Bradykardien, Tachykardien und Asystolien erfordern rasche und gezielte therapeutische Maßnahmen. Für die Akuttherapie wird das neue Konzept der „5A“ vorgestellt, das die Medikamente Adenosin, Adrenalin, Ajmalin, Amiodaron und Atropin umfasst.
Die Behandlung von Patienten mit Herzrhythmusstörungen wird oft als schwierig, kaum durchschaubar und durch unterschiedliche Arrhythmietypen und -mechanismen als komplex und verwirrend betrachtet [5, 18, 24]. Dies trifft aber nicht zu, wenn man „einfache Spielregeln“ beachtet wie sorgfältige Anamnese, klinische Untersuchung und sorgfältige Analyse des 12-Kanal-Oberflächen-EKGs [15]. Die Zusammenstellung dieser Befunde führt in über 90 % der Fälle zur richtigen Diagnose [5]. Die Behandlung von Herzrhythmusstörungen umfasst die Gabe von Antiarrhythmika („A“), Betablockertherapie („B“), Cardioversion („C“) oder Defibrillation („D“), so dass diese Maßnahmen mit dem „ABCD-Konzept“ einfach zusammengefasst werden können. In diesem Beitrag soll nun ein neues vereinfachtes und in der praktischen Medizin leicht umsetzbares Konzept zur Therapie bradykarder oder tachykarder Rhythmusstörungen vorgestellt werden.
Bradykarde Rhythmusstörungen
Bradykarde Rhythmusstörungen (Tabelle 1) liegen vor, wenn die Kammerfrequenz unter 50/min beträgt, und können durch Störungen in Sinusknoten, Vorhöfen, AV-Knoten oder His-Bündel-System allein oder in Kombination hervorgerufen werden. Sinusknotendysfunktionen können als Sinusbradykardie, sinuatriale Blockierungen oder Sinusknotenstillstand imponieren [1]. AV-Blockierungen werden als Grad I bis III klassifiziert, je nach Ausmaß der atrioventrikulären Überleitungsstörung. AV-Blockierungen I. und II. Grades treten sehr häufig innerhalb von 24 Stunden nach einem Infarkt auf und dauern gewöhnlich nicht länger als 72 Stunden an [18]. Komplette AV-Blockierungen (Grad III) sind bei vielen Patienten mit akutem Koronarsyndrom ebenfalls nur vorübergehend, bei den meisten Patienten kann nach drei bis sieben Tagen wieder eine unauffällige atrioventrikuläre Überleitung nachgewiesen werden.
Tachykarde Rhythmusstörungen
Tachykardien (Tabelle 2 und 3) sind definiert als Rhythmusstörungen mit einer Kammerfrequenz über 100/min.
Bei supraventrikulären Tachykardien (SVT) sind anatomische Strukturen oberhalb der Aufteilung des His-Bündels in die Tawaraschenkel beteiligt. Zu diesen supraventrikulären Tachyarrhythmien gehören atriale Tachykardien, AV-Knoten-Reentry-Tachykardien, Tachykardien aufgrund akzessorischer Leitungsbahnen, AV-junktionale Tachykardien, Vorhofflattern und Vorhofflimmern. Allen SVT gemeinsam ist die Breite des QRS-Komplexes, die gewöhnlich 80 bis 100 ms beträgt.
Tachykarde ventrikuläre Rhythmusstörungen sind mono- oder polymorphe Kammertachykardien, Torsade de pointes-Tachykardien, Kammerflattern und Kammerflimmern. Der plötzliche Herztod (PHT) ist als schwerwiegendste Form tachykarder ventrikulärer Rhythmusstörungen aufzufassen [18].
Diagnostik
Von entscheidender Bedeutung in der Diagnostik bradykarder und tachykarder Rhythmusstörungen ist neben Anamnese und körperlichem Untersuchungsbefund (Herz-Lungen-Auskultation, Puls, Blutdruck, Herzinsuffizienzzeichen, Pulsdefizit) vor allem das 12-Kanal-Oberflächen-EKG. Bei tachykarden Rhythmusstörungen ist zwischen regelmäßigen Tachykardien mit schmalem QRS-Komplex (< 0,12 s) und breitem QRS-Komplex (> 0,12 s) bzw. irregulären Tachykardien (unterschiedliche RR-Abstände während der Tachykardie) zu unterscheiden.
Das Konzept der „5A“
Die Behandlung von Patienten mit Rhythmusstörungen soll einfach, effektiv und sicher sein und mit möglichst keinen oder wenigen Nebenwirkungen oder Problemen einhergehen. Aus diesen Überlegungen heraus erscheint es möglich, mit lediglich fünf Medikamenten sehr viele Rhythmusstörungen im Bereich der Intensiv- und Notfallmedizin zu behandeln. Diese Medikamente, die das neue Konzept der „5A“ in der Therapie bradykarder und tachykarder Rhythmusstörungen ausmachen, sind Adenosin, Adrenalin, Ajmalin, Amiodaron, und Atropin (Abb. 1).
