Im zweiten Teil der Serie "Praxisumbau" geht es um die barrierefreie Gestaltung einer Arztpraxis besonders im Hinblick auf Patienten mit kognitiven Einschränkungen und Demenz.

Bauen für ältere Menschen und auch für Menschen mit MCI (Mild Cognitive Impairment) oder Demenz heißt neben der Eignung für Rollstuhl oder Rollator auch, sich Gedanken zu machen über Akustik, Farben, Orientierungshilfen, Licht und viele hilfreiche Details.

Was in diesem Zusammenhang notwendig ist, kann leicht verstanden werden: Im Alter müssen wir mit immer mehr Funktionseinschränkungen des Körpers, der Sinne und des Geistes zurechtkommen. Dies kann jeder selbständig zumindest teilweise ausgleichen, solange der Kopf versteht, was geschieht. So wird die Brille auf die Nase gesetzt und ein gut beleuchteter Platz zum Lesen aufgesucht. Oder es werden, um nicht zu stolpern, Teppiche eingerollt und Haltegriffe angebracht.

Geistige Einbußen durch Gestaltung der Umgebung kompensieren

Wenn aber eine Demenzerkrankung zu den ganz normalen Alterserscheinungen hinzukommt, müssen alle Einschränkungen so weit als möglich von der von uns zu gestaltenden Umgebung ausgeglichen werden. Ein Nachlassen der Fähigkeiten auf der einen Seite sollte also auf der anderen Seite ein Bemühen, die Umwelt möglichst verständlich und sicher zu gestalten, auslösen – damit möglichst vieles möglichst lange in Balance bleiben kann!

Kompetenzverlust macht Angst

Wenn dies nicht geschieht, wird ein Verlust an Kompetenz erlebt, also das Gefühl, dass die Umwelt nicht so auf Bedürfnisse reagiert, wie es gewünscht wird, und auch nicht mehr so verstanden werden kann. Das macht wütend oder traurig, forciert Weglaufen oder Verstecken. Kompetenzverlust macht Angst. Wenn dies erlebt wird, kommt es zu sozialem Rückzug. Das heißt für den Arzt konkret für jede Untersuchung, dass der Austausch erschwert wird, aber auch die Kooperationsbereitschaft sinkt.

Um möglichst korrekte und verständliche Informationen über die Umgebung zu liefern, müssen alle Sinne einbezogen werden.

Sehen und Hören als die wichtigsten Sinne zur Orientierung im Raum

Die Information über die Umwelt erfolgt bei Erwachsenen zu etwa 80 % über das Sehen, es ist der wichtigste Sinn zur räumlichen Orientierung. Altersbedingte Veränderungen bewirken nachlassende Sehschärfe, vermindertes Farbsehen, vermindertes Kontrastsehen, Blendungsempfindlichkeit und eine Gesichtsfeldeinschränkung.

Eine sich stetig verringernde Größe der Pupille beispielsweise ist der Grund für einen deutlich höheren Lichtbedarf, und die Tiefenschärfe kann schlechter reguliert werden. Eiweißeinlagerungen verringern gleichzeitig die Lichtdurchlässigkeit für kurzwellige blaue Farbspektren. Warme Farben, also Rot, Orange, Gelb oder Braun, werden länger gut erkannt ("Signalrot"!) und auch bevorzugt.

Auch die Netzhaut ist häufig von im Alter auftretenden Degenerationsprozessen betroffen. Speziell im Bereich der Makula, dem Ort des schärfsten Sehens, kommt es bei einer altersbedingten Makuladegeneration (AMD) zu Eintrübungen. Ist dies der Fall, so wird die Umgebung klarer erkannt als der fokussierte Gegenstand oder Gesichter. Deutliche Konturen mit hohem Leuchtdichtekontrast sind daher hilfreich. Farben können als Barriere, zur besseren Orientierung und für eine behagliche Umgebung eingesetzt werden.

