Maßnahmen. Ein einheitliches, internes Informationssystem, in dem genau festgelegt ist, wie jeder einzelne Mitarbeiter dieses System nutzt, bringt Transparenz in den Arbeitsalltag. Sprechen Sie dabei auch über scheinbare Selbstverständlichkeiten. Denn Menschen unterschiedlicher Position haben auch unterschiedliche Erfahrungen und Interessen. Sie sehen Situationen aus verschiedenen Perspektiven und ordnen entsprechend Dinge in ihr Wertesystem ein. So wird etwas "scheinbar Selbstverständliches" von jemand anderem nicht als selbstverständlich angesehen.

Da die meisten Konflikte aus kleinen Missverständnissen entstehen, ist es wichtig, sich zu vergewissern, dass man von demselben spricht wie der Gesprächspartner. Ist Ihnen eine Ansage besonders wichtig, so haken Sie nochmals nach, was die Mitarbeiterin verstanden hat. Auch wenn sie mit einem "Ja" geantwortet hat. Was genau hat sie verstanden? Nur wenn diese wiederholt, was bei ihr angekommen ist, werden Sie sicher sein können, dass kein Missverständnis entsteht.

Und wie steht es mit Ihrem Verständnis der Aussagen anderer? Fassen Sie ruhig einmal das Gehörte zusammen. "Bei mir ist angekommen…" oder "Habe ich richtig verstanden, dass…" sind Wiederholungen, die Wunder wirken können. Denn eventuelle Missverständnisse werden so vermieden.

Wenn ein Patient sich beschwert…

Stehen Sie immer hinter Ihren Mitarbeiterinnen und übernehmen Sie als Vorgesetzter die Verantwortung! Stärken Sie Ihrer Mitarbeiterin den Rücken und schützen Sie sie. Die Arbeit an der Rezeption einer Praxis ist ein Ort mit großer Belastung und hohem Stresslevel. Patienten sollen stets freundlich empfangen, manchmal auch beruhigt werden. Nebenbei klingelt das Telefon, Bürokratie häuft sich und der Arzt hat einen "Wunsch zwischendurch". Dazu werden die Wartenden ungeduldig und der Ton vieler Patienten wird rauer. In unseren Trainings hören wir immer wieder von den MFAs, dass sie sehr unhöflich bis teilweise unverschämt angesprochen werden. Beim Arzt im Behandlungszimmer ist der Ton des gleichen Patienten dann deutlich freundlicher. Hier ist es Ihre Aufgabe, die Mitarbeiterinnen zu schützen.

In Konfliktsituationen stehen Sie immer auf der Seite Ihrer Mitarbeiterinnen. Auch wenn Sie der Ansicht sind, dass die Mitarbeiterin einen Fehler gemacht hat. Missverständnisse, Fehler und Konflikte sind Interna der Praxis und werden entsprechend im Vier-Augen-Gespräch geklärt. Schieben Sie Dinge nicht auf die Mitarbeiterin oder den Kollegen und entschuldigen Sie sich auch nicht für andere, nach dem Motto: "Es ist heute viel los und Frau N. ist überfordert, da eine Kollegin krank ist", denn das bedeutet: Mit Dritten über andere reden. Als Praxiseigner und Arbeitgeber übernehmen Sie die Verantwortung.

Konflikte im Team

Konflikte zwischen den Mitarbeiterinnen werden von den Ärzten häufig an diese verwiesen: Das sollen sie unter sich ausmachen. Es ist nachvollziehbar, dass ein Arzt nicht gerne in Missstimmungen zwischen den Angestellten gezogen werden möchte. Doch als Vorgesetzter dürfen Sie sich nicht entziehen.

Zunächst gilt es Strukturen zu schaffen, die präventiv wirken. Denn ein Team ist vergleichbar mit Zahnrädern, die ineinanderlaufen: Ist jede Position gut ausgefüllt, jedes Teammitglied positiv gestimmt, sind die Prozesse gut aufgestellt, so läuft der gesamte Betrieb rund, die Zahnrädchen greifen reibungslos ineinander. Sobald nur eines der Zahnräder hakt, ist der Kreislauf gestört. Das Gesamtgeschehen kommt ins Trudeln. Dieses Trudeln verursacht täglich in vielen Arztpraxen einen zusätzlichen Energieaufwand und Unstimmigkeiten, die es dann wieder einzufangen gilt.