Adenosin
Adenosin ist aufgrund seiner extrem kurzen Halbwertszeit von wenigen Sekunden ein Medikament der ersten Wahl zur Behandlung von Tachykardien mit schmalem QRS-Komplex. Es kann auch in der Schwangerschaft und unabhängig von Leber- oder Nierenfunktion angewendet werden. Es konnte gezeigt werden, dass Adenosintriphosphat (6 mg i.v. als Bolus, wenn nicht erfolgreich Steigerung der Dosis auf 9 oder 12 mg) eine Erfolgsrate von etwa 90 % hat. Der Wirkmechanismus ist in einem transienten AV-Block zu sehen, so dass Adenosin bei Tachykardien, deren Impulsausbreitung den AV-Knoten miteinbezieht, ein geeignetes Medikament zur Terminierung der Rhythmusstörung ist [19]. Eigene Untersuchungen haben im Jahr 2000 gezeigt, dass eine Terminierung induzierter supraventrikulärer Tachykardien durch 12 mg Adenosin i.v. bei 81 % der Patienten möglich war [23]. In einer 1997 publizierten Studie konnten wir nachweisen, dass Adenosin und Ajmalin geeignete Medikamente für die Akuttherapie supraventrikulärer Tachykardien sind mit ähnlich hohen Erfolgsraten [21].
Adrenalin
Die Gabe von Adrenalin ist bei Patienten mit prähospitalem Herz-Kreislauf-Stillstand und defibrillationsrefraktärem Kammerflimmern oder einer Asystolie seit Jahren etabliert [4]. Vorwiegend aufgrund seiner alpha-adrenergen Stimulation erhöht Adrenalin unter kardiopulmonaler Reanimation den kardialen und zerebralen Blutfluss [8]. Beim Vasopressin handelt es sich um ein nichtadrenerges Peptidhormon mit ausgeprägter vasokonstriktorischer Wirkung [10, 12]. Aufgrund seiner fehlenden adrenergen Wirkung führt es zu keiner myokardialen Stimulation, ist von einer Gewebeazidose unabhängig und erscheint daher im Rahmen der kardiopulmonalen Reanimation als Alternativsubstanz zum Adrenalin [7].
Ajmalin
Bei Patienten mit anhaltenden ventrikulären Tachykardien und stabiler Hämodynamik ist Ajmalin (50 - 100 mg i.v. über fünf Minuten) ein Klasse-I-Antiarrhythmikum mit hoher Effektivität [19, 20]. Vor etwa 20 Jahren wurde bereits darauf hingewiesen, dass Ajmalin wesentlich effektiver ist als Lidocain, besonders bei Patienten mit Kammertachykardien im chronischen Infarktstadium [9, 20]. Trotz der eindeutig nachgewiesenen Effektivität in der Akuttherapie anhaltender ventrikulärer Tachykardien wurde Ajmalin nicht in die Empfehlungen der neuen Leitlinien zur Reanimation aufgenommen, möglicherweise, weil Ajmalin in den USA weitgehend unbekannt ist. Stattdessen wurde Amiodaron (300 mg i.v. in 100 ml Glukose 5 %) vorgeschlagen [6]. Bei Tachykardien, deren Ursprung für den behandelnden Arzt nicht klar ist, erscheint Ajmalin ebenfalls geeignet zu sein und sollte im Zweifelsfall gegeben werden [24].
Amiodaron
Amiodaron ist ein Antiarrhythmikum der Klasse III nach der Vaughan-Williams-Klassifikation und wird seit etwa 25 Jahren in der klinischen Medizin eingesetzt [13, 14, 16). Amiodaron (300 mg i.v. als Bolus) ist zurzeit die einzige antiarrhythmische Substanz, für die eine Effektivität bei schock-refraktärem Kammerflimmern nachgewiesen werden konnte und nimmt in den gültigen Empfehlungen eine zentrale Rolle ein [2, 6, 8]. Für die medikamentöse Konversion von Vorhofflimmern zum Sinusrhythmus sind bei der Applikation von Amiodaron Konversionsraten bis zu 80 % beschrieben worden, besonders bei der intravenösen Gabe von 300 mg Amiodaron i.v. über 30 min, so dass auch Amiodaron für die medikamentöse Konversion von Vorhofflimmern angewendet werden kann, insbesondere bei älteren und strukturell herzkranken Patienten, da die negativ inotrope Wirkung gering ist und proarrhythmische Effekte mit < 1 % wenig ausgeprägt sind [7, 11, 17].
Atropin
Atropin erhöht als Parasympatholytikum die Autonomie des Sinusknotens und die AV-Überleitung. Es sollte bei vagal bedingten Sinusbradykardien, AV-Blockierungen im Bereich des AV-Knotens und vagal bedingten Asystolien gegeben werden, wenngleich bei akuter Asystolie natürlich eine sofortige Reanimation erforderlich ist [22]. Bei Asystolie sollte Atropin in einer Dosierung von 1 mg i.v. alle 3 - 5 min injiziert werden, bei bradykarden Rhythmusstörungen 0 - 5 mg i.v. bis maximal 0,04 mg/kg (3 mg) [6]. Vorsicht mit der Atropingabe ist beim akuten Myokardinfarkt geboten, da ein Anstieg der Herzfrequenz die Ischämie verstärken kann. Bei Bradykardie durch infranodalen AV-Block II. Grades (Typ Mobitz) und bei komplettem AV-Block sollte Atropin nicht angewendet werden, da es zu einer paradoxen Bradykardisierung kommen kann [22].
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2011; 33 (5) Seite 22-24