Nutzschall und Störschall: Die Trennung wird schwieriger

Während die Augen nachts ruhen, arbeitet der Hörsinn weiter. Das Ohr nimmt nicht nur akustische Signale der Umwelt auf und verarbeitet sie, es lässt uns auch konzentriert einem Gespräch zuhören, es macht es uns möglich, das Gleichgewicht zu halten und hilft uns bei der Orientierung im Raum.

Im Vergleich zum Auge unterliegt das Ohr kaum physiologischen Alterungsprozessen. Die Probleme treten vor allem bei der Verarbeitung der aufgenommenen Informationen und Geräusche auf. Im Alter verlangsamt sich der Filterungsprozess, der relevante Informationen (Nutzschall) und Geräuschkulisse (Störschall) unterscheidet. So fällt es dem Betroffenen schwerer, einem Gesprächspartner zu folgen, das Gesagte aus einer diffusen Geräuschkulisse zu verstehen oder auch Geräusche zu lokalisieren.

Schwer verständliche Konsonanten

Je älter ein Mensch ist, desto weniger hört er in der Regel hohe Frequenzen. Konsonanten wie P, S, F und T, die in einem höheren Hertz-Bereich angesiedelt sind, werden daher am schlechtesten verstanden. Lauter sprechen nützt hier wenig – raumakustische Maßnahmen dagegen sind hilfreich. Die verschiedenen Formen des eingeschränkten Hörvermögens lösen bei den Betroffenen oft Angst und Unsicherheit aus und bewirken Rückzug und Isolation.

Für ein sicheres Bewegen im Raum ist das Zusammenwirken aller Sinne notwendig. Ist nur einer dieser Sinne getrübt, stellt dies schon eine kleine Herausforderung dar. Auch die im Alter normalen Defizite in der Beweglichkeit und der Feinmotorik werden bei einer Demenzerkrankung zu noch größeren Problemen, da sie kaum mehr mit Erfahrungswissen ausgeglichen werden können. Einfache Abläufe verlangen dem Betroffenen viel mehr Aufmerksamkeit und Konzentration ab. Viele Bewegungsunsicherheiten und Stürze könnten verhindert werden, wenn das Gehirn nicht schon mit dem "Lesen" der Umwelt ausgelastet wäre!

Die Welt muss leicht verständlich sein

Deshalb muss alles leicht verständlich sein: Der Boden ein wenig dunkler als die Wand vermittelt Sicherheit beim Gehen und verdeutlicht die Raumkanten. Blaue Böden werden immer wieder mit Wasser in Verbindung gebracht, besser also meiden! Dunkle Bodenflächen werden in der Regel als tiefer liegend empfunden, daher ist es selbst bei Fußabstreifern empfehlenswert, deren Farbe ähnlich dem Boden zu wählen. Türen, in die man eintreten darf, sind farbig betont. Die anderen dagegen bleiben, in Wandfarbe gehalten, fast wie Tapetentüren verborgen und damit uninteressant. Lichtschalter werden farbig umrandet, denn einen weißen Schalter auf weißer Wand erkennt man schlecht.

Einrichtungsgegenstände, vor allem Stühle, sollen sich gut erkennbar von Boden und Wand abheben. Armlehnen sind hilfreich, auch auf deren gute Erkennbarkeit sollte geachtet werden. Besonders schmale Chromstützen werden beim Setzen leicht übersehen.

Erwünschte oder störende Kontraste können gut anhand eines Schwarzweißfotos überprüft werden. Auch der Tresen der Anmeldung soll gut erkennbar und so ausgeleuchtet sein, dass Gesichter problemlos erkannt werden. Auch eine gute Sprachverständlichkeit muss hier gewährleistet sein. Die DIN-Norm 18040 gibt hier weitere gute Hinweise.



Autor:

Dr. Ing. Birgit Dietz

Architektin, Lehrbeauftragte an der TU München
96049 Bamberg

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (4) Seite 58-60