Zunächst sorgen Sie für regelmäßige und verbindliche Teamsitzungen. Die meisten Arztpraxen haben einen sehr intensiven, arbeitsaufwendigen Arbeitsalltag. Der gute Vorsatz, regelmäßig Teamsitzungen abzuhalten, ist vorhanden. In der Realität bleibt kaum Zeit dafür, häufig werden Teamsitzungen verschoben oder fallen aus. Im Ergebnis finden Teamsitzungen nur dann statt, wenn es nicht mehr rund läuft, wenn Fehler passieren und wenn die Chefs mal wieder deutlich machen müssen, was sie verlangen. Leider wird die Teamsitzung sehr unterschätzt, denn sie bietet einen viel größeren Nutzen als das Zurechtrücken von Fehlern.

Die Teamsitzung dient:
  • der Strukturierung von Prozessen
  • der kontinuierlichen Weiterentwicklung
  • der Vermittlung von fachlichem Wissen
  • der Teamstärkung
  • der schnelleren Integration neuer Teammitglieder
  • der Motivation
  • der Identifikation mit der Praxis

Werden Teamsitzungen regelmäßig (mindestens einmal monatlich) und verbindlich (Anwesenheitspflicht) durchgeführt, dauern sie nicht sehr lange und vor allem: Sie beugen Konflikten vor!

Als Grundregeln gelten:
  • Tragen Sie regelmäßige Teamsitzungen im Praxiskalender ein.
  • Diese Termine sind verbindlich für alle.
  • Keine Teamsitzung darf ausfallen.
  • Eine Teamsitzung sollte maximal 45 Minuten dauern.
  • Gibt es keine Erstkraft oder Praxismanagerin, sollten die Helferinnen im Wechsel für Organisation und Ablauf der Sitzung zuständig sein und deren Moderation übernehmen.
  • Entwickeln Sie eine Liste mit Verantwortlichkeiten. Sammeln Sie relevante Themen von allen Mitarbeitern vorab (z. B. auf einem Flipchart im Aufenthaltsraum).
  • Protokollieren Sie jede Sitzung schriftlich. Jeder übernimmt einmal die Protokollierung in einem rotierenden System.

Kommt es trotz regelmäßiger Teamsitzungen und Absprachen zu Konflikten, so überlassen Sie die Lösung nicht Ihren Mitarbeiterinnen allein. Geht es im Konflikt um Aufgaben und Zuständigkeiten, können Sie das Thema in Gesprächen mit den einzelnen Mitarbeiterinnen beleuchten, im Team besprechen und Ihre Entscheidung für alle transparent machen. Schließlich geht es in erster Priorität um die Belange der Praxis.

Handelt es sich im Konflikt eher um persönliche Unstimmigkeiten und Atmosphärisches zwischen einzelnen Mitarbeiterinnen, scheuen sich viele Vorgesetzte, eine Konfliktklärung zu moderieren. Dies ist verständlich. In diesem Fall ist ein Teambildungsprozess oder eine Moderation zur Konfliktklärung mit externen professionellen Mediatoren der unkomplizierte und erfolgversprechende Weg. Denn unbelastete Personen von außen gehen unbefangen in die Klärung. So wird häufig aus einem unangenehmen Treffen eine konstruktive Sitzung in (fast) entspannter Atmosphäre, aus der das Team neue Energie schöpft.

Zum Schluss
Konflikte und Fehler sind menschlich und kein Grund zur Besorgnis, solange Sie adäquat mit den Situationen umgehen. Werden Unstimmigkeiten frühzeitig angesprochen, entwickeln sich daraus keine Konflikte. Wichtig ist dabei, kritische Situationen von Angesicht zu Angesicht zu besprechen. Schriftliche Hinweise oder Mahnungen per E-Mail oder Notizzettel verstärken ein Problem, da positive Signale wie Tonfall und Mimik entfallen. Denn schriftliche Informationen unterliegen in hohem Maß der Interpretation des Empfängers.

Wo Austausch regelmäßig, respektvoll und lösungsorientiert gepflegt wird, wo Meinungsverschiedenheiten und unterschiedlichen Sichtweisen Raum gegeben wird, werden Konflikte selten groß.



Autor:

Dipl.-Päd. Ingrid Belser-Schweigler

Zertifizierter Business- und Privatcoach, Wirtschaftsmediatorin
79117 Freiburg



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (14) Seite 45